Der Text dieses katholischen Weihnachtslieds wurde erstmals 1783 im Salzburger Gesangbuch sowie in der Waisenhausbuchhandlung und im Churfürstlichen Intelligenzcompotoir in München gedruckt.
Die Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann liefert für die dritte Strophe eine abweichende Fassung (vgl. Das Buch der Weihnachtslieder, 12. Auflage. Schott, Mainz 2008, ISBN 978-3-254-08213-8, S. 228):
Christen bedenkt! Christen bedenkt!
Zitternd vor Kälte, in Windeln gebunden,
liegt hier als Kind der gewaltige Gott.
Ach, soll dies Kindlein einstens voll Wunden
leiden am Kreuze den schmählichen Tod?
Hört, wie beweglich er Menschen zuspricht:
Sündige Seele, erbarm' ich dir nicht?
Der mich beleidiget;
von neuem kreuziget,
liebet mich nicht,
liebet mich nicht!
Eine weitere Textvariante bietet »Neues christkatholisches Gesangs- und Gebetbuch für die Mainzer Diözes« (Kupferberg, Mainz 1841, S. 146f):
Heiligste Nacht! Heiligste Nacht!
erste der Nächte für Menschen hienieden,
heiligste, ewig uns heiligste Nacht!
Engel erscheinen, verkünden den Frieden;
Allen wird fröhliche Botschaft gebracht.
Nun ist die größte Verheißung erfüllt;
endlich die Sehnsucht der Väter gestillt.
Staunet, o Sterbliche!
Sehet, der Ewige
lebet als Kind!
lebet als Kind!
Christen, bedenkt!; Christen, bedenkt!;
arm von dem Schooße der Mutter entbunden,
ward er zum leiden, zum Dulden bestimmt.
Der nie die Freuden der Erde empfunden,
den zogen Sünder, vom Bosheit ergrimmt -
also beschloß es der heilige Gott -
hin zu dem schmählichsten, bittersten Tod.
Dadurch riß uns der Herr,
ihm sei Dank, Preis und Ehr!
aus unsrer Noth,//aus unsrer Noth.
Göttlicher Freund! Göttlicher Freund!
Allen zum Lehrer, zum Beispiel geboren,
sei es, so lang ich noch lebe, auch mir!
Dann bin ich nicht für die Tugend verloren,
sondern ich finde den Himmel in ihr:
bin nicht vergebens geboren zur Welt;
lebe und sterbe dann, wie's dir gefällt,
mit dir, du Göttlicher!
du bist mein Gott und Herr,
der mich erhält,
der mich erhält.
Der Text Heiligste Nacht wurde mit unterschiedlichen Melodien unterlegt. Die hier präsentierte Melodie erschien 1793 in Christian Paul Müllers Gesangbuch in Landshut. Sie wurde 1810 auch von Christoph Bernhard Verspoell in sein »Münsterisches Gesangbuch« aufgenommen.
Daneben existiert eine weitere bekannte Vertonung, die üblicherweise dem Komponisten Michael Haydn zugeschrieben wird, obwohl es auch Berichte gibt, dass sie aus seinem Schülerkreis stammen soll.
Weniger verbreitet ist hingegen eine Friedrich Schmidt zugeschriebene Melodie, die leicht variiert bereits im münsterischen Diözesangesangbuch von 1868 enthalten war und auch heute noch im Diözesananhang Münster des Gotteslobes (2013) unter der Nummer 758 zu finden ist.
Heiligste Nacht! wurde zwar in einige Gesangsbücher aufgenommen, erreichte aber nie die Bekanntheit anderer deutschsprachiger Weihnachtslieder. Dennoch zeigt ein Blick auf YouTube, dass es offenbar immer noch gerne zur Christmette gesungen wird. Auch die Version des »Vienna Boys Choir« erfreut sich einiger Beliebtheit - und das nicht nur im deutschsprachigen Raum.
Trotz der recht eingängigen Melodie sucht man aber die wirklich großen Namen vergebens. Dies mag daran liegen, dass der Text zu Heiligste Nacht! einen sehr tiefen Glauben zum Ausdruck bringt. Vielleicht etwas zu tief für die Hausmusik des 19. Jahrhunderts und zu religiös für unsere heutige Zeit. Lediglich im katholischen Weihnachtsgottesdienst spielt es weiterhin eine wichtige Rolle.
Tom Borg, 9. November 2016