Wenn alle Brünnlein fließen

Das Liebeslied Wenn alle Brünnlein fließen ist seit dem 18/19. Jahrhundert vor allem im Odenwald, Süddeutschland sowie in Elsass & Lothringen bekannt.

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Musiknoten zum Lied - Wenn alle Brünnlein fließen

Wenn alle Brünnlein fließen,
so soll man trinken,
wenn ich mein Schatz nicht rufen darf,
tu ich ihm winken.
Wenn ich mein Schatz nicht rufen darf,
ju ja rufen darf, tu ich ihm winken.

Ja winken mit den Äugelein
und treten auf den Fuß:
Ist Eine in der Stube drin,
die mir noch werden muss.

Warum soll sie's nicht werden?
Ich seh sie gar zu gern.
Sie hat zwei schwarzbraun Äugelein,
sind heller als der Stern.

Sie hat zwei rote Bäckelein,
sind röter als der Wein.
Ein solches Mädchen findt man nicht,
wohl unterm Sonnenschein.

Das Liebeslied Wenn alle Brünnlein fließen hat eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Bereits 1520 wurde es erstmals vom Komponisten Leonhard Kleber (1495 - 1556) aufgezeichnet. 1534 erfolgte der erste Druck durch den Nürnberger Verleger und Buchhändler Johann Ott (?? – 1546), der das Lied in seine Liedersammlung Hundert und ninundzweintzig newe Lieder aufnahm.

Die damals veröffentlichte Textversion entsprach bereits weitestgehend der heute bekannten Textfassung. Somit gehört Wenn alle Brünnlein fließen zu den ältesten deutschen Volksliedern – soweit es den Text anbetrifft. Die Melodie, die in Otts Liedersammlung als vierstimmiger Chorsatz ausgelegt ist, wandelte sich im Laufe der Zeit. Mit der Aufnahme in Des Knaben Wunderhorn durch Clemens Brentano und Achim von Arnim erlangte das Lied eine größere Verbreitung. 1855 veröffentlichte der Komponist Friedrich Silcher (1789 – 1860) Wenn alle Brünnlein fließen als Satz für vier Singstimmen mit der heute bekannten Textfassung und einer Melodie, die teilweise auf der 1534 veröffentlichten basierte. Dadurch wurde das Lied sehr populär. Das Allgemeine Deutsche Kommersbuch übernahm Silchers Fassung, ebenso Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio (1803 – 1869) in seine Deutschen Volksliedern.

Im Laufe der Zeit erfuhr die Melodie erfuhr mehrfache Variationen. Die uns bekannte Variation enthält Melodieelemente, die im 18. und 19. Jahrhundert sehr häufig für verschiedene Lieder verwendet wurden und auch 1791 in Wolfgang Amadeus Mozarts Zauberflöte als des Papageno-Lieds Ein Mädchen oder Weibchen anklingen.

Der Text des Liebeslieds ist wenig spektakulär. Der Sänger sehnt sich nach einer jungen Frau, die für ihn aber unerreichbar ist. Er kann aber nicht um sie werben, nicht seine Liebe gestehen, weil er »mein Schatz nicht rufen darf«. Vielleicht ist sie bereits vergeben oder nicht standesgemäß. So bleibt es beim Schwärmen.

Erläuterungsbedürftig ist die Wendung »treten auf den Fuß«. Dies war im Mittelalter eine Art Heiratsantrag. Trat ein Mann einer Frau auf den Fuß und erwiderte sie diesen Tritt, so galt dies als stilles Eheversprechen. Davon träumt der verliebte Sänger in der zweiten Strophe: »winken mit den Äugelein und treten auf den Fuß«.

Eine Übersicht über die Entwicklung des Lieds Wenn alle Brünnlein fließen gibt es auf Volksliederarchiv.

Tom Borg, 11. Juni 2023

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