Es waren zwei Königskinder

Das Lied der beiden Königskinder, die nicht zueinander kommen können, stammt aus Niederdeutschland und ist seit dem 15. Jahrhundert in verschiedenen Variationen bekannt. Die erste bekannte Druckversion des Textes stammt aus 1807.

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Musiknoten zum Lied - Es waren zwei Königskinder

Es waren zwei Königskinder,
die hatten einander so lieb,
sie konnten zusammen nicht kommen,
das Wasser war viel zu tief.

»Ach, Liebster, könntest du schwimmen,
so schwimm doch herüber zu mir;
zwei Kerzen will ich anzünden,
die sollen leuchten zu dir.«

Das hört eine falsche Nonne,
die tat, als ob sie schlief.
Sie tat die Kerzen auslöschen,
der Jüngling ertrank so tief.

Und als der Jüngling zu Grunde ging,
so schrie sie und weinte sehr;
sie ging mit verweinten Augen
wohl vor der Mutter Tür.

»Ach Mutter, herzliebste Mutter,
der Kopf tut mir so weh;
ich möcht so gern spazieren
an den tiefen, tiefen See.«

»Ach Tochter, liebe Tochter
allein darfst du nicht gehen.
Nimm deinen jüngsten Bruder
und der soll mit dir gehen.«

»Ach Mutter, liebe Mutter,
mein Bruder ist ja noch ein Kind.
Der schießt ja alle Vögel,
die auf der Heide sind.«

»Ach Tochter, liebe Tochter
allein darfst du nicht gehen.
Nimm deine jüngste Schwester
und die soll mit dir gehen.«

»Ach Mutter, liebe Mutter,
meine Schwester ist ja noch ein Kind.
Sie pflückt ja alle Blumen,
die auf der Heide sind.«

Die Mutter ging nach der Kirche,
die Tochter ging ihren Gang.
Sie ging so lang spazieren,
bis sie den Fischer fand.

»Ach Fischer, liebster Fischer,
willst du verdienen großen Lohn?
So wirf dein Netz ins Wasser,
und fisch mir den Königssohn!«

Er senkte sein Netz ins Wasser
und nahm sie in den Kahn.
Er fischte und fischte so lange,
bis sie den Königssohn sahn.

Was nahm sie von ihrem Haupte?
Eine goldene Königskron.
Sieh da, du edler Fischer,
das ist dein verdienter Lohn.

Was nahm sie von ihrem Finger?
Ein Ringlein von Gold so rot.
Sieh da, du armer Fischer,
kauf deinen Kindern Brot.

Sie schloss ihn in ihre Arme
und küsst‘ seinen bleichen Mund:
»Ach, Mündlein, könntest du sprechen,
so würde mein Herz gesund.«

Sie schwang um sich ihren Mantel
Und sprang mit ihm ins Meer:
»Gut‘ Nacht, mein Vater und Mutter,
ihr seht mich nimmermehr!«

Da hörte man Glockengeläute,
da hörte man Jammer und Not,
da lagen zwei Königskinder,
die sind alle beide tot.

Das Volkslied Es waren zwei Königskinder erzählt eine uralte Sage, deren Wurzeln bis in die Zeiten des römischen Dichters Ovid und des spätgriechischen Dichters Musios zurückgehen. Der Kern der traurig tragischen Liebesgeschichte ist: Hero, eine Priesterin der Aphrodite in Selostos (am Hellespont) liebt den schönen Leandros, der am anderen Ufer im Kleinasischen Abdos lebt. Beim Durchschwimmen des Hellespont ertrinkt Leander. Daraufhin stürzt sich Hero in die Fluten und ertrinkt ebenfalls.

Diese Geschichte ist nicht auf den europäischen Raum begrenzt. Die antike Sage von Hero und Leander findet man auch in diversen Abwandlungen in alten Liedern vieler Völker. Im deutschen Sprachraum ist die Sage von Hero und Leander unter dem Titel »Zwei Königskinder« bekannt.

Vermutlich schon im 12. Jahrhundert wurde die Ballade durch französische Troubadoure verbreitet und gelangte so auch nach Deutschland. Dies erklärt auch, warum das Thema in den verschiedensten Formen verbreitet ist. Recht bekannt sind Ach, Elslein, liebes Elslein und das nach der gleichen Melodie gesungene Zwei tiefe Wasser.

1808 erschien ein Text in Des Knaben Wunderhorn, Hoffmann von Fallerleben (1797 - 1848) zeichnete 1819 einen weiteren Text mit zwölf Strophen auf. 1540 notierte der Komponist Georg Foster (1510 – 1568) das Lied mit dem Anfang »Es warb ein schöner jüngling, vber ein braiten see«. Die hochdeutsche Variante lautet Es warb ein schöner jüngling über ein' breiten See. Eine niederdeutsche Fassung überlieferte Annette von Droste-Hülshoff (1717 – 1848). Heute sind Textversionen von bis zu siebzehn Strophen bekannt. Einheitlich gesungen werden jedoch nur die ersten drei.

Eine frühe Version mit Melodie, die der heutigen Fassung sehr nahe kommt, erschien in Liederbuch für deutsche Künstler. Berlin: Vereins-Buchhandlung 1833, S. 171–173 (Nr. 113), siehe Historisch-Kritisches Liederlexikon.

Im Laufe der Zeit erlangte das Lied eine große Verbreitung. Im Freiburger Deutschen Volksliederarchiv liegen mehr als 400 Text- und Melodiefassungen der Ballade von den beiden Königskindern vor. Auch die meisten Gebrauchsliederbücher berücksichtigen das Lied Es waren zwei Königskinder, das auch von vielen namhaften Künstler eingesungen wurde. Darunter Heino, Ronny, Rudolf Schock, Vicky Leandros und Achim Reichel. Entsprechend lang ist die Liste der Videos auf Youtube. Es waren zwei Königskinder ist und bleibt ein beliebter Klassiker des deutschen Volksgesangs, was nicht zuletzt auch die zahlreichen Parodien und Umdichtungen belegen.

Tom Borg, 8. August 2023

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