Eia popeia, was raschelt im Stroh?

Die Melodie von Eia popeia, was raschelt im Stroh? ist ein Wiegenlied aus dem 17. Jahrhundert, während der Text der Aufzeichnung Bretanos für »Des Knaben Wunderhorn«, Bd. 3, aus dem Jahre 1808, folgt. Dort heißt es »Eio popeio«. 1893 nahm Humperdinck das Lied als »Suse, liebe Suse« in seine Oper »Hänsel und Gretel« auf. Die hier vorgestellte Version ist die vom Volk zurecht gesungene Fassung.

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Musiknoten zum Lied - Eia popeia, was raschelt im Stroh?

Eia popeia, was rasselt im Stroh?
Die Gänslein gehn barfus,
und haben keine Schuh.
Der Schuster hat's Leder,
kein Leisten dazu.
Drum gehn die lieben Gänschen
und hab'n kein Schuh'.

Eia popeia, das ist eine Not.
Wer schenkt mir ein Heller,
zu Zucker und Brot?
Verkauf ich mein Bettlein,
und leg mich auf's Stroh,
sticht mich keine Feder,
und beißt mich kein Floh

Eia, popeia, was raschelt im Stroh? war als Kinderlied bereits im 17. Jahrhundert bekannt und wurde 1808 von Achim von Arnim und Clemens Brentano aufgezeichnet und in deren angesehene Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn aufgenommen. 1893 nahm Engelbert Humperdinck das Lied mit »Suse, liebe Suse« als Anfang in seiner Märchenoper »Hänsel und Gretel« auf.

Man fragt sich natürlich, warum ein solches Lied als Kinder- und Wiegelied bezeichnet werden kann. Denn der Text ist doch wenig beruhigend und teils sogar sehr ruppig. Im Wunderhorn heißt es in einer weiteren Strophe:

Eia popeia, schlags Kikelchen tot.
Legt mir keine Eier,
und frisst mir mein Brot.
Rupfen wir ihm dann
die Federchen aus.
Machen dem Kindlein
Ein Bettlein daraus.

Und überhaupt – warum sollten Gänse Schuhe tragen? Es weiß doch jedes Kind, dass Gänse keine Schuhe tragen. Davon zu singen ist doch einfach lächerlich, oder etwa nicht?

Nun ja, nicht ganz. Aus dem 16. Jahrhundert ist belegt, dass Gänse tatsächlich eine Art »Schuhe« hatten. In einigen Ländern wurden zu Markttagen die Füße der Gänse in Pech getaucht, damit die Gänse den Weg zum Markt unverletzt überstehen konnten. Somit hatten die Gänse also doch eine Art »Schuhe«. Aus heutiger Sicht war dies natürlich Tierquälerei und wurde wohl auch recht bald wieder abgeschafft. Geblieben ist aber der Begriff von den Schuhen der Gänse.

Ob ein Kleinkind, das in den Schlaf gewiegt werden soll, überhaupt weiß, was Gänse und Schuhe sind, ist natürlich ein anderes Thema. In Eia, popeia, was raschelt im Stroh? wird jedenfalls erst einmal traurig festgestellt, dass die armen Gänschen eben keine Schuhe habe. Der Schuster könnte ja welche anfertigen. Das würde er ja wohl auch gerne tun; er hat sogar das Leder dafür. Aber leider keinen Leisten, den er als Werkzeug benötigt. Deshalb bekommen die Gänse keine Schuhe und laufen barfuß durch das Stroh.

Immerhin verdanken wir diesem tierquälerischen Brauch aus dem Mittelalter ein Lied, das auch heute noch gerne gesungen wird. Mit der langsamen Melodie hat das Lied etwas beruhigendes und lässt kleine Kinder leichter einschlafen. Und, wer weiß, vielleicht träumt das Kindlein ja von Gänschen und davon, dass es durch die Wolken tobt, auf der Suche nach Schuhen für die Gänschen.

Tom Borg, 23. April 2023

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