Es steht ein Lind in jenem Tal

Ballade nach einer vielfach aufgegriffenen Vorlage aus dem 15. Jahrhundert. Vgl. auch Es steht eine Lind in jenem Tal und Es steht eine Lind in jendem Tal

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Musiknoten zum Lied - Es steht ein Lind in jenem Tal

Es steht ein Lind in jenem Tal
ist oben breit und unten schmal.
Darauf da sitzt Frau Nachtigall
und andere Vöglein in dem Wald

Sing an, sing an, Frau Nachtigall,
du kleines Vöglein vor dem Wald.
Sing an, sing an, du schönes Lieb!
Wir beide müssen uns scheiden hie.

Er nahm ein Röslein bei dem Zaum,
er führts mal unter den Lindenbaum,
sie half ihm in den Sattel so tief:
Wann kommst herwieder,
du schönes mein Lieb?

Wann es geht gegen den Sommer
will ich da herwieder kommen;
wenn alle Blümlein tragen Laub
so schau auf mich, du schöne Jungfrau!

Wenn setzt du mir zu einem Bürgen?
Den heiligen Ritter Sant Jörgen;
so trau ich meinem Bürgen wohl,
dass ich bald wiederkommen soll.

Es geht wohl gegen den Sommer,
mein feins Lieb will nicht kommen!
Sie ging spazieren vor dem Holz,
begegnet ihr ein Reiter stolz.

Gott grüß euch, Jungfrau reine!
Was macht ihr hie alleine?
Ist euch eur Vater und Mutter so gram,
oder habt ihr heimlich einen Mann?

Vater und Mutter ist mir nicht gram,
heimlich hab ich wohl einen Mann;
dort unter der Linden also breit,
da schwur er mir ein hohen Eid.

Hat er euch einen Eid geschworen,
wann habt ihr ihn verloren?
So ist es heut ein ganzes Jahr,
dass ich mein Lieb verloren hab.

Was wollt ihr ihm entbieten?
Ich komme erst von ihm geritten,
so ist es doch heut der neunte Tag,
dass man ihm ein Jungfräulein gab.

Hat man ihm ein Jungfräulein gebn,
so will ich beweinen mein junges Leben,
weil er mir nicht kann werden zu Teil,
so wünsch ich ihm viel Glück und Heil.

Und kann er mir nicht werden
der Liebst auf dieser Erden:
So will ich mir brechen meinen Mut,
gleich wie das Turteltäubchen tut.

Es setzt sich auf einen dürren Ast,
das irret weder Laub noch Gras,
und meidet das Brünnlein kühle
und trinkt das Wasser trübe.

Was zog er ab der Hände sein?
Von rotem Gold ein Fingerlein:
Sehet hin, schön Jungfrau, das sollt ihr haben,
eur feins Lieb sollt ihr nicht länger klagen.

Sie warf den Ring wohl in ihr Schoß.
mit heißen Tränen ihn begoss;
sie sprach: Den Ring will ich nicht haben,
mein feins Lieb will ich länger klagen.

Da zog er ab sein seiden Hut,
erst kennet ihn die Jungfrau gut:
Bis gottwillkommen, du schöns mein Lieb!
Wie lang ließt mich in Trauren hie?

Da tät ich dich versuchen,
ob du mir tätest fluchen,
und hättest du mir ein Fluch getan,
so wär ich geritten wieder davon.

Da du mir nicht tätst fluche,
da erfreut sich mein Gemüte,
du machst mein Herz ganz freudenvoll,
du erfreuest mich, dass ich dich haben soll.

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