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Herbstlieder

Sankt Martin

Von Christa Schyboll

Am 11. November eines jeden Jahres begehen die Christen das Fest des heiligen Martin – meist Sankt Martin genannt. Er erinnert an den Bischof Martin von Tours, an dessen Grablegung im Jahre 397 n. Chr. erinnert wird. Vor allem für die Kinder ist dies ein ganz besonderes Fest, das sie oft lebenslang in stimmungsvoller Erinnerung behalten. Denn um dieses Fest ranken sich nicht nur viele Bräuche, köstliche Schmausereien, schöne Lieder, sondern vor allem der Umzug in der Dunkelheit, die mit wunderbaren Fackeln und Feuern zu einem Lichtspektakel wird.

»Laterne, Laterne, Sonne Mond und Sterne« schallt es durch die Nacht. Die singenden Kinder und Erwachsenen werden dabei von einer Blaskapelle begleitet. Der absolute Höhepunkt ist dann das riesige Martinsfeuer, das am Ende entfacht wird.

Doch was hatte es denn mit St. Martin auf sich? Wer war er und warum gedenken wir seiner noch heute?

Martinwuchs als Sohn eines römischen Militärtribun im heutigen Ungarn auf. Die Jugend der Heimat seines Vaters in Oberitalien, wo er das Christentum kennenlernte. Im Alter von 15 Jahren wurde er zur Leibwache des Kaisers Konstantin II. nach Mailand eingezogen. Schon während der Militärzeit vertiefte sich sein christlicher Glaube so sehr, dass er sich vor einer Schlacht gegen heranrückende Germanen verweigerte. Er bat um Entlassung aus der Armee. Dies wurde ihm lange verweigert. Weitere 25 Jahre musste er dienen und wurde erst mit 40 Jahren aus dem Heerdienst entlassen.

Während seines Militärdienstes war er einmal auch als Soldat der Kaiserlichen Garten in Amiens stationiert. Die Gardisten trugen über dem Panzer einen Überwurf aus zwei Teilen, der im oberen Bereich mit Schaffell gefüttert war. Eines Tages begegnete Martin im Winter einem armen, unbekleideten Mann. Sein Mitleid mit dem Frierenden war so groß, dass er in einer barmherzigen Tat seinen Mantel mit seinem Schwert teilte und die eine Hälfte dem Bettler gab. Damit erwies er sich als Jünger Jesus, dessen Worte im Matthäus Evangelium überliefert sind: »Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.« Bald entstanden mehr und mehr Berichte über die Wunder Martins, die sich in den Landen verbreiteten.

Von der Bescheidenheit eines Bischofs

Später gründete Martin mehrere Klöster und fand viele Anhänger, die ihm und seiner christlichen Gesinnung folgten. Als Nothelfer und Wundertäter wurde Martin schnell in der gesamten Touraine bekannt. Am 4. Juli 372 wurde er zum Bischof von Tours geweiht. Seine Bescheidenheit war so groß, dass er auch als Bischof lieber in den Holzhütten vor der Stadtmauer lebte, statt in der doch komfortableren Stadt. Sein stetiges Bemühen galt der Christianisierung der Landbevölkerung, die zu dieser Zeit noch immer an den germanischen Riten und dem Götterglauben festhielt.

Am 8. November 397 starb Martin im Alter von 81 Jahren auf einer Visite in Candes, einer Stadt seines Bistums. Er wurde am 11. November in Tours unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.

St. Martin ist nicht nur der Schutzpatron Frankreichs und der Slowakei, sondern auch der Schutzheilige für die Reisenden, die Armen, die Bettler und der Reiter. Auch für die Gefangenen, Geflüchteten und der Soldaten. Diese Verehrung kam ihm aufgrund seines vorbildlichen Lebens als Soldat und Mensch, Bischof und Barmherziger und Streiter für die Gerechtigkeit und den christlichen Glauben zu.

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich ein vielseitiges Brauchtum in Erinnerung an sein Leben und Wirken. Da sein Leichnam in einer Lichterprozession mit einem Boot nach Tours überführt wurde, feiern die Kinder vor allem heute das Laternenfest mit vielen Martinsliedern. Ein besonders beliebtes Lied der Kinder ist das Lied »Ich geh mit meiner Laternere, rabimmel, rabammel, rabumm« auf dem Weg zum großen Martinsfeuer. Die Umzüge beginnen mit Einbruch der Dunkelheit, wo die meist selbst gebastelten Fackeln der Kinder in den schönsten Farben und Formen die Nacht erleuchten. Begleitet wird der Fackelzug meist von St. Martin auf dem Pferd, der auch seinen großen weiten Mantel über seiner Rüstung trägt und einen polierten Helm. Immer wieder neu ist es auch für die Kinder von heute eine imposante Erscheinung, wenn der barmherzige berittene Ritter sich zu diesem Anlass zeigt und sie auf dem Weg durch die Nacht zum Martinsfeuer begleitet.

St. Martin und die Gänse

Das Martinsfeuer wird meist auf einem großen freien Platz entzündet. Tage und Wochen vorher wurde schon das Holz gesammelt, um ein besonders großes und prächtiges Feuer zu entfachen. Hier kann man sich wärmen, denn schon zu mancher Zeit gibt es im November auch früh den ersten Schnee oder Frost. Vor allem im Gebiet der Alpen. Die Kinder singen dann am großen Feuer davon, wie St. Martin einst selbst zur kalten Jahreszeit seinen Mantel mit dem Bettler teilte »St. Martin ritt durch Schnee und Wind«.

Ein anderes Martinslied erinnert auch an die kulinarischen Genüsse, die mit diesem Feiertag die Feiernden erfreuen. Dazu gehört auch der Wein der, wie in »Sanct Marten wollen loben wir« besungen, um diese Zeit als erster gekelterter Most genossen wird. Wer Wein trinkt, braucht auch eine gute Grundlage des Essens. Die Martinsgans gilt als die Hauptfestspeise und wird oft mit Rotkohl und Serviettenknödel gereicht. Über den Ursprung dieses Festessens rankt sich so manche Legende. Eine von ihnen besagt, dass der Heilige Martin so bescheiden war, dass er sich im Gänsestall verkroch, als man ihm zum Bischof weihen wollte. Er hielt sich für unwürdig, lebte asketisch und versteckte sich dann bei den Gänsen. Die Gänse, wer kann es ihnen verdenken, sollen jedoch so aufgeregt geschnattert haben, dass sie verrieten, wo Martin sich versteckte. So konnte man ihn auffinden und zum Bischof weihen. Eine weitere Geschichte lautet, dass eine schnatternde Gänseschar in den Kirchraum gewatschelt sei und dabei Bischof Martin bei seiner Predigt unterbrochen habe. Daraufhin sei diese gefangen und verzehrt worden.

Auch für die Kinder gibt es besondere Leckereien zum Martinstag. Die bekannteste ist wohl der Martinsweck. Ein aus Hefeteig gebackenes Männchen, das in vielen Gegenden eine Tonpfeife trägt. Die Tonpfeife, der man zumeist auch ein paar Töne entlocken kann, steht symbolisch für den Bischofsstab.

In manchen Regionen stellen die Kinder am Vorabend auch ihre Stiefel vor die Türe, die am nächsten Morgen mit Süßigkeiten gefüllt sind. Ähnlich wie der Brauch zu Nikolaus.

Evangelische Christen gedenken am Tag des Heiligen St. Martin auch dem Namensvetter Martin Luther, der am 11. November getauft wurde und der Initiator der Reformation war, aus der die evangelische Christenheit hervorging.

Bis heute erfreuen sich von den vielen Brauchtümern um St. Martin vor allem die Martinsumzüge mit seinen bunten Laternen und besonderen Liedern, das Entzünden des großen Martinsfeuers wie auch das Martinsessen immer noch großer Beliebtheit und reger Teilnahme der Kinder mit ihren Eltern.

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