Nun ruhen alle Wälder

Das Abendlied Nun ruhen alle Wälder dichtete Paul Gerhard 1647. Die Melodie schuf Heinrich Isaak in der Zeit vor 1505.

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Musiknoten zum Lied - Nun ruhen alle Wälder

Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Stadt und Felder:
Es schläft die ganze Welt.
Ihr aber, meine Sinnen,
Auf, auf, ihr sollt beginnen
Was eurem Schöpfer wohlgefällt.

Wo bist du, Sonne, blieben?
Die Nacht hat dich vertrieben,
Die Nacht, des Tages Feind;
Fahr hin! ein andre Sonne,
Mein Jesus, meine Wonne,
Gar hell in meinem Herzen scheint.

Der Tag ist nun vergangen,
Die güldnen Sternlein prangen
Am blauen Himmelssaal;
Also werd ich auch stehen,
Wann mich wird heißen gehen
Mein Gott aus diesem Jammertal.

Der Leib, der eilt zur Ruhe,
Legt ab das Kleid und Schuhe,
Das Bild der Sterblichkeit;
Die zieh ich aus, dargegen
Wird Christus mir anlegen
Den Rock der Ehr und Herrlichkeit.

Das Haupt, die Füß' und Hände
Sind froh, daß nun zum Ende
Die Arbeit kommen sei;
Herz, freu dich, du sollt werden
Vom Elend dieser Erden
Und von der Sünden Arbeit frei.

Nun geht, ihr matten Glieder,
Geht hin und legt euch nieder,
Der Betten ihr begehrt;
Es kommen Stund und Zeiten,
Da man euch wird bereiten
Zur Ruh ein Bettlein in der Erd.

Mein Augen stehn verdrossen,
Im Nu sind sie geschlossen,
Wo bleibt denn Leib und Seel?
Nimm sie zu deinen Gnaden,
Sei gut für allen Schaden,
Du Aug und Wächter Israel.

Breit aus die Flügel beide,
O Jesu, meine Freude,
Und nimm dein Küchlein ein!
Will Satan mich verschlingen,
So lass die Englein singen:
Dies Kind soll unverletzet sein!

Auch euch, ihr meine Lieben,
Soll heute nicht betrüben
Ein Unfall noch Gefahr.
Gott laß euch selig schlafen,
Stell euch die güldnen Waffen
Ums Bett und seiner Engel Schar.

Das Abendlied Nun ruhen alle Wälder ist ein bis heute beliebtes und viel gesungenes Lied. Verfasst hat es der evangelische Theologe Paul Gerhardt im 17. Jahrhundert. Erstmals veröffentlicht wurde das Lied 1647 im Gesangbuch Praxis Pietatis Melica von Johann Crüger (1598-1662). Damals mit dem Hinweis, dass es auf die Melodie des Lieds O Welt, ich muss dich lassen gesungen werden sollte. Dies wiederum war eine geistliche Adaption des Volkslieds Innsbruck, ich muss dich lassen, das Heinrich Isaac (um 1450-1517) um 1495 geschaffen hatte.

Später diente das Lied Matthias Claudius als Inspiration für sein Abendlied Der Mond ist aufgegangen.

Um die Intention dieses Abendlieds zu verstehen, muss man sich die Welt, wie sie damals war, vor Augen halten. Das Leben war härter als heute. Man musste sich sein tägliches Auskommen im Schweiße seines Angesichts erarbeiten – wie es sprichwörtlich heißt. Jedes einzelne Korn musste der Natur abgetrotzt werden. Mit den damaligen bescheidenen Werkzeugen eine schweißtreibende, harte Arbeit. Aber nach getaner Arbeit wussten die Menschen durchaus das Leben zu genießen mit Wein, Weib und Gesang, sofern alles ausreichend vorhanden war.

Dennoch war mit dem Einbruch der Dunkelheit des Tages Arbeit getan und es kehrte sinnbildlich Ruhe ein. Der Mensch legte sich schlafen und auch die Natur schien zu ruhen – es wurde still und dunkel. Und auch die Wälder erscheinen auf den ersten Blick schlafend, wenngleich wir wissen, dass es nicht so ist. Aber auch Matthias Claudius dichtete in der ersten Strophes seines Gedichts Der Mond ist aufgegangen: »Der Wald steht schwarz und schweiget«. Auch hier das gleiche Motiv: Der Wald kommt einem Betrachter bei Nacht still und friedlich vor, als würde er schlafen.

Doch Paul Gerhard war ein zutiefst religiöser Mensch, der mit dem Text Nun ruhen alle Wälder gleich auch den Gedanken verbindet, Gott für den erfolgreich ge- und überlebten Tag zu danken. Der Abend als Symbol für das zur Ruhe kommen, das ein jeder braucht und nach getaner Arbeit auch verdient hat. Nun ruhen alle Wälder als Aufforderung an den Menschen, des abends auch zur Ruhe und Besinnung zu kommen, um mit wiedererlangte. Kraft am nächsten Morgen, so wie Wald und Natur, wieder zu erwachen für einen neuen Tag.

Tom Borg, 23. April 2023

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