Das weihnachtliche Kinderlied Bimmelt was die Straß' entlang ist ein einfaches Lied, das schon im Kindergarten und spätestens ab der ersten Klasse gesungen werden kann. Doch danach kommt auch schnell die Zeit, wo Kinder sich damit nicht mehr befassen wollen. Denn im Lied Bimmelt was die Straß' entlang geht es um den Nikolaus. Und das fernab aller religiöser Zusammenhänge oder etwa dem historischen Namensgeber. Vielmehr bringt das Lied die freudige Erwartung der Kinder zum Ausdruck, die auf den Nikolaus warten – und vor allem, was er ihnen an Geschenken mitbringt. Zwar ist der Nikolaus auch nicht mehr, was er mal in früheren Zeiten war, aber einen gewissen Reiz übt er schon noch aus, also auf die kleineren Kinder. Das Interesse der größeren Kinder beschränkt sich weitestgehend auf die Gaben und dazu braucht es ja nicht unbedingt einen lebensechten Nikolaus; es reicht, wenn die Geschenke kommen.
Im 19. Jahrhundert und auch noch Anfang des 20. Jahrhunderts war das noch anders. Da kam der Nikolaus persönlich – immer am 6. Dezember. Er war in einen langen roten Mantel gekleidet mit weißen Rüschen, die den Schnee symbolisieren sollten, den es früher noch reichlich gab. Manchmal brachte Nikolaus auch Knecht Ruprecht, seinen Helfer, mit. Und, damit es auch einen Grund für die Kinder gab, artig zu sein, ein Gedicht aufzusagen oder etwas zu singen, hatte der Nikolaus auch eine Rute dabei. Die gab es symbolisch für die unartigen Kinder, während die braven etwas aus dem großen Sack geschenkt bekamen.
Traditionell reiste der Nikolaus mit einem Schlitten, der von Schimmel gezogen wurde. Der Schlitten war geschmückt und mit Glöckchen versehen, damit alle hören konnten, wenn der Nikolaus Einzug hielt. Das alles bekamen Kinder natürlich nicht zu sehen, denn sie sollten ja nicht neugierig sein, sondern brav warten. Deshalb hatte der moderne Nikolaus eine Glocke dabei, mit der er ersatzweise per Hand läutete wenn er zu Fuß eintraf.
Die Mär vom guten Nikolaus
Die Geschenke, die der Niklaus bei seinen Besuchen verteilte, hatten die Eltern vorher, draußen vor der Haus- oder Wohnungstür abgelegt. Überhaupt, der Nikolaus kam natürlich nicht umsonst, sondern wurde bezahlt. Doch daran denken kleine Kinder nicht, wenn sie erwartungsvoll nach dem Nikolaus Ausschau halten. Sie übten lieber noch einmal das Gedicht oder das Liedchen, das sie dem Nikolaus vortragen wollten. Schließlich sollte der Nikolaus ja gute Laune haben und viele tolle Geschenke verteilen. Und wo der Nikolaus schon mal da war, gab man ihm auch gleich einen Wunschzettel für das Christkind mit. Woher sollte das Christkind denn sonst wissen, was man sich als Geschenk unterm Weihnachtsbaum wünschte…?
Von dieser alten, aber doch schönen Tradition, weil sie etwas Spaß und weihnachtliche Aufregung in das kindliche Leben brachte, ist heute nicht mehr viel übriggeblieben. Mancherorts werden noch Schuhe vor die Tür gestellt, damit der Nikolaus etwas reinsteckt. Aber ein neues Handy oder ein paar Scheinchen Taschengeld von den Eltern direkt auf die Hand tun es heutzutage auch.
Auch das Singen ersparen sich Kinder, die aus dem Kindergartenalter herausgewachsen sind. Denn, dass der Nikolaus nicht mit einem von Rentieren gezogenen Schlitten vom Nordpol angereist kommt, kann heutzutage jedes Kind im Internet nachlesen. Somit ist nicht mehr viel übrig von den alten Traditionen rund um Weihnachten und Nikolaus. Lediglich die alten Lieder kennen wir noch.
Die Lieder, die von Weihnachten, Christkind und Nikolaus erzählen, versuchen, etwas von den alten Traditionen zu bewahren. Die »guten alten Zeiten« waren ja nicht wirklich immer besser; sie waren härter und das Leben war ärmer und verlangte den Menschen viel ab. Da kamen Träume und Traditionen gerade recht, um etwas Freude, Spannung und Abwechselung in den tristen Alltag zu bringen. Lieder wie Bimmelt was die Straß' entlang erzählen von diesen Tagen, die es so eigentlich nie gab. Aber sehnsuchtsvoll davon träumen wird man wohl noch dürfen…
Claudia Nicolai, 26. September 2023