Man hat von jeher viel darüber gestritten, wer, der Größere sei von jenen beiden Großen, an deren Namen sich die erste hohe Blütezeit unserer vaterländischen Tonkunst knüpft. Wechselnd hat man bald Bach, bald Händel die Palme gereicht und dem Auserwählten unbedenklich das höhere oder auch höchste Maß musikalischen Könnens zugesprochen. Dabei übersah man gern, daß, um den rechten Maßstab für die Größe des Einen zu finden, man der des Anderen nichts zu nehmen braucht. Repräsentirt doch jeder von ihnen in seiner Art ein Höchstes. Verschieden geartet wie die menschliche und künstlerische Persönlichkeit, der Lebens- und Bildungsgang Beider, war auch das Schaffensgebiet, auf dem sie ihr Bestes und Unvergänglichstes leisteten. Der fromme, ganz nach Innen gewandte, von der Gottesidee erfüllte und getragene Bach, der seine Kunst völlig in den Dienst der Kirche stellte, legte in deren Cultusformen: in Cantaten und Motetten, Messen, Passionen und Orgelcompositionen das eigenste Theil seines Wesens nieder. Händel dagegen, der, mehr nach Außen gekehrt, von früh an das Weltleben kannte und liebte, der sich in Italien dem heiteren Cultus des Schönen ergab und von der das Leben wiederspiegelnden dramatischen Kunst aus die letzte Staffel seiner Meisterschaft erstieg, ging zwar keineswegs einzig im Weltleben auf, er vergaß über dem Irdischen nicht das Ewige – aber er gewann nicht wie Bach als Kirchen- sondern als Oratoriencomponist seine unsterbliche Bedeutung. Nicht wie dem schlichten Thomascantor, der das Tiefste, was in ihm war, der Orgel anvertraute, genügte ihm die reine Instrumentalsprache zur Kundgebung seines Innenlebens; den ganzen Reichthum seines Denkens und Empfindens, seiner gestaltenden Phantasie legt er vielmehr in das gesungene Wort. Nicht wie Jener ward er als absoluter Musiker geboren. Nur wo sich das Wort dem Ton gesellt, wo Poesie und Musik ihren Bund feiern, kommt mit seiner ganzen Formenmeisterschaft auch die siegreiche Macht und Gewalt, die unwiderstehliche Kraft und Wahrheit, der erhabene Glanz seines tonlichen Ausdruckes zur rechten Geltung. Wer Händel in seiner vollen Größe und Hoheit bewundern will, muß ihn als Vocalcomponisten betrachten.

So wirkten sie Beide, Einer das Gebiet des Andern zeitweilig streifend, als Herrscher verschiedener Reiche, ein Jeder in dem seinen unerreicht und unübertroffen, gleichberechtigt neben einander. Die Güter dieses Lebens waren ihnen verschieden zugetheilt. In Schlichtheit und Stille, nur der Stimme seines Gottes und seines Genius lauschend, in der Tiefe seines Wesens Wenigen nur verständlich, ging der Eine dahin. Der Andere lebte in Glanz und Ehren, der Liebling der Vornehmen und Mächtigen, wie der großen Volksmenge, mit Massen für Massen im edelsten Sinne wirkend und Allen eine vernehmliche Sprache redend. Beide aber waren sie der Stolz und Ruhm ihrer Zeit und Nation. Persönlich berührt haben sie, die in einsamer Größe weit über ihre Zeitgenossen hinausragten und Deutschlands Herrschaft unter den musikalischen Culturvölkern begründeten, einander nie. Sie, die bei aller Verschiedenheit doch verwandten religiös-künstlerischen Idealen nachlebten und durch ihre gemeinsamen Thaten einer ganzen Epoche ihr eigenartiges Gepräge aufdrückten, schauten sich niemals von Angesicht zu Angesicht. Und doch lagen die Stätten ihrer Geburt und Kindheit einander keineswegs fern, und ein und dasselbe Jahr gab ihnen Beiden das Leben.

Nur wenige Wochen vor Sebastian Bach, am 23. Februar 1685 ward Georg Friedrich Händel geboren. Er entsproßte nicht wie sein großer Kunstgenosse einem alten Künstlergeschlecht, dessen Traditionen ihn von Kindheit auf in seine natürlichen Bahnen wiesen. Seine aus Schlesien und Böhmen in Niedersachsen eingewanderten Vorfahren pflegten bis auf seinen Großvater und des Vaters Bruder herab als ehrsame Kupferschmiede des Handwerks goldenen Boden. Nur sein strebsamer Vater, Georg Händel, lenkte in eine andere Berufsthätigkeit ein. Nachdem er sich durch Verheiratung mit einer um zehn Jahre älteren Barbierswittwe als Barbier und Wundarzt seine erste bürgerliche Stellung begründet, schwang er sich in seiner Vaterstadt Halle an der Saale, woselbst der sächsische Prinz Augustus als Administrator des in brandenburgischen Besitz übergegangenen Bisthums Magdeburg zu jener Zeit Hof hielt, allmälig zum fürstlich sächsischen und kurfürstlich brandenburgischen geheimen Kammerdiener und Leibchirurgen auf. Eine zweite Ehe, die der schon 62 jährige nach dem Tod seiner ersten Gattin mit Dorothea Taust, der Pfarrerstochter von Giebichenstein, schloß, schenkte ihm zu seinen sechs Kindern aus erster Ehe noch vier hinzu, als jüngstgeborenen Sohn den musikbegabten Georg Friedrich. In ihm, ihrem Liebling, fanden sich beide Eltern wieder. Den hellen Geist, die tiefe Frömmigkeit und Bibelkenntniß, die Tüchtigkeit im Tagewerk und Beruf, den sittlichen Ernst hatte er von der Mutter, vom Vater den kühnen Drang nach außen und aufwärts, den unbeugsamen Willen, die bis ins Alter ungeschwächte Thatkraft geerbt. Den Genius freilich hatten sie ihm nicht vererben können, ihn fügte die gütige Natur zu den überkommenen Gaben des Gemüths und Geistes als freies Weihegeschenk hinzu.

In aller Frühe schon offenbarte sich der ihm eingeborene wunderbare Tonsinn. Er lebte und webte nur in den Tönen. Aus musikalischen Kinderspielzeugen, Trompeten, Geigen, Flöten und Trommeln, die ihm der Christbaum brachte, gestaltete er sich sein Orchester. Allmälig indeß begann die anfangs bewunderte, alles Andere in den Hintergrund drängende Musikliebe den Vater zu beunruhigen. Sein Wunsch ging dahin, aus dem klugen, lernbegierigen Knaben einen Rechtsgelehrten zu machen, dem der inzwischen erlangte Wohlstand des Hauses zu Statten kommen sollte. Doch was fruchtete es, daß man ihm allen Ernstes die Beschäftigung mit seiner Lieblingskunst untersagte? Der von Allen gern gesehene kleine Georg Friedrich fand Helfer in der Noth. Dank ihrem Beistand stahl sich ein kleines zarttöniges Clavichord in das Haus, das unter dem Dache seinen versteckten Platz fand. Dahinauf flüchtete der musikeifrige Knabe unter dem Schutze der Nacht und überließ sich seinen heimlichen Uebungen, bis der Vater, eines Besseren belehrt, ihm endlich den offenen Betrieb derselben gestattete.

Am Kinde schon zeigte sich die beharrende Kraft, die Selbständigkeit im Wollen und Handeln, die den späteren Mann charakterisirte. Als der Vater ihn einst bei einer Reise nach Weißenfels, seiner Bitten ungeachtet, daheim zurücklassen wollte, folgte er dem Wagen so lange zu Fuße, bis er ihn schließlich einholte und dem scheltenden Vater die sehnlich begehrte Erlaubniß zur Begleitung abrang. Und eben diese Reise ward folgenreich für ihn. Hatte man doch in Weißenfels, wo ein kunstsinniger Fürst die Musik an seinem Hofe emsig hegte und pflegte, wo überdies ein Heinrich Schütz geboren und groß gezogen war, etwas aufgeklärtere Begriffe von der Würde der Tonkunst als in Halle. Zufällig wohnte der Fürst selber dem Debüt Georg Friedrich's auf der Orgelbank bei, und er versäumte nicht, sein Machtwort zu Gunsten der Musik bei dem Vater in die Wagschale zu werfen und es diesem zur Pflicht zu machen, daß er der natürlichen Neigung seines Sohnes bei der Wahl seines Berufs nicht hemmend in den Weg trete. Dem Letzteren selbst füllte er die Taschen mit klingendem Lohne, ihm bei fortgesetztem Fleiß weitere Aufmunterung verheißend. Besiegt war damit der geringschätzige Widerwillen Georg Händel's gegen die Musik als Profession allerdings nicht. Wie viele Andere seiner Zeit huldigte auch er der Ansicht, sie, die allein der Lust und Ergötzlichkeit diene, sei nur für Solche gut, die zu nichts Besserem und Ernsterem taugten. Aber er beschloß wenigstens, die bisher mißachtete Kunst fortan bei seinem Liebling zu dulden und der Natur, ob auch ungern genug, ferner ihren Lauf zu lassen.

Unter ungestörtem Fortgang seiner übrigen Studien ward der Knabe, der mittlerweile auch die lateinische Schule bezog, nun dem tüchtigsten Musiklehrer, der sich in seiner Vaterstadt vorfand, dem Organisten Zachau, in die Lehre gegeben. Dieser war »kein Tondichter, sondern ein Musikus in einseitiger Beziehung, der sich mit Vorliebe der anti-contrapunktischen, theatralisch melodiösen Musik zuneigte.« So charakterisirt ihn, im Gegensatz zu der übertriebenen Schätzung Anderer, Händel's Biograph Chrysander [1], dessen leider noch immer nicht in abgeschlossener Gestalt vorliegende Forschungen dem Vorstehenden hauptsächlich als Grundlage dienen. Grundverschieden standen sich die Naturen von Meister und Schüler gegenüber. Doch war der Erstere jedenfalls ein besserer Lehrer als Componist, und Händel selber äußerte sich – was freilich wol mehr auf Rechnung seines dankbaren Gemüthes kommt – nie anders als lobend über Zachau's Führung, wie er später noch seine Wittwe freigebig unterstützte. Sein bester Lehrmeister war immer sein eigener Genius. Aus eigenem freien Antrieb erlernte er Vieles, was ihm kein Lehrer zu lehren vermochte. Seinen Geschmack frühzeitig an guten Mustern zu bilden aber ließ es Zachau vor Allem nicht fehlen. Er zeigte ihm, wie sein Zeitgenosse Mattheson als älteste deutsche Quelle über Händel [2] berichtet, »die mannigfaltigen Schreibarten verschiedener Völker nebst eines jeden besonderen Verfassers Vorzügen und Mängeln. Und damit er auch eben sowol in der Ausübung als in der Beschaulichkeit zunehmen möchte, schrieb er ihm öfters gewisse Aufgaben vor, solche auszuarbeiten; ließ ihn oft rare Sachen abschreiben, damit er ihres Gleichen nicht nur spielen, sondern auch setzen lernete. Solchemnach fand unser Lehrling mehr Arbeit und größere Erfahrung, als sonst gemeiniglich ein Anderer bei seiner Jugend zu haben pflegt.« Auf Orgel und Clavier war er bald völlig heimisch, auch mit Oboe, Violine und allmälig dem ganzen Orchester machte er sich vertraut. Bei all seinem Thun gab sich eine merkwürdige Sicherheit und Reise kund. Woche um Woche lieferte der Neunjährige ein neues Orgelstück, eine neue Kirchencantate dem Lehrer als Pensum. Im zehnten Jahre schrieb er unter Anderem sechs Sonaten für zwei Oboen und Baß. »Ich componirte damals wie der Teufel; am meisten für die Oboe, die mein Lieblingsinstrument war«, äußerte der spätere Meister lachend, als sie ihm wieder einmal zu Gesicht kamen. Jetzt sind sie, gleich seinen übrigen Erstlingsschöpfungen, leider verschollen.

Georg Friedrich hatte sein zwölftes Jahr noch nicht vollendet, als ihn eine erste Kunstreise nach Berlin an den brandenburgischen Hof führte. Die philosophie-und musikkundige Kurfürstin, die nachmalige preußische Königin Sophie Charlotte, Leibnitz' Freundin, die in eigener Person vom Clavier aus Opern und Concerte dirigirte, während Prinzen und Prinzessinnen dabei mit sangen, spielten und tanzten, hatte die Tonkunst daselbst zu hohen Ehren gebracht. Das Orchester war mit Capell- und Concertmeistern aus aller Herren Länder besetzt und zwar standen die Italiener Buononcini und Attilio Ariosti, dieser als Clavierspieler, jener als Componist, unter den Musikern in vorderster Reihe. Virtuosen und Tonsetzer waren, woher sie immer kamen, allzeit willkommene Gäste. Wie durfte nicht also auch der Wunderknabe Händel hier auf die ihm gebührende Anerkennung rechnen? So geringschätzig auch zuvörderst der hochfahrende Buononcini, ein Schüler Scarlatti's, auf den zwölfjährigen Kunstjünger herabblickte: nachdem dieser in überraschendster Weise eine ihm vorgelegte schwierige Probe bestand und eine mit einem Grundbaß für das Clavier gesetzte chromatische Cantate, deren Ausführung einen gewiegten Meister forderte, frisch weg vom Blatt begleitete, konnte er ihm seine ungern genug gezollte Bewunderung doch nicht versagen – wenngleich diese ihre erste Begegnung den Grund zu ihrer späteren, in London fortgesetzten Feindschaft legte. Um so herzlicheres Wohlgefallen bezeigte sein Kunstgefährte Pater Attilio an dem genialen, allgemein bewunderten Kinde. Stundenlang erfreute er sich daran, seinem Spiele zu lauschen und ihm von der eigenen Kunst Manches zu Gute kommen zu lassen.

Am Ende erbot sich der Kurfürst (der spätere König Friedrich I.), durch die auffallende Begabung des Kleinen aufmerksam gemacht, ihn in seine Dienste zu nehmen und auf seine Kosten zur weiteren Ausbildung nach Italien zu schicken. Mit einer zu jener Zeit seltenen Unabhängigkeit der Gesinnung jedoch lehnte der Vater den Antrag ab. Er dachte sich die Zukunft seines Lieblingssohnes noch immer im Zusammenhang mit der Wissenschaft. Der Doctor der Rechte war und blieb das Ziel, dem seine Leitung beharrlich zusteuerte. Auch als kurz nach Händel's Rückkehr aus Berlin im Februar 1697 der Vater starb, setzte der Sohn in pietätvoller Berücksichtigung seiner Wünsche, seine wissenschaftlichen Studien fort; wie denn Mattheson ihm späterhin bezeugte, er habe »nebst seiner ungemein musikalischen Wissenschaft gar seine andere Studia« gemacht. Noch nicht siebzehn Jahre alt, hatte er die lateinische Schule absolvirt. Zu Anfang des Jahres 1702 bezog er die 1694 in seiner Vaterstadt gegründete Universität. Es blieb für's Erste bei der Jurisprudenz. Der angeborene künstlerische Beruf machte sich indeß daneben fort und fort geltend. Bezeichnete doch der bei seinen Zeitgenossen als Musiker hoch angesehene Telemann den sechzehnjährigen Jüngling bereits als eine für Stadt und Land wichtige Autorität. Genug, sein Ruf war ein so wohlbegründeter, daß, als im Jahre 1702 der Organist der Halle'schen Schloß- und Domkirche, Leporin, in Folge seines allgemeine Aergerniß geben den Lebenswandels seines Amtes verlustig ging, er, »der Studiosus Georg Friedrich Händel«, mit seiner Stelle und einem Gehalte von 66 Thalern betraut ward. Ein schönes Orgelwerk stand ihm dabei zur Verfügung. Reichliche Veranlassung zum Componiren und Phantasiren war ihm schon dadurch geboten, daß unter seinem sorglosen Vorgänger alle vorhandenen Notenbücher abhanden gekommen, mithin durch Neues zu ersetzen waren. Was er schuf – Chrysander spricht von mehreren hundert, leider spurlos verschwundenen Kirchencantaten – brachte er unmittelbar darauf zur Aufführung. Auch unter der studirenden Jugend erweckte er eine wohlthätige Bewegung, ein frisches Vorwärtsstreben. Ganz natürlich fügte es sich solchergestalt, daß er das musikalische Regiment in seiner Vaterstadt in seine Hand bekam. Nicht lange aber fand er bei demselben Genüge. Auf's Wandern war sein Sinn gerichtet. Zur Erweiterung seiner künstlerischen Anschauungen und Kenntnisse drängte es ihn hinaus in die Welt. Von der Juristerei war nun nicht mehr die Rede. Der Achtzehnjährige fühlte sich reif genug, um jetzt mit vollem Bewußtsein und in endlicher Uebereinstimmung mit den Seinen über die einzuschlagende Bahn zu entscheiden. Ganz und ausschließlich fühlte er sich Musiker. Als der Frühling 1703 in das Land kam, sagte er seiner Vaterstadt frischen Muthes Lebewohl, neuen Zielen zustrebend.

Sein erstes Ziel war Hamburg, das sich zu jener Zeit eines besonderen musikalischen Rufes erfreute. Hier waren die ersten Instrumentalisten und Sänger zu finden. Hierher kam, wer in der Musik etwas Außerordentliches zu hören begehrte, und für auswärtige Meister galt es als Ehre, ihre compositorischen oder virtuosen Leistungen dem dasigen Publicum vorzuführen. Selbst der ehrwürdige Heinrich Schütz hatte eine so hohe Meinung von der »fürnehmen Reichs-und Hansa-Stadt«, daß er sie zu seiner »letzten Herberge auff dieser Welt« zu erwählen gedachte. Insbesondere war es die Pflege der deutschen Oper, die Hamburgs musikalischen Ruhm begründete. Nur an den Höfen, als gefällige Dienerin bei ihren Festlichkeiten, hatte die um 1600 in Italien erstandene und von Frankreich bald begierig aufgegriffene Kunstform seit Mitte des siebzehnten Jahrhunderts lebhaftere Aufnahme gefunden – denn das erste deutsche Singspiel von Heinrich Schütz, »Daphne« (1627), blieb zunächst eine vereinzelte Erscheinung. So war es in der That ein denkwürdiges Unternehmen, als im Jahre 1678 einige Privatpersonen in Hamburg ein stehendes öffentliches Theater für deutsche Opernspiele errichteten. Was bisher nur ein beneideter Luxus der Höfe gewesen, ward nun einem zahlenden Publicum zugänglich – kein Wunder, wenn die neue Kunstanstalt, deren volksthümlichen Charakter schon die Anwendung deutschen Textes, wie die ausschließliche Mitwirkung deutscher Sänger sicherte, lebhaftem Anklang begegnete. Von der anfänglichen Verwendung biblischer Stoffe, die einen neuen Kunstzweig: ein geistliches Musikdrama, als specifisch deutsches Geistesproduct herauszubilden versprach, kam man bald zurück. In Nachahmung der italienischen und der französischen Oper, wenn gleich der einen gesanglich, der anderen dramatisch nachstehend, behauptete das deutsche Singspiel nur mehr den ursprünglichen weltlichen Charakter. Ihre goldensten Tage sah die Hamburger Bühne während der leitenden und schöpferischen Wirksamkeit Reinhard Keiser's – ein Naturgenie von außerordentlicher Leichtigkeit der Gestaltung, wenn auch ohne höhere, idealere Kunstziele, das durch seine in verschwenderischer Fülle ausgestreuten Opern (er schrieb gegen 120, die sich über die angesehensten Theater Nord- und Mitteldeutschlands verbreiteten) sich und der von ihm beherrschten Bühne zu vielem Ruhm und Ansehen verhalf, ohne doch seiner Begabung entsprechend auf die Kunst selber irgend welchen tiefgreifenden Einfluß zu üben.

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Anmerkungen:

  1. G.F. Händel. 3 Bde. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 1858–1867
  2. G.F. Händel's Lebensbeschreibung. Hamburg, 1761. In England gingen Mainwaring's Memoirs of the life of the late G.F. Händel (London, 1760) Mattheson's Schrift voran, der bald Burney's »Nachricht von Händel's Lebensumständen«, in deutscher Uebersetzung von Eschenburg (Berlin und Stettin, Nicolai, 1785), später Schölcher u. A. folgten.
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