Preisend mit viel schönen Reden

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Musiknoten zum Lied - Preisend mit viel schönen Reden

Preisend mit viel schönen Reden
ihrer Länder Wert und Zahl,
saßen viele deutsche Fürsten
einst zu Worms im Kaisersaal.

»Herrlich«, sprach der Fürst von Sachsen
»ist mein Land und seine Macht
Silber hegen seine Berge
wohl in manchem tiefen Schacht.«

»Seht mein Land in üpp'ger Fülle«
sprach der Kurfürst von dem Rhein
»goldne Saaten in den Tälern
auf den Bergen edlen Wein.«

»Große Städte, reiche Klöster,«
Ludwig, Herr zu Bayern, sprach
»schaffen, dass mein Land den euern
wohl nicht steht an Schätzen nach.«

Eberhard, der mit dem Barte
Württembergs geliebter Herr
sprach: »Mein Land hat keine Städte
trägt nicht Berge silberschwer.

Doch ein Kleinod hält´s verborgen –
dass in Wäldern noch so groß
ich mein Haupt kann kühnlich legen
jedem Untertan in Schoß.«

Und es rief der Herr von Sachsen
der von Bayern, der vom Rhein
»Graf im Bart, ihr seid der reichste
euer Land trägt Edelstein!«

Preisend mit viel schönen Reden, so lautet erste Zeile des Gedichts »Der reichste Fürst«, dessen Vertonung als inoffizielle Landeshymne Württembergs gilt. Geschrieben wurde das Gedicht von Justinus (Andreas Christian) Kerner (1786-1862), ein deutscher Arzt und medizinischer Schriftsteller, der sich auch als Dichter einen Namen machte. Kerner begann schon früh, neben seiner kaufmännischen Ausbildung in einer Tuchfabrik, Gedichte zu schreiben. Ab 1804 studierte er 4 Jahre lang Medizin und arbeite anschließend auch als Arzt. Dennoch verdanken wir ihm viele Gedichte. Darunter auch »Der reichste Fürst«, das als Textgrundlage für dieses Lied diente.

Gesungen wird Preisend mit viel schönen Reden auf eine Melodie aus dem 18. Jahrhundert, auf die auch Christian August Vulpius' (1762—1827) Räuberlied In des Waldes finstern Gründen gesungen wird. Ebenso das Trinklied Der Getränke Wert und Zahl.

Im Gedicht »Der reichste Fürst« streiten sich Fürsten »Preisend mit viel schönen Reden« darum, wer von ihnen der reichste ist. Und so prahlen sie mit den Werten ihrer Fürstentümer um die Wette. Der Fürst von Sachsen ist stolz auf seine Bergwerke in denen Silber und andere Erze geschürft werden. Der Kurfürst vom Rhein hält dagegen mit seinen Berghängen auf denen edler Wein geerntet wird. Ludwig, der Herr zu Bayern, ist wiederum stolz auf seine großen Städte und reiche Klöster.

Nur Eberhard, der Fürst von Württemberg, gibt sich ganz bescheiden. Er räumt ein: »Mein Land hat keine Städte, trägt nicht Berge silberschwer«. Doch »ein Kleinod« kann er anführen: Er kann jedem Untertanen sein Haupt ohne Furcht in den Schoß legen, denn sein Volk liebt ihn. Damit ist er der reichste in der Runde, was auch der Fürst von Sachsen sofort anerkennt: »Graf im Bart, ihr seid der reichste«. Denn was nutzen Gold und Edelsteine, wenn man seines Lebens nicht sicher sein kann! Hat man keine Freunde, so kann man seinen Reichtum nur alleine im stillen Kämmerlein genießen, während drumherum alles tobt, lacht und lebt. Liebe und Beliebtheit kann man sich nicht kaufen oder erobern, man muss sie sich verdienen, indem man selbst Liebe gibt, sich um andere kümmert und an deren Wohlergehen interessiert ist. Es ist die Art von Reichtum, die man erhält, indem man selbst anderen gibt.

Preisend mit viel schönen Reden ist eine Reflexion über den moralischen Gehalt politischer Macht. Es erinnert uns daran, dass die Herrschenden nicht nur an protzigen Prestigeprojekten gemessen werden, sondern auch an ihrem Eintreten für das Wohl ihres Volkes und den Werten der Gerechtigkeit und Menschlichkeit. In einer Zeit, in der politische Führung oft von Selbstinteresse und Machterhalt geprägt ist, bleibt Justinus Kerners Botschaft relevant und zeitlos.

Claudia Nicolai, 12. April 2024

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