Was die »Entführung« von den früheren deutschen Operetten und Singspielen Hiller's und Anderer unterscheidet und sie auf das Niveau der Oper erhebt, sind nicht nur die größeren, breiter ausgeführten Formen an sich – wie er die Arie an Stelle des Liedes setzt – sondern die ihnen innewohnende dramatische Bedeutung: die ungleich gesteigerte Antheilnahme der Musik an der dramatischen Darstellung. Spricht der Meister doch gerade in Bezug auf die »Entführung« seinem Vater gegenüber den Grundsatz aus, daß »bei einer Oper schlechterdings die Poesie der Musik gehorsame Tochter sein müsse.« In allen Stilen und Formen geübt, stets mit sicherer Hand das Rechte treffend, gestaltete er aus dem Geiste seines Volkes heraus ein Kunstwerk, wie dasselbe keins zuvor besessen und wie es für dies Genre bestimmend wurde. Ungeachtet des orientalischen Stoffes und Colorits vernehmen wir, zumal in der Partie des Belmonte, echt deutsche Herzenstöne; die Sprache deutschen Gemüths, deutscher Liebesinnigkeit wird hier zum ersten Male in der Oper laut, und der Tenor, der in der italienischen Oper seiner natürlichen Sphäre ganz entrückt war, wird nun in sein eigentliches Recht eingesetzt. So wurde die Gestalt des Belmonte, der Charakter des deutschen Jünglings, für das deutsche Musikdrama fortan vorbildlich. Nicht minder die originelle Figur des Osmin, die, mit drastischem Humor gezeichnet, ebenfalls Mozart's eigenste Schöpfung ist. Hat auch der Baß-Buffo der Italiener bei ihr Pathe gestanden – man denke nur an die von Mozart aufgenommene komische Wirkung des Parlando-Gesanges – ihre durchgeführte Charakteristik erhebt sie weit über jene charakterlosen Geschöpfe. Erschienen noch im »Idomeneo« die einzelnen Gestalten mehr in Gluck'scher Weise typisch als individualisirt, so haben hier selbst die Nebenfiguren, der Naturbursche Pedrillo und die neckische Zofe Blondchen Athem und Leben. Weniger scharf umrissen ist mit ihrem wuchernden Coloraturenschmuck dagegen die Partie der Constanze. Der Künstler selber sagt, er habe ihre erste Arie »ein wenig der geläufigen Gurgel der Mlle. Cavalieri aufgeopfert«, und noch mehr ist dies mit der großen Arie: »Martern aller Arten« der Fall, die lediglich einem virtuosen Zwecke dient. Um so wahrer und inniger kommt das schwärmerisch sehnsüchtige Empfinden des trauernden Mädchens in der Arie des zweiten Actes: »Traurigkeit« zum Ausdruck.

Die Tiefe und Wahrheit dieses Ausdruckes kann uns nicht Wunder nehmen, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß Mozart all' diese Empfindungen an sich selbst erlebte – daß er die »Entführung« als Bräutigam schrieb. Er selber hatte eine Constanze gefunden, deren Besitz er sich nur nach vielen Kämpfen erringen konnte. Es war die jüngere Schwester der einst so heiß von ihm geliebten, jetzt mit dem Schauspieler Lange vermählten Aloysia und wie Jene seine Schülerin in Pianofortespiel und Gesang. Bei ihrer Mutter, die mit Mann und Töchtern nach Wien gezogen war, Ersteren aber bald darauf verlieren mußte, hatte er nach seiner Ausweisung aus dem erzbischöflichen Palais Aufnahme gefunden und mehrere Monate behaglich gewohnt, bis er, dem Drängen seines Vaters nachgebend, sich ein anderes Unterkommen suchte. Aber gerade die Trennung von Constanze im Verein mit der Ungemüthlichkeit seiner häuslichen Existenz brachte ihn zum Bewußtsein seiner Liebe. »Sie ist nicht häßlich«, schildert er sie dem Vater, »aber auch nichts weniger als schön. Ihre ganze Schönheit besteht in zwei kleinen schwarzen Augen und in einem schönen Wachsthum. Sie hat keinen Witz, aber gesunden Menschenverstand genug, um ihre Pflichten als Frau und Mutter erfüllen zu können ... Sie versteht die Hauswirthschaft, hat das beste Herz von der Welt – ich liebe sie und sie liebt mich von Herzen – sagen Sie mir, ob ich mir eine bessere Frau wünschen könnte?«

Der Vater freilich war anderer Meinung. Er wollte vor Allem nicht zugeben, daß Wolfgang sich ohne das Fundament einer sicheren Anstellung – denn er war noch immer auf den zufälligen Ertrag von Musikstunden, Concerten und Compositionen angewiesen – einen Hausstand gründe, zumal er seine unpraktische, aller haushälterischen Talente ermangelnde Art nur zu gut kannte. Was halfen ihm gleichwol seine Einwände? Was nützte es ihm auch, daß er in Constanze's Mutter eine eifrige Bundesgenossin fand? Am Ende setzte der durch den Erfolg seiner Oper ermuthigte Künstler eine zweite »Entführung«, wie er scherzend sagte, in Scene. Eine Freundin und Gönnerin, Baronin Waldstädten, lieh ihm dabei thätigste Hülfe. Sie beseitigte die mannigfachen Hindernisse, verwandte sich beim Vater, schaffte die erforderliche Summe zum Ehecontract, die Befreiung vom kirchlichen Aufgebot herbei, und am 4. August 1782, bevor noch die schließliche Einwilligung aus Salzburg anlangte, waren Mozart und Constanze ein glückliches Paar. Bei Frau von Waldstädten feierten sie ihr Hochzeitsfest. »Als wir zusammen verbunden wurden«, erzählt er selbst, »fing sowol meine Frau als ich an zu weinen; davon wurden Alle, sogar der Priester gerührt und Alle weinten, da sie Zeuge unserer gerührten Herzen waren.« Und wenige Tage später schreibt er: »Wir sind schon eine geraume Zeit ledig allzeit mitsammen sowol in die heilige Messe, als zum Beichten und Communiciren gegangen, und ich habe gefunden, daß ich niemals so kräftig gebetet, so andächtig gebeichtet und communicirt hätte als an ihrer Seite – und so ging es ihr auch. Mit einem Wort, wir sind für einander geschaffen, und Gott, der Alles anordnet und folglich auch dieses Alles also gefügt hat, wird uns nicht verlassen.«

Sie fanden Beide in ihrer Ehe das gehoffte Glück, und Mozart's Briefe sind ein schönes Zeugniß dessen. Entzündete sich sein leicht bewegtes Herz auch einmal vorübergehend an einer oder der anderen Schönheit: er fand doch im Besitze der Gattin volle Genüge, und jeglicher Begründung entbehrt die vielverbreitete Annahme, als habe Mozart das Leben eines Wüstlings und Don Juan's geführt. Ging wiederum Constanze auch wol das Verständniß für seine ganze Größe ab, so war sie doch musikalisch genug, um seine Compositionen mit ihm durchnehmen zu können. Er pflegte dieselben erst im Kopfe völlig auszugestalten und so lange er an ihnen schuf, war er ernst in sich verloren. Das Aufschreiben aber war ihm nur noch eine mechanische Thätigkeit, so daß er während desselben sogar gelegentlich etwas Neues zu componiren vermochte. Kindlich heiteren Sinnes, gleich ihm, mußte Constanze ihm, wenn er seine Arbeiten niederschrieb, Märchen und Kindergeschichten erzählen, die ihn, je possenhafter sie waren, um so mehr ergötzten. So wußte sie, als in der Nacht vor Aufführung des Don Juan noch die Ouverture aufzuschreiben war, ihn durch Märchen von Aladin's Wunderlampe, Aschenbrödel u. dergl., über die er bis zu Thränen lachte, munter zu erhalten. Ernste Sorgen brachte ihm nur Constanze's Kränklichkeit in's Haus. Die Beschränktheit der Mittel, die oft zum Mangel wurde, ja bei dem ihm abgehenden Sparsamkeits- und Ordnungssinn in dieser Beziehung, bei der unglaublichen Unbedachtsamkeit, mit der er sich von Jedwedem ausnutzen und mißbrauchen ließ, endlich zur völligen Zerrüttung ihrer ökonomischen Verhältnisse führte, beeinträchtigte dauernd weder ihre Sorglosigkeit in Führung des Haushalts, noch die Heiterkeit ihrer Stimmung. Bekannt ist ja die Anecdote, daß der Hausmeister eines benachbarten Gasthauses, der sie häufig bediente, Mann und Frau an einem kalten Wintertage in der Stube umhertanzend fand – weil sie kein Holz hatten, um sich zu erwärmen.

Auf eine Sicherstellung seiner äußeren Lage hoffte Mozart von Jahr zu Jahr vergebens. Obgleich ihn der Kaiser schätzte und an seinem Sieg bei einem Wettkampfe mit Clementi seine helle Freude hatte, säumte er doch, ihm, auf dessen Besitz er stolz sein durfte, eine entsprechende Stellung einzuräumen. Bis zum Jahre 1786 mußte der Meister warten, bevor er von Joseph nur einen neuen Auftrag empfing. Inzwischen schuf er Vieles, darunter sehr Bedeutsames, wie das Clavierquintett mit Blasinstrumenten – nach seiner Ansicht das Beste, was er geschrieben –, die Clavierquartette in G-moll und Es-dur und die sechs Meisterquartette, die er Haydn widmete, da er »von ihm gelernt habe, wie man Quartette schreiben müsse.« Ferner die »Maurerische Trauermusik«, die Clavierphantasie in C-moll, in der er schon Beethoven'sche Schwingen entfaltet, die D-dur-Sonate für zwei Claviere und zahlreiche für den eigenen Gebrauch geschriebene Clavierconcerte. Aus den Werken letzterer Gattung ragen diejenigen in D-moll und C-moll (1785 und 1786), sowie das sogenannte Krönungs-Concert in D-dur (1790) hervor. Unter seinen Canons und Liedern, welche Letztere er bei der damaligen geringeren Bedeutung dieses Genres nur nebenher und auf zufällige Anregung schrieb, sind »An Chloe«, »Abendempfindung« und vor allen das sinnige »Veilchen« vorzugsweise zu erwähnen. Die Opere buffe »L'oca del Cairo« und »Lo sposo deluso« wurden 1783 und 1785 begonnen, blieben jedoch unvollendet. Andere Opernpläne, die Mozart beschäftigten, scheiterten. Die deutsche Oper aber, die Dank seiner Thätigkeit einen glorreichen Aufschwung zu nehmen schien, gerieth bald darauf, zufolge unaufhörlicher Intriguen in Verfall. Eine Zeit lang nährte sie sich noch von allerhand elenden Machwerken, denn des Meisters, der ihr zu hohem Ruhm verholfen, schien man sich nicht mehr zu erinnern; – dann verstummte sie völlig, und als man sie später neben der auf Andrängen der Italiener wieder eingeführten Opera buffa von Neuem auferweckte, mußte sie sich mit der Rolle eines Stiefkindes neben jener begnügen. »Jede Nation«, schreibt Mozart, »hat ihre Oper; warum sollen wir Deutsche sie nicht haben? Ist die deutsche Sprache nicht so gut singbar wie die französische und englische? nicht singbarer als die russische?« Und an anderer Stelle äußert er ironisch: »Es wäre ja ein ewiger Schandfleck für Deutschland, wenn wir Deutsche einmal mit Ernst anfingen deutsch zu denken, deutsch zu handeln, deutsch zu reden und gar deutsch zu singen!!!«

Endlich besann sich der deutsche Kaiser auf den deutschen Künstler und übertrug ihm zur Verherrlichung eines Gartenfestes in Schönbrunn im Februar 1786 die Musik zu einem deutschen Gelegenheitsstück: »Der Schauspieldirector.« Das aller Handlung und allen Interesses bare Sujet beraubte leider auch die Musik der Lebensfähigkeit auf der Bühne, und nicht glücklicher war ein späterer Versuch Louis Schneider's, sie in einem gleichbenannten Singspiel, das sich einer Herabwürdigung Mozart's und seiner persönlichen Verhältnisse schuldig macht, unserer Opernbühne wieder zu schenken.

Alles Gedeihens erfreute sich indeß die vollkommen zur Oberhand gelangte, von den besten Kräften vertretene Opera buffa. Was blieb Mozart nun Anderes übrig, als mit ihr sein Heil zu versuchen? Er schlug dem Theaterdichter Abbate da Ponte, der schon Salieri und Andere mit Textbüchern versorgt, aber dabei wenig Glück gehabt hatte, Beaumarchais' Lustspiel: Le mariage de Figaro als Grundlage für eine Oper vor, und sechs Wochen später waren »Le nozze di Figaro« fertig. Da der Kaiser jedoch das in Paris ungeheueres Aufsehen erregende Originalstück in Wien als anstößig verboten hatte, mußte er erst für die veränderte Fassung des Textes und die Musik gewonnen werden – dann erfolgte der Befehl zur Aufführung, und als trotzdem die Intriguen seiner italienischen Gegner Mozart nicht zu Worte kommen lassen wollten, griff das kaiserliche Machtwort mit aller Entschiedenheit ein.

So hörten denn die Wiener den »Figaro« am 1. Mai 1786 zum ersten Male. »Nie ward ein glänzenderer Triumph gefeiert als der Mozart's und seines Figaro« schreibt Kelly, der Darsteller des Basilio. Fast jedes Stück mußte auf Begehren des in Massen herbeigeströmten Publicums wiederholt werden, und endlose Male ward der Meister beim Schlusse hervorgerufen. Das Bild des Lebens, der leibhaften Gegenwart, das Mozart seinen Zeitgenossen im Verklärungsspiegel des Kunstwerkes entgegenhielt, konnte es wol eine andere Wirkung üben? Es ist die Wirklichkeit, nicht wie in der »Entführung« das bunte Land der Phantasie, die uns der »Figaro« vorführt. Das politische Element des Sittengemäldes frivoler aristokratischer Kreise, welches das Originalstück Beaumarchais' vergegenwärtigt, wurde naturgemäß aus der Oper verbannt; der frivole Grundzug, daran der als Kind seiner Zeit einer frischen Sinnlichkeit huldigende Künstler keinen Anstoß nahm, blieb beibehalten. Die idealisirende Macht der Musik aber, die hier den ganzen Adel Mozart'schen Gefühls und Ausdruckes entfaltet, erhebt das Ganze in eine reinere Sphäre. Sie übernimmt es auch, uns mit dem Schuldigen zu versöhnen; oder wer, der die dem tiefsten Herzen entquellende G-dur-Cantilene »O Engel, verzeih mir!« hört, muß nicht an die aufrichtige Reue des leichtfertigen Gatten glauben? Und wie bethätigt sich des Tondichters wundersame Gabe als Menschenmaler hier voll und ganz! Figaro und Susanne, Graf und Gräfin, Basilio und Cherubin, leben sie nicht heute nach hundert Jahren noch, als seien sie gestern geboren? Noch immer blieb »Figaro's Hochzeit« die Krone des feineren musikalischen Lustspiels, wie Rossini's »Barbier« die Krone aller Buffonerien blieb. Denn über die Gattung, zu der sich Erstere bekannte, hob sie der Genius des Künstlers weit hinaus und gab mit ihr vielmehr eine edlere Komik, den Ton der Conversationsoper an. Was wußte bisher die Opera buffa, deren loses Gefüge ihr Herkommen aus einem einfachen, zwischen die drei Acte der Opera seria eingeschobenen »Intermezzo« nicht verleugnete, von lebendig sich entwickelnder, spannender Handlung, von wahr durchgeführter Charakteristik, die sich – man denke an Susanne, an die elegisch gestimmte Gräfin, den genial gezeichneten Pagen – diesen Don Juan in spe! – zu psychologischer Vertiefung steigert? Was wußte sie, die komische Oper der Italiener, auch von jenen bewegten Ensembles und organisch gegliederten Finales, wie sie der deutsche Meister, der schon Recitativ und Arie erhöhte dramatische Bedeutung verliehen, als Höhepunkte der dramatischen Entwickelung einführte? Und war nicht ebenso wie seine Polyphonie auch seine Orchesterbehandlung in der Oper neu? Auch aus dem Orchester gewinnt er ein Mittel dramatischen Ausdruckes und aus seiner untergeordneten Rolle als bloße Folie des Gesanges wächst es zu einem selbständigen, gleichberechtigten Theil des Ganzen empor. Genug, nie wurde, Alles in Allem genommen, eine blühendere, vollendetere Musik geschrieben als dieser »Figaro«, und er ist mit seinem liebenswürdigen, auf ernstem Hintergrunde scherzenden Humor zugleich der treueste Ausdruck der Natur seines Schöpfers selbst.

War es begreiflich, daß trotz alledem dies unsterbliche Werk nach neun Vorstellungen den Cabalen der Italiener erlag und durch eine mittlerweile längst vergessene Oper: Martin's »Una cosa rara« verdrängt wurde? Nachhaltiger Enthusiasmus hielt dagegen die Oper auf der Prager Bühne, wo schon die »Entführung« wärmsten Beifall geerntet hatte, fest, und als Mozart mit seiner Gattin im Januar 1787 einer Einladung des Orchesters und »einer Gesellschaft großer Kenner und Liebhaber« dahin folgte, war er selber Zeuge ihrer Popularität. »Hier«, schreibt er, »wird von nichts gesprochen als Figaro, keine Oper besucht als Figaro und ewig Figaro.« So begeistert feierte man ihn bei Direction seines Werkes und in den von ihm gegebenen Concerten, daß er sich bereit erklärte, für die ihn so gut verstehenden Prager seine nächste Oper zu schreiben. Und mit einer königlichen Gabe löste er sein Versprechen ein: am 20. October 1787 empfing man in Prag seinen »Don Giovanni.«

Nicht ohne Besorgniß hatte Mozart einen bekannten Musiker gefragt, ob die neue Oper, in der er sich bestrebt habe etwas Vorzügliches zu leisten, wol den gleichen Beifall wie »Figaro« finden werde, von dem sie so ganz verschieden sei? In der That gehörte sie, ob sie sich auch wie Jener »opera buffa«, oder in der späteren Wiener Aufführung »dramma giocoso« nannte – ihr voller Titel lautet: Il dissoluto punito ò il Don Giovanni – einem wesentlich anders gearteten Genre an. Behandelt sie Mozart doch, wie Ambros sagt, vielmehr als »Mysterium, das (gleich ›Faust‹) Ausblicke in Himmel und Hölle öffnet und dazu in wenigen dramatischen Charakteren das ganze bunte Treiben der Welt malt.« Sie wurde der Anfangspunkt der sogenannten »romantischen« Oper, in der sich der Welt der Wirklichkeit ein phantastisches Element verbindet.

Die Sage von dem den Genuß- und Lebenstrieb verkörpernden spanischen Helden, die, seit der Mönch Gabriel Tellez sie zuerst dramatisirte, die Dichterlust italienischer, französischer, englischer und deutscher Poeten und Musiker reizte – es sei hier nur an Molière, Corneille, Goldoni, Gluck, Byron erinnert – inspirirte in da Ponte's Bearbeitung auch Mozart zu seinem herrlichsten Meisterwerk. Konnte sich, trotz Allem, was sich gegen das Libretto einwenden läßt, dem Tonkünstler wol eine reichere Fülle von Motiven und Situationen darbieten? Und er schuf in Wahrheit nichts Erhabeneres als die Erscheinung des steinernen Gastes, nichts Tragischeres, Leidenschaftlicheres als Donna Anna's Scene an der Leiche des Vaters und ihr Rachegebot, nichts sprudelnd Uebermüthigeres als das Champagnerlied, nichts naiv Anmuthigeres als Zerlinens Gesänge. Stellt auch das Ganze, statt eines unsern modernen Bedürfnissen entsprechenden dramaischen Organismus, mehr eine Folge von einzelnen abgechlossenen Situationen und Nummern dar, »ist es möglch, Vollendeteres zu finden, als jedes Stück dieses Don Juan?« sagt Richard Wagner, Mozart's Nachfolger im Ausbau des musikalischen Dramas. »So hatte Mozart das unerschöpfliche Vermögen der Musik dargethan, jeder Anforderung des Dichters an ihre Ausdrucksfähigkeit in undenklichster Fülle zu entsprechen, und bei seinem ganz unreflectirten Verfahren hatte der herrliche Musiker auch in der Wahrheit des dramatischen Ausdruckes, in der unendlichen Mannigfaltigkeit seiner Motivirung dieses Vermögen der Musik in bei Weitem reicherem Maße aufgedeckt als Gluck und alle seine Nachfolger.«

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