Jahreszeiten

Winterlieder

Winterzauber

Von Christa Schyboll

Kaum ist der nasskalte Herbst vorüber, sehnen wir uns nach weißer Winterpracht. Rein weiß sollen uns die Natur und die Landschaft erscheinen, wie in unschuldig zarte Seide gehüllt.

Doch diese Vorstellung vom Winter trägt mehr Romantik statt Realität in sich. Denn nicht erst seit Beginn des Klimawandels ist und bleibt ein weißer, frostiger Winter in vielen Regionen der nördlichen Halbkugel ein Wunschtraum.

Trotzdem ist es schön, ihn zu träumen. Oder ihn zu besingen und vielleicht auch mit altem Liedgut ihn hinter dem Ofen nach draußen zu locken. Ach bittrer Winter, bist du so kalt, ist noch nicht angesagt. Denn erst hat sich frisch der Wald entlaubet und die Weihnachtszeit wartet mit Es ist ein Ros‘ entsprungen" auf.

Vor allem die Kinder erwarten den Winter besonders gern. Verspricht er ihnen doch neue Freude an Rodelpartien und Schneemännebau, Eisknacken in kleinen Pfützen, Eisblumen an Fenstern und Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen See.

Mit Kling Glöckchen, klingelingeling locken sie ihn singend herbei und erbitten dennoch auch Einlass ins Warme, wenn die Hände blau und die Nasen rot gefroren sind. Und wer möchte dann nicht mit dem Mädchen mit dem roten Mündchen in der gut beheizten Stube oder im vertrauten Kämmerlein am langen Winterabend schwatzen.

Doch Träume hin, Romantik her, der Winter kann uns auch mit seiner unwirtlichen Seite zusetzen. Seien es über die Ufer tretende Flüsse, die vielen Regionen ein böses Winterhochwasser bescheren. Seien es Lawinen an den Steilhängen der Alpen, die Leib und Leben bedrohen oder auch ein allzu langes Erstarren der Natur oder die plötzlich einsetzenden Spätfröste nach dem ersten Aufblühen der Knospen, die jede Ernte im Frühstadium zunichte machen können.

Auch zeigt sich der Winter für so manchen empfindsamen Menschen als seelische Belastung. Das mangelnde Sonnenlicht setzt die Ausschüttung der Glückshormone unter Stress und so manchen erwischt der Winterblues im wahrsten Sinne des Wortes eiskalt. Weder öffnet sich die Wolkendecke für einen winzigen Sonnenstrahl, noch lockt wenigstens silbrig glänzender Frost aus dem warmen Heim in die frische kalte Luft heraus.

Nichts als Nebel, Regen und düstere Tristesse, wohin man auch schaut. Wohl dem, der nun gute Freunde oder eine sozial stabile Umgebung hat, die allem schlechten Wetter zum Trotz die Heiterkeit nicht verliert. ›Ein sehr harter Winter ist, wenn ein Wolf den anderen frisst‹, mag man hier metaphorisch auch auf einer ganz anderen Ebene des Seins erspüren. Wer mag darin schon gerne verharren!

Ob mild, ob hart, nasskalt oder sonnig, irgendwann können wir singen Der Winter ist vergangen oder auch Nicht lange mehr ist Winter. Nun brechen neue Zeiten heran. Der Lenz will grüßen und wir lachen der Sonne auch selbst gern entgegen. Die Winterbekleidung wird nach und nach wieder verstaut und die Austreibung des Winters beginnt mit gleich vielen Fastnachtsbräuchen.

Dazu gehören nicht nur die wilden Umzüge in den bunten Masken, sondern auch das nordisch-germanische Julfest, die Maskenbälle, die Winterverbrennung oder der Perchtenlauf. Jede Region wartet mit Besonderheiten auf, um dem Winter zu bedeuten: Deine Zeit ist für dieses Jahr vorbei!

Mit Krawall, Gejohle, Tanz und guter Laune lassen die Menschen zünftige Feste durchs Land ziehen und jeder schlechten Laune wird eine Absage erteilt.

Vor allem die schwäbisch-alemannische Fasenacht treibt mit Angst erregenden Holzmasken den Winter durch die Gassen zum Dorf oder dem Städtchen hinaus. In den rheinischen Hochburgen zwischen Mainz und Köln wiederum werden zum bald nahenden Winterende und dem Beginn der Fastenzeit vor Ostern vor allem auch gesellschaftliche und politische Ereignisse mit Wonne humorvoll oder auch bissig mit Prunkwagen ausgeschlachtet. Es naht sich schon die Fasenacht.

So endet der gefühlte Winter kalendarisch meist noch vor dem astronomischen Winter und lässt die Menschen die Sehnsucht nach dem nahenden Frühling spüren: Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün.

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