Das in ganz Deutschland bekannte Kinderlied Laterne, Laterne mit der zweiten Zeile » Sonne, Mond und Sterne « ist die Hymne der traditionellen Martinsumzüge, die um den 11. November herum stattfinden. In manchen Gegenden werden diese Martins- bzw. Laternenumzüge von Kindergärten und Grundschulen organisiert, denn das wandern mit der leuchtenden Laterne in der Dämmerung begeistert vor allem Kinder. Aber auch Erwachsene haben ihren Spaß daran, ihre Kinder bei den abendlichen Umzügen singend zu begleiten. Allerdings tauschen Erwachsene nicht selten die Laterne gegen einen Becher Glühwein ein.
Die heute als Martinsumzüge bekannten Feierlichkeiten gehen zurück auf die Tradition alter, spätherbstlicher Feuer- und Lichtbräuche, die auch als Teil des Erntedanks gepflegt wurden. Dabei zogen früher Erwachsene mit Lichtern durch die Straßen, in späteren Zeiten waren es dann ledige junge Männer, die regionalen Gebräuchen folgend, mit brennenden Fackeln und so genannten Rüblichtern und Glühköpfen durch die Straßen zogen. Es wurden aber auch Feuer auf Feldern und Erhebungen angezündet, weil damals der Glaube verbreitet war, dass die Wiesen und Äcker fruchtbar würden, soweit die Feuer zu sehen waren.
Schon aus dem 16. Jahrhundert ist überliefert, dass auch Kinder an solchen Umzügen teilnahmen und singend durch die Straßen zogen, aber natürlich nicht nur für Tradition und Brauchtum. Vielmehr gehörte es zum guten Ton der damaligen Zeit, dass die Kinder für ihre Gesänge eine kleine Belohnung bekamen. Damals waren es vorwiegend Kleinigkeiten wie Obst, Backwerk oder auch Nüsse, die Kindern überreicht wurden. Blieben die Belohnungen allerdings aus oder waren sie nicht genug, dann revanchierten sich die um ihren vermeintlichen Lohn betrogenen kleinen Sänger und Sängerinnen mit Spottversen über die geizigen Dorfbewohner.
Im Laufe der Zeit wandelten sich die heidnischen Bräuche zu einem Gedenkfest für den Heiligen Martin und finden nun am 11. November, dem Gedenktag des heiligen Martin, statt.
Laternen für den Heiligen Martin
Berühmt wurde der Heiligen Martin, der als Martin von Tours um 316/317 geboren wurde, durch die Legende, dass er einst bei eisiger Kälte einem Bettler die Hälfte seines Mantels schenkte. Davon singt das Lied Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind und auch das Loblied Martinslied setzte ihm ein Denkmal.
Mit dem 11. November hat der heilige Martin seinen eigenen Gedenktag erhalten. Und aus den heidnischen Lichterumzügen wurde der Martinsritt in Anlehnung an den hoch zu Ross reitenden Martin von Tours. Übrig blieb von diesem ritterlichen Tross ein fröhlicher Laternenumzug, bei dem Kinder stolz ihre kleinen Lichtlein in oft selbst gebastelten Laternen singend durch die Straßen tragen. Ich geh' mit meiner Laterne ist eines dieser fröhlichen Kinderlieder, die dazu gesungen werden.
Sankt Martin war bekannt für seine Kinderliebe und Kinderfreundlichkeit. Als vermögender Mann verteilte er gerne Geschenke an Kinder. Dieses Beschenken übernehmen heutzutage zwar der Niklaus und der Weihnachtsmann bzw. das Christkind. Aber auch dem Heiligen Martin gedenken und danken die Kinder noch heute mit ihren Laternenumzügen und Gesängen, auch wenn dies nicht immer allen bewusst ist.
Für Kinder ist es in erster Linie ein Spaß, mit ihren Laternen durch die Straßen zu ziehen und fröhliche Lieder zu singen. Das Interesse an Erntedank und christlicher Symbolik hält sich hingegen in Grenzen. Aber gegen Süßigkeiten haben auch moderne Kinder nichts einzuwenden. Und ein Laternenumzug ist, so altmodisch es auch sein mag, immer eine willkommene Abwechslung und zumindest für kleine Kinder ein echtes Erlebnis. Denn mit der Laterne in der Abenddämmerung durch die Straßen zu ziehen kann man nicht jeden Tag machen.
Und dennoch, etwas Grundlegendes hat sich geändert: Heute gibt es den elektrischen Laternenstab, den der Wind nicht ausblasen und der nicht in Flammen aufgehen kann. Denn beides war früher ein Horrorszenario. Die Kerze in den papiernen Laternen konnte schon ein Windstoß zum Erlöschen bringen. Und dann war es ein großes Drama, wenn sich die Kerze nicht wieder anzünden ließ. Aber es konnte auch noch schlimmer kommen und die papierne Laterne komplett in Flammen aufgehen. Beide Dramen besingt Laterne, Laterne
Denn der Wunsch »Brenne auf, mein Licht« heißt nichts anderes als »brenne hell«. Das Licht der Laterne soll hell leuchten. Aber die ganze Laterne natürlich nicht. Deshalb die Bitte »Sperrt ihn ein, den Wind«, damit er weder die Kerze auspustet, noch die Lerne Feuer fängt. Der Wind »soll warten, bis wir alle zu Hause sind«. Denn jetzt ziehen wir singend durch die Straßen. Deshalb »Bleibe hell, mein Licht, denn sonst strahlt meine liebe Laterne nicht!«
Tom Borg, 19. August 2023