Hoch auf dem gelben Wagen

Das Volks- und Wanderlied Hoch auf dem gelben Wagen dichtete Rudolf Baumbach in den 1870er Jahren; die Melodie komponierte Heinz Höhne1922.

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Musiknoten zum Lied - Hoch auf dem gelben Wagen

Hoch auf dem gelben Wagen
sitz ich beim Schwager vorn.
Vorwärts die Rosse traben,
lustig schmettert das Horn.
Berge und Wälder und Matten,
leuchtendes Ährengold,
ich möchte wohl ruhen im Schatten,
aber der Wagen, der rollt.

Flöten hör ich und Geigen,
lustiges Bassgebrumm,
junges Volk im Reigen
tanzt um die Linde herum.
Wirbelnde Blätter im Winde,
es jauchzt und lacht und tollt,
ich bliebe so gern bei der Linde;
aber der Wagen, der rollt.

Postillion in der Schenke
füttert Rosse im Flug,
schäumendes Gerstengetränke
reicht uns der Wirt im Krug.
Hinter den Fensterscheiben
lacht ein Gesicht gar hold,
ich möchte so gerne noch bleiben,
aber der Wagen, der rollt.

Sitzt einmal ein Gerippe
hoch auf dem Wagen vorn,
hält statt der Peitsche die Hippe,
Stundenglas statt Horn.
Sag ich: Ade, nun, ihr Lieben,
die ihr nicht mitfahren wollt,
ich wäre so gern noch geblieben,
aber der Wagen, der rollt.

Das Volks- und Wanderlied Hoch auf dem gelben Wagen ist gerade runde 150 Jahre alt und gehört damit zu den jüngeren Liedern. Den Text des bis heute beliebten Volkslieds verfasste der deutsche Dichter Rudolf Baumbach (1840-1905) in den 1870er Jahren. Erstmals gedruckt wurde das Gedicht 1878 unter dem Titel Der Wagen rollt. Vertont wurde das Gedicht erst 1922 von dem Berliner Apotheker Heinz Höhne (1892-1968). Die Melodie ist somit noch bis Ende 2038 urheberrechtlich geschützt.

Im Lauf der Jahre wurde Hoch auf dem gelben Wagen vVon vielen namhaften Interpreten gesungen. So unter anderem von Heino (1972), Andrea Jürgens (1981), Fischer Chöre (1990), Kirmesmusikanten (1994), Roy Black (1974) und Tony Marschall (1974), um nur die bekanntesten Künstler zu nehmen.

Einen ganz besonderen Anteil an der bis heute ungebrochenen Beliebtheit des Lieds hatte jedoch Walter Scheel (1919-2016). Scheel, damals amtierender Außenminister, sang das Lied 1973 auf Vorschlag des Düsseldorfer Musikproduzenten Dirk Tillen. Dieser suchte schon länger nach einem passenden Interpreten für das Lied und hatte damals in der Zeitung gelesen, dass Scheel zu den Proben des Düsseldorfer Männergesangsverein kommen wird. Über das Auswärtige Amt gelang der Kontakt zum damaligen Außenminister und am 6. Dezember 1973 sang Walter Scheel das Lied live in der Sendung 3 x 9 mit Moderator Wim Thoelke. Der Erlös aus Verkäufen und Rechten wurde der Aktion Sorgenkind gespendet. Bis zu Walter Scheels Tod im Jahre 2016 kamen so über 500.000 Euro zusammen.

Scheel hat aber auch privat zum Verkaufserfolg beigetragen. »Er hat immer Pakete zu je 200 Stück bestellt und dann bei Staatsbesuchen verschenkt, sogar im Kreml und im Weißen Haus. Und bei einem Staatsbesuch in einem afrikanischen Land wurde „Hoch auf dem gelben Wagen“ gespielt, weil man dachte, das wäre die offizielle Nationalhymne.« (Düsseldorfer produzierte Walter Scheels Hit).

Die Gold- und die Platin-Auszeichnung sowie die Originalbänder mit Postern und Plakaten hat der Produzent Tillen, der bis zu Scheels Tod mit dem Politiker freundschaftlich verbunden blieb, dem Haus der Geschichte in Bonn und damit der Nachwelt überlassen.

Die Reise eines Lebens

Es heißt, Rudolf Baumbach, der Verfasser des Liedtextes Hoch auf dem gelben Wagen, war ein Junggeselle, der Wein, Gesang und Geselligkeit liebte. Er nahm das Leben so wie es kam und seine Erfahrungen machte er zur Grundlage seiner Texte und Gedichte. Baumbachs Werke sind geprägt von einer einfachen Sprache, aber gekonnt verpackt in melodiöse und rhythmische Verse, die sich somit geradezu als ideale Vorlage für Vertonungen aufdrängten.

Auch das Gedicht Hoch auf dem gelben Wagen, das 1878 zuerst als Der Wagen rollt veröffentlicht wurde, erzählt die Geschichte eines Lebens. Genauer: das menschliche Leben wird als Reise in einer Postkutsche beschrieben. Der Wagen, das ist das Leben, das immerzu vorwärts rollt. Egal, ob wir bleiben oder weiterfahren möchten, der Wagen, er rollt, das Leben fließt weiter. Und wir alle, symbolisiert durch das lyrische Ich, fahren mit.

Wir sitzen »beim Schwager vorn«, wobei das Wort »Schwager« den Postillon (franz.: chevalier, Postreiter), das Schicksal meint. Es fährt uns durchs Leben und wir fahren mit als Passagiere in einer Kutsche, die wir nicht lenken können.

Auf unserer Reise begegnen wir vielen Menschen und Orten bei denen wir gerne länger geblieben wären. Wenn »Lustiges Volk im Reigen tanzt um die Linde herum« fühlen wir den Puls des Lebens, wir möchten mittanzen und das Leben genießen. Aber das Leben, die Umstände, die Ereignisse ziehen uns weiter - »der Wagen rollt«. Und bleibt der Wagen einmal stehen, weil die Rosse versorgt werden müssen, dann steht der »Postillon an der Schenke« und hat es eilig weiterzufahren. »Bringt uns der Wirt im Krug« auch wohlschmeckendes »schäumendes Gerstengetränke« und »lacht ein Gesichtchen hold« - die Fahrt geht weiter, denn der Wagen rollt unaufhörlich weiter.

Und sitzt dereinst anstelle des Schwagers ein Gerippe vorn auf dem Wagen mit einem Stundenglas in der Hand anstelle eines Horns, dann sehen wir die Stunden unseres Lebens dahingleiten so wie der Sand durch das Stundenglas rieselt. Dann heißt es Abschied nehmen von denen die bleiben. Auch, wenn wir vielleicht gerne noch geblieben wären – der Wagen rollt. Und so steht der rollende Wagen für das gnadenlos dahinfließende Leben. Man kann seinen Lauf nicht aufhalten, nicht einmal nachhaltig beeinflussen, denn der Schwager, das Schicksal, hat die Zügel in der Hand. Wir sind die Passagiere. Wir fahren nur mit.

Tom Borg, 14. August 2023

Die Unterschiede des von Walter Scheel gesungenen Textes zum Originaltext zeigt wikipedia auf.

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