Joseph, lieber Joseph mein

Joseph, lieber Joseph mein ist ein altes deutsches weihnachtliches Wiegenlied aus dem 14. Jahrhundert. Die Melodie entpricht der des Liedes Resonet in laudibus

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Musiknoten zum Lied - Joseph, lieber Joseph mein

Joseph, lieber Joseph mein,
hilf mir wiegen das Kindelein!
Gott, der wird dein Lohner sein
im Himmelreich,
der Jungfrau Sohn Maria.

Gerne, liebe Muhme mein,
helf’ ich wiegen dein Kindelein,
Gott, der wird mein Lohner sein
im Himmelreich,
der Jungfrau Sohn Maria.

Freu’ dich nun, o Christenschar!
Der himmlische König klar
nahm die Menschheit offenbar,
den uns gebar
die reine Magd Maria.

Alle Menschen sollen zwar
mit ganzen Freuden kommen dar,
damit jeder nun erfahr’,
den uns gebar
die reine Magd Maria.

Uns erschien’ Emanuel,
wie uns verkündet Gabriel
und bezeugt Ezechiel:
Du Mensch ohn' Fehl',
dich hat gebor’n Maria!

Ew’gen Vaters ew’ges Wort,
wahrer Gott, der Tugend Hort,
irdisch hier, im Himmel dort
der Seelen Pfort’,
die uns gebar Maria.

Süßer Jesu auserkor’n,
weißt wohl, daß wir war’n verlor’n:
Stille deines Vaters Zorn!
Dich hat gebor’n
die reine Magd Maria.

Himmlisch' Kind, o großer Gott,
leidest in der Krippn Not.
Machst die Sünder frei vom Tod,
du englisch' Brot,
das uns gebar Maria.

Die Melodie des Weihnachtslieds Joseph, lieber Joseph mein ist seit dem 14. Jahrhundert bekannt und in der sogenannten Leipziger Handschrift unter Nr. 1305 überliefert. Sie basiert auf dem lateinischen Weihnachtshymnus Resonet in laudibus, das Erk-Böhme als Weihnachtslied des 14. Jahrhunderts bezeichnen (vgl. Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. Band III. Leipzig 1894, S. 642-644, Nr. 1935). Unter Nr. 1936 (ebda.) findet sich Joseph, lieber Joseph mein unter dem Titel »Weihnachtslied beim Kindelwiegen. 14. Jahrhundert«.

Bereits Anfang des 15. Jahrhunderts erlangte das Weihnachtslied größere Bekanntheit, nachdem der Mönch von Salzburg um 1400 das Lied aufzeichnete und mit der Erklärung versah:

Zu den weihnachten der frölich hymnus: A solis ortus cardine, und so man das Kind wiegt über das Resonet in laudibus, hebt unser Frau an zu singen in einer Person: Joseph, liever neve min. So antwort in der andern Person Joseph: Gerne, lieber mueme min. Darnach singet der kor die andern Vers in einer diener weis, darnach den kor.

1544 übernahm Johann Walter (1496–1570) das Lied mit einem deutschen Text in sein »Eyn geystlich Gesangk Buchleyn«, das nach seinem Verfasser auch gerne als »Walthersches Gesangbüchlein« oder »Walthersches Gesangbuch« bezeichnet wird.

Hoffmann von Fallerleben nahm das Lied in seine »Geschichte des Kirchenlieds« auf, machte jedoch zwei Lieder daraus: die Strophen 1 und 2 wurden zu einem Wiegelied, während die Strophen 3 bis 8 als Weihnachtslied präsentiert wurden (vgl. Nr. 247 und 65).

Kindelwiegen im Weihnachtsspiel

Das Lied ist seit dem 12. Jahrhundert Teil des Kindelwiegens im kirchlichen Weihnachtsspiel. Aus den Anmerkungen der Leipziger Handschrift geht hervor, dass das lateinische Resonet in laudibus abwechselnd mit einem Chor gesungen wurde. Der Text selbst ist eher ein Zwiegespräch zwischen Maria und Joseph. Hoffmann (s. o.) merkt an:

Zu den weihnachten der frölich hymnus: A solis ortus cardine, und so man das Kind wiegt über das Resonet in laudibus, hebt unser Frau an zu singen in einer Person: Joseph, lieber neve min. So antwortet in der anderen Person Joseph: Gerne, lieber mueme min. Danach singet der kor die andern Vers in einer Diener weis, darnach den kor.

War der Wechselgesang um den wiegenden Joseph ursprünglich ein Teil der katholischen Liturgie, so wurde es mit wachsender Bekanntheit immer häufiger abgewandelt und in zahlreichen Krippenspielen und Umzugsliedern außerhalb der Kirche erhalten. Bis heute ist der Text vom wiegenden Joseph eines der populärsten weihnachtlichen Wiegenlieder im deutschsprachigen Raum.

Die heute gebräuchliche Fassung weist 4 Strophen auf. Gesungen werden meist nur die Strophen 1 bis 3 und 7.

Die älteste bekannte Textfassung gemäß der Leipziger Handschrift aus dem 15. Jahrhundert lautet:

»Joseph, liber nefe min,
hilf mir wiegen min kindelin,
das got musse din loner sin
in himilrich,
der meide kint Maria.«

»Gerne, libe mume min,
ich helfe dir wigen din kindelin,
das got musse min loner sin
in himilrich,
der meide kint Maria.«

Nu frów dich, kristenliche schar,
der himelische konig klar
nam die menschheit offenbar,
den uns gebar
die reine meit Maria.

Is súllen alle menschen zwar
mit gánzen frouden komen dar,
do man fint der selen nar,
di uns gebar
die reine meit Maria.

Uns ist geborn Emanuel,
als uns vorkundigit Gabriel,
des ist geziug Ezechiel,
o fronis el,
dich hot geborn Maria.

O éwigis vátirs éwigis wórt,
wor gót, wor mensche, der togunden ort
in hímil, in érde, hi und dort,
der salden pfort,
di uns gebar Maria.

O sússer Jesu userkorn,
du wéist wol, das wir wor verlorn,
stille uns dines vatirs zorn,
dich hot geborn
die reine meit Maria.

O kléinis kint, o grosser got,
du lidist in der krippen not,
der súnder hi vorhanden hot
der engil brot,
das uns gebar Maria.

Auch hier deutet sich bereits an, was später Hoffmann von Fallersleben dazu bewegte, den Hymnus in zwei Lieder zu zerlegen: Die ersten beiden Strophen bilden ein Gespräch zwischen Maria und Joseph, bei dem es um das Wiegen des Jesuskinds geht. Der Dialog erfolgt dabei jeweils in den ersten beiden Versen, während die nachfolgenden zwei Verse das Gottvertrauen Marias und Josephs belegen: Gott, wird der Lohner sein. Die nachfolgenden Strophen sind hingegen allgemeiner gehalten, sie preisen Gott und den religiösen Glauben.

Joseph, lieber Joseph mein erfreut sich bis heute großer Beliebtheit und ist in den meisten Weihnachtsliedersammlungen enthalten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Joseph, lieber Joseph mein von zahlreichen Künstlern und Chören interpretiert - darunter auch der Leipziger Thomanerchor.

Tom Borg, 8. Dezember 2016

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