Gabriel:
»Gegrüßet seist du, Maria, jungfräuliche Zier!
Du bist voll der Gnaden, der Herr ist mit dir!
Ein' ganz neue Botschaft, ein unerhörte Stimm',
von himmlicher Hofstatt, dir Gabriel bringt.«
Maria:
»Was sind das für Reden, was soll dieses sein?
Wer ist, der mich grüßet bei Mondeslicht-Schein?
Wer ist, der mich rufet bei nächtlicher Ruh'?
Die Tür ist verschlossen, die Fenster sind zu.«
Gabriel:
»Erschrick nicht, Maria, es geschieht dir kein Leid!
Es ist ja ein Engel, der dir ankünd't große Freud':
Du sollst halt empfangen und gebären einen Sohn,
nach welchem verlangen viel tausend Person'.«
Maria:
»Wie soll das geschehen? Ich kenn' ja keinen Mann;
will lieber vergehen, als empfangen einen Sohn!
Ich hab' ja gelobet meine Jungfernschaft Gott;
so rein ich geboren, bleib' ich bis in' Tod.«
Gabriel:
»Wie an schönen Blumen die Farben nicht vergeh'n,
wenn Zephir sie anhaucht, so wird auch besteh'n
deine Keuschheit und deine jungfräuliche Zierd',
wenn Gottes Geist selbsten überschatten dich wird.«
Maria:
»Wenn das so ist, so geb' ich mich willig darein,
denn Gott zu gefallen gefällt mir allein.
Jetzt bin ich zufrieden, und schweige ganz still:
ich bin Gottes Dienstmagd, es geschehe sein Will'!«