Jägerlied

(Ich schieß' den Hirsch im wilden Forst)

Jäger- (und später) Soldatenlied aus dem 19. Jahrhundert

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Musiknoten zum Lied - Jägerlied

Ich schieß' den Hirsch im wilden Forst,
im tiefen Wald das Reh,
den Adler auf der Klippe Horst,
die Ente auf dem See;
kein Ort, der Schutz gewähren kann,
wo meine Büchse zielt!
|: Und dennoch hab' ich harter Mann
die Liebe auch gefühlt. :|

Kampiere oft zur Winterszeit
in Sturm und Wetternacht,
hab' überreist und überschneit
den Stein zum Bett gemacht;
auf Dornen schlief ich wie auf Flaum,
vom Nordwind unberührt,
|: und dennoch hat die harte Brust
Die Liebe auch gespührt. :|

Braust zu ihr Stürme in der Höh
der Sturm ist meine Lust
es bannt so oft das wilde Weh
mir in bewegter Brust!
Er hat so oft den wilden Schmerz
im Busen mir gestillt
: denn ach es hat die harte Brust
die Lieb´ umsonst gefüllt. :|

Der wilde Falk ist mein Gesell,
der Wolf mein Kampfgespan;
der Tag geht mir mit Hundsgebell,
die Nacht mit Hussa an.
Ein Tannreis schmückt statt Blumenzier
den schweißbefleckten Hut
|: und dennoch schlug die Liebe mir
ins wilde Jägerblut. :|

O Schäfer auf dem weichen Moos,
Der du mit Blumen spielst,
wer weiß, ob du so heiß, so groß
wie ich die Liebe fühlst!
Allnächtlich über'm schwarzen Wald,
vom Mondenschein umstrahlt,
|: schwebt königshehr die Lichtgestalt,
wie sie kein Meister malt. :|

Wenn sie dann auf mich niedersieht,
wenn mich der Blick durchglüht
dann fühl ich, wie dem Wild geschieht
das vor dem Rohre flieht.
Ich fühl's mit allem Glück vereint,
das nur auf Erden ist,
|: wie wenn der allerbeste Freund
mich in die Arme schließt. :|

Das Jäger- und (später) auch Soldatenlied Jägers Liebeslied verfasste der österreichische Dichter und Kammerherr Franz Schober (1796-1882) im Jahr 1826 nach der älteren Vorlage von Johann Gottlob Schulz (1762-1810): »Ich bin ein Jäger frisch und jung«. Gesungen wird das Lied auf eine Melodie, die bereits vor 1845 bekannt war. Der Ursprung dieser kräftigen Melodie ist unbekannt. Die Volksliedforscher Theo & Sunhilt Mang (Liederquell, Dörfler Verlag, 2015, ISBN 978-3-89555-679-1, S. 202) vermuten, dass die Melodie in Studentenkreisen entstanden sein könnte. Bereits 1843 stehen Text und Melodie im Liederbuch »Alte und neue Jägerlieder« von Georg Scherer und anderen mit der Angabe »Siebenbürgisches Jägerlied«. Bereits im Februar 1827 vertonte der österreichische Komponist Franz Schubert (1797-1828) das Gedicht.

Als Jägerlied aus Siebenbürgen ist Ich schieß den Hirsch seit der Zeit um 1850 beliebt und wurde gerne gesungen. Nach und nach kamen auch weitere Strophen hinzu. Im Jahr 1859 wurde es im »Allgemeinen Deutschen Kommersbuch« aufgenommen in damit auch in Studentenkreisen bekannt und beliebt.

Doch worum geht es in dem Lied eigentlich? Vordergründig um das Jagen. Doch dies ist nur eine Fassade für die eigentlichen Gedanken und die Kernaussage: »Und dennoch hab' ich harter Mann die Liebe auch gefühlt«. Der Text arbeitet den Widerspruch unseres Lebens heraus: die Tatsache, dass wir Menschen brutal und hart furchtbare Dinge tun und gleichzeitig auch lieben können. Soldaten, Diktatoren, Mafiosi und Verbrecher aller Art haben kein (großes) Problem damit, andere Menschen zu quälen und zu töten. Aber dennoch können auch sie lieben. Es tut ihnen nicht weh, einen anderen Menschen zu töten, und doch kommen auch ihnen Tränen, wenn ein geliebter Mensch sie verlässt.

Heutzutage wird die Darstellung des Tötens von Tieren kritisch wahrgenommen. Die Zeiten ändern sich, doch nicht die Gefühle. Der Widerspruch zwischen dem was wir tun und dem was wir fühlen, wird uns auf ewig begleiten, er ist ein Teil des Menschseins.

Tom Borg, 15. Dezember 2023

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