Tauet, Himmel, den Gerechten!

Adventslied römisch-katholischer Tradition des späten 18. Jahrhunderts

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Musiknoten zum Lied - Tauet, Himmel, den Gerechten!

»Tauet, Himmel, den Gerechten!
Wolken, regnet ihn herab«,
rief das Volk in bangen Nächten,
dem Gott die Verheißung gab,
einst den Mittler selbst zu sehen
und zum Himmel einzugehen;
|: denn verschlossen war das Tor,
bis der Heiland trat hervor. :|

Voll Erbarmen hört das Flehen
Gott auf hohem Himmelsthron.
Alles Fleisch soll nunmehr sehen
Gottes Heil durch Gottes Sohn.
Eilend schwebt der Engel nieder,
mit der Antwort kehrt er wieder:
|: »Sieh, ich bin des Herren Magd;
mir gescheh, wie du gesagt.« :|

Und das Wort ist Fleisch geworden
in Maria keusch und rein.
Offen stehn des Himmels Pforten,
Gott will unser Bruder sein.
Und Elisabeth voll Freude
grüßt die Hochgebenedeite;
|: selbst Johannes, den sie trägt,
wird vom Geiste froh erregt. :|

Tauet, Himmel, den Gerechten!, ist ein deutsches Adventslied in der Tradition der katholischen Roratemessen, römisch-katholisch gottesdienstliche Gesänge und Gebete in der Adventszeit.

Die deutsche Übersetzung der lateinischen Worte »Rorate caeli desuper, et nubes pluant iustum« (Jesaja 45) lautet »Tauet, Himmel, von oben, und die Wolken sollen den Gerechten [Gerechtigkeit] herabregnen«.

Zu diesem Lied sind verschiedene Textversionen und Melodiefassungen bekannt. Die älteste überlieferte Textfassung mit sechs Strophen veröffentlichte der Jesuitenpater Michael Denis (1729–1800) in seiner Sammlung »Geistliche Lieder zum Gebrauche der hohen Metropolitankirche bey St. Stephan in Wien und des ganzen wienerischen Erzbistums« im Jahr 1774. 1801 erschien im »Gesang- und Gebethbuch zum Gebrauche der Römischkatholischen« (3. Auflage. Aschendorff, Münster 1801) eine Version mit fünf Strophen sowie 1811 eine weitere Version von Christoph von Schmid. Eine Gegenüberstellung der Textversionen liefert Wikipedia.

Die ursprüngliche Melodie komponierte Norbert Hauner (1743–1827) 1777. 13 Jahre später, 1790, erfolgte eine Bearbeitung durch Michael Haydn (1737–1806).

Tauet, Himmel, den Gerechten! zeichnet uns ein Bild vom Kommen Gottes. Er kommt nicht mit Blitz und Donner als Krieger, sondern fällt herab vom Himmel als göttlicher Tau - still und leise, als Kind, klein und unscheinbar, doch voll göttlicher Kraft.

Für die Israeliten hatte der Tau eine besondere symbolische Bedeutung. Er fällt in der Nacht und spendet Feuchtigkeit dem trockenen Ackerboden und der Wüste. So sollen wir auch Gott verstehen, als Tau auf die ausgetrockneten Seelen der Gläubigen (»Gerechten«).

Somit schildertTauet, Himmel, den Gerechten! das Warten der Menschheit auf den im Alten Testament angekündigten »Gerechten«, Jesus Christus. Und dieses Warten ist wörtlich zu nehmen. Denn das Lied schildert die Sehnsucht der Menschen nach »Gottes Tau«. Sie flehen um Erbarmen, um »Heil durch Gottes Sohn«. Entsprechend ist auch der Tenor des Lieds eher geistlicher Natur und weniger für den heimischen Gesang unterm Weihnachtsbaum geeignet.

Tom Borg, 1.Dezember 2023

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