Nachtwächter

(Hört ihr Kinder und lasst euch sagen)

Robert Reinicks Nachtwächter aus dem »ABC-Buch für kleine und große Kinder« ist besser bekannt unter seinem Anfang »Hört ihr Kinder und lasst euch sagen«.

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Musiknoten zum Lied - Nachtwächter

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat neun geschlagen!
Die Lämmer sind schon längst im Stall,
im Nest die Vöglein allzumal;
d'rum lasset euer Spielzeug steh'n,
s'ist hohe Zeit zu Bett zu geh'n,
und lobet Gott den Herrn!

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat zehn geschlagen!
Die Lämmer schliefen ruhig ein,
sie können ohne Sorge sein:
im Hofe wacht der treue Hund,
der macht um ihren Stall die Rund',
lässt keinen Wolf herein.

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat elf geschlagen!
Gar lieblich ist der Vöglein Ruh',
ihr Mütterlein, es deckt sie zu
mit beiden Flügeln früh und spät,
wenn kalt die Nacht um's Nestchen weht-
Das liebe Mütterlein!

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat zwölf geschlagen!
Auch eure Elternruhen beid'
im Bette schon seit langer Zeit;
doch schlafen sie nicht alsogleich,
sie sorgen treulich noch für euch.
Ihr schlaft und hört es nicht!

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat eins geschlagen!
So viele Kinder auf der Welt,
so viele Stern am Himmelszelt,
so viele Engel im Himmelsraum,
die bringen euch manch' schönen Traum
von oben mit herab.

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat zwei geschlagen!
Und mit dem blanken Sternenheer
kam auch der liebe Mond daher
und steckte sein Laternchen an,
doch schlich sich wo ein Dieb heran,
den jagt er schnell davon.

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat drei geschlagen!
Und bleibt der Mond einmal zu Haus'
und sagt: "Nun schlaf' ich auch 'mal aus."
Da bin ich hier, der euch bewacht,
laut blas' ich durch die stille Nacht
und lobe Gott den Herrn!

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat vier geschlagen!
Was hilft doch aller Menschen Macht,
wenn Gott der Herr sie nicht bewacht?
Vor Krankheit und viel andrer Pein
bewahrt nur einzig er allein,
d'rum lobet Gott den Herrn!

Hört ihr Kinder und lasst euch sagen:
Die Glock' hat fünf geschlagen!
Horcht auf, es krähet schon der Hahn
und ruft: "Erwachet, der Tag bricht an!"
Die Lerch' ist längst zum Nest heraus,
der Wächter aber geht nach Haus
und alles lobt den Herrn!

Mit seinem Lied »Nachtwächter« schuf Robert Reinick eine kindgerechte Adaption des älteren und vor allem geistlichen Nachtlieds Hört, ihr Herr'n, und lasst euch sagen, dessen Kernaussage »Menschenwachen kann nichts nützen; Gott muss wachen, Gott muss schützen« zwar weiterhin durchklingt, aber in deutlich abgeschwächter Form in Strophe acht: »Was hilft doch aller Menschen Macht, wenn Gott der Herr sie nicht bewacht?«

Robert Reinick, dem wir so viele Kinderlieder verdanken, ging die Sache etwas behutsamer an. Statt mit biblischen Bezügen verknüpft Reinick die einzelnen Stunden mit Tieren, die auch schlafen müssen. Es beginnt um neun Uhr mit der Aussage: »Die Lämmer sind schon längst im Stall, im Nest die Vöglein allzumal«. Das können auch kleine Kinder nachvollziehen – und es klingt nahezu logisch, dass die Kinder den Lämmchen und der Anweisung »d'rum lasset euer Spielzeug steh'n, s'ist hohe Zeit zu Bett zu geh'n« folgen sollten.

Und auch das Nachtgebet soll nicht vergessen werden. Vier der neun Strophen enden mit dem Hinweis: »lobet Gott den Herrn!«

Aber auch die natürlichen Ängste singt Reinick elegant weg. Denn die Lämmchen im Stall werden vom treuen Hund bewacht, der keinen Wolf hereinlässt. Und auch die Vöglein werden von den Flügeln der Mutter bedeckt, wenn der Wind weht. So wie auch die Mutter ihre Kinderchen zudeckt beschützt.

Doch auch Reinick nimmt den Bogen hin zu himmlischen Mächten und vergleicht die Zahl der Sterne mit der Zahl der Engel: »so viele Stern am Himmelszelt«, so viele Engel im Himmelsraum«. Und die haben alle eine Aufgabe: »die bringen euch manch' schönen Traum«.

Auch der Mond wird in die Pflicht genommen. Er steckt seine Laterne an und verjagt alle Diebe. Die Kinder können also in aller Ruhe schlafen, denn auch Gott bewacht die Kinder. Deshalb soll er gelobt werden.

Und haben die Kinder den ganzen Tag herumgetobt, so schlafen sie recht bald ein und werden erst am nächsten Morgen von der achten Strophe geweckt mit »Die Glock' hat fünf geschlagen!« Und wieder muss die Tierwelt mithelfen, die Kinder zu überzeugen: »Horcht auf, es krähet schon der Hahn und ruft: Erwachet, der Tag bricht an!« Und auch »Die Lerch' ist längst zum Nest heraus«. Zeit also, dass auch die Kinder aufstehen, wo die ganze Tierwelt schon herumtobt.

Das Lied Hört ihr Kinder und lasset euch sagen kann man in der heutigen Zeit wohl nur noch für die Kleinsten singen, denn die älteren bevorzugen den MP3-Player. Und doch ist ein wenig Elternzeit beim Schlafengehen hilfreich. Es ist eine gute Gelegenheit, dem Kind das Gefühl der Geborgenheit zu geben und vielleicht auch noch die ein oder andere Beichte entgegenzunehmen, damit es ein geruhsamer Schlaf werden kann – ohne Sorgen oder schlechtem Gewissen…

Tom Borg, 2. Oktober 2023

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