Nach Süden nun sich lenken

Volkslied nach Joseph von Eichendorffs Gedicht »Wanderlied der Prager Studenten«

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Musiknoten zum Lied - Nach Süden nun sich lenken

Nach Süden sich nun lenken
die Vöglein allzu mal;
viel Wandrer lustig schwenken
die Hüt im Morgenstrahl.
Das sind die Herrn Studenten,
zum Tor hinaus es geht;
auf ihren Instrumenten
sie blasen zum Valet:
Ade in die Länge und Breite,
o Prag, wir ziehn in die Weite,
Et habeat bonam pa cem,
qui sedet post fornacem!

Nachts wir durchs Städtlein schweifen,
die Fenster schimmern weit,
am Fenster drehen und schleifen
viel schön geputzte Leut.
Wir blasen vor den Türen
und haben Durst genung;
das kommt vom Musizieren:
Herr Wirt, ein frischen Trunk!
Und siehe, über ein kleines
mit einer Kanne Weines
venit ex sua domo
beatus ille homo.

Nun weht schon durch die Wälder
der kalte Boreas,
wir streichen durch die Felder,
von Schnee und Regen naß;
der Mantel fliegt im Winde,
zerrissen sind die Schuh,
da blasen wir geschwinde
und singen noch dazu:
beatus ille homo
qui sedet in sua domo
et sedet post fornacem
et habet bonam pacem!

Das Wanderlied der Prager Studenten mit dem Anfangsvers »Nach Süden nun sich lenken« dichtete Joseph von Eichendorff (1788 – 1857) in der Zeit vor 1826 und integrierte es in seine Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts«.

Die Melodie setzt sich aus zwei verschiedenen Fragmenten zusammen. Der erste Teil entstammt einem französischen Jagdlied aus dem Jahr 1724: »Pour aller à la Chasse faut être matineux« (Wer jagen will, muss früh aufstehen). Den zweiten Teil der Melodie, den die Prager Studenten dem Lied beifügten, veröffentlichte Karl Göpel 1847 in seinem Lieder- und Kommersbuch. Die Urheberschaft ist allerdings umstritten. Die Komposition wird sowohl dem Kapellmeister und Violinisten Thomas Täglichsbeck (1799-1867) als auch dem Komponisten Karl Hirsch (1858-1918) zugeschrieben.

Dass Eichendorffs Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts« besonders in Studentenkreisen beliebt war, ist naheliegend, denn sie erzählt von den Menschen, die dem Taugenichts auf seiner Wanderung begegnen. Das Wanderlied beschreibt die Sehnsucht der damaligen erlebnishungrigen Jugend nach Freiheit und Abenteuer, die im Gegensatz zum damaligen Bürgertum steht.

Den Taugennichts wie auch die studentische Jugend der damaligen Zeit zog es raus aus der Enge des geordneten Lebens in den Städten des Bürgertums. Verse wie »wir streichen durch die Felder« untermalen die Sehnsucht der Jugend nach Veränderung und Abwechslung. Das neugierige, ziel- und planlose Reisen symbolisiert dabei auch die Lebenslust der Jugend, die Neues entdecken und sich von den »schön geputzte Leut« absetzen will. Reisen um des Reisens willen, Erleben aus reiner Lebenslust.

In den lateinischen Passagen hagelt es Spott über die Spießer, die in ihrem Haus (domo) hinter ihrem Ofen (fornacem) sitzen. Sollen sie doch dort ihren Frieden (pacem) haben. Den Taugenichts wie auch die jugendlichen Studenten dürstet nach Freiheit und Abenteuer. Von diesem Leben mit »Wein, Weib und Gesang« träumen wir auch heute noch – manchmal, in stillen Stunden. Denn zu groß ist die Angst, dabei ins Abseits zu geraten, vom Weg abzukommen. Eichendorffs Taugenichts war dies alles egal. Gerade das faszinierte die damalige Studentenschaft. Und wenn wir ehrlich sind, auch wir würden manchmal gerne aus unserer Welt ausbrechen, ab in den Süden, der Sonne entgegen. Allerdings nur mit einem sicheren Rückfahrticket in der Tasche.

Tom Borg, 27. Dezember 2023

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