Schlaf, mein Kindelein

Deutsche Übertragung eines äteren lateinischen Kindelwiegelieds

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Musiknoten zum Lied - Schlaf, mein Kindelein

Schlaf, mein Kindelein,
schlaf, mein Söhnelein!
singt die Mutter Jungfrau rein;
Schlaf, mein Herzelein,
schlaf , mein Schätzelein!
singt der Vater eben fein.
Singet und klinget dem Kindelein klein,
dem honigsüßen Jesulein,
Singet und klinget, ihr Engelein rein,
mit tausend süßen Stimmelein!

Komm, mein Kindlein
schau dein Bettelein
das für dich bereitet ist
Komm, mein Söhnelein
in dies Krippelein
das mit Heu gestreuet ist.
Singet und klinget dem Kindelein...

Schließ die Äugelein
deck dein Händelein
denn es braust ein scharfer Wind
Schlaf, mein Kindelein
dich das Eselein
wird erwärmen mit dem Rind.
Singet und klinget dem Kindelein..

Schlaf mein Ziere
mein Begiere
schweig, dass sich dein Leid nicht mehr
Schlaf mein Sohne
von seinem Throne
schickt dein Vater Englein her.
Singet und klinget dem Kindelein…

Das weihnachtliche Lied Schlaf, mein Kindelein ist die deutsche Textadaption des älteren lateinischen Kindelwiegelieds »Dormi Fili«, das anfangs auf eine kirchentonartliche Melodie (Kölner Psalter, 1638) gesungen wurde. 1697 steht es dann mit der heute gebräuchlichen Melodie im Straßburger Gesangbuch mit der Überschrift »Dormi fili, dormi nate zu Teutsch«. Auch in Erk/Böhmes Deutscher Liederhort ist das Lied in Band 3, Nr 1942 zu finden. Dort steht es unter dem Titel »Weihnachtslied«.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschwand das Lied wieder aus den kirchlichen Gesangsbüchern und wurde stattdessen in der Rhön als vorweihnachtliches Brauchtum populär. 1908 schließlich erlebte das alte Lied einen zweiten Frühling, als Hans Breuer Schlaf, mein Kindelein in sein Liederbuch Zupfgeigenhansel aufnahm. Als Bestandteil dieses bekanntesten Liederbuchs der deutschen Jugend- und Wandervogelbewegung wurde es der jüngeren Generation bekannt. In die kirchlichen Gesangsbücher ist es jedoch nicht wieder aufgenommen worden.

Generell fällt es schwer, Schlaf, mein Kindelein als kirchliches Lied zu betrachten, denn abgesehen von den Namen »Jesulein« und »Christkindlein«, dem Erwähnen des »Krippelein« und der vorletzten Zeile »schickt dein Vater Englein her« klingt das Lied ganz und gar nicht biblisch. Es kommt eher wie ein gewöhnliches Schlafliedchen daher. Denn ob nun der Vater die Schafe hütet wie in Schlaf', Kindlein schlaf oder der Vater Englein aussendet, das macht für ein Kleinkind keinen Unterschied, ja, es kennt ihn nicht einmal. Was zählt, ist der Gedanke dahinter, dass das Kind sich behütet fühlt und vom ruhigen Gesang sanft in den Schlaf gewiegt wird. Gottes Beistand erbittet eher die singende Mutter. Doch indem sie sanft ein Wiegenlied singt, tut sie dies in der Gewissheit und Zuversicht, dass Gott seine schützende Hand über das Kind hält, das in diesem Fall sein Sohn ist. In diesem Sinne ist das Lied dann doch ein vom Glauben inspiriertes Wiegenlied.

Tom Borg, 11. Oktober 2023

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