Hamborger Veermaster

(Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn)

Hamborger Veermaster ist ein Shanty amerikanischen Ursprungs aus dem Jahr 1849. Die Strophen des Lieds werden Plattdeutsch und der Refrain Englisch gesungen.

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Musiknoten zum Lied - Hamborger Veermaster

Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn,
To my hoo-dah, to my hoo-dah!
De Masten so scheev as den Schipper sien Been,
To my hoo-dah! hoo-dah, hoo-dah ho!
Blow, boys, blow for Californio
There is plenty of gold so I am told,
On the banks of Sacramento.

Dat Deck weer vun Isen, vull Schiet und vull Schmeer.
To my hoo-dah, to my hoo-dah!
"Rein Schipp" weer den Käpten sein größtet Pläseer.
To my hoo-dah! hoo-dah, hoo-dah ho!
Blow, boys, blow...

Dat Logis weer vull Wanzen, de Kombüs weur vull Dreck,
To my hoo-dah, to my hoo-dah!
De Beschüten, de leupen von sülven all weg.
To my hoo-dah! hoo-dah, hoo-dah ho!
Blow, boys, blow...

Dat Soltfleesch weer gröön, un de Speck weer vull Moden,
To my hoo-dah, to my hoo-dah!
Kööm gev dat blots an Wiehnachtsobend.
To my hoo-dah! hoo-dah, hoo-dah ho!
Blow, boys, blow...

Un wulln wi mol seiln, ich segg dat ja nur,
To my hoo-dah, to my hoo-dah!
Denn lööp he dree vörut und veer wedder retur.
To my hoo-dah! hoo-dah, hoo-dah ho!
Blow, boys, blow...

As dat Schipp, so weer ok de Kaptain,
To my hoo-dah, to my hoo-dah!
De Lüd for dat Schipp weern ok blots schanghait.
To my hoo-dah! hoo-dah, hoo-dah ho!
Blow, boys, blow...

Der Shanty Hamborger Veermaster gehört zu den Seemannsliedern, die auch Landratten kennen, da das Lied bis heute gesungen wird. Allerdings weniger im ursprünglichen Zusammenhang. Denn das Lied, das aus dem englischsprachigen Shanty The Banks of Sacramento mit dem Anfang »As I was walking« hervorging, wurde seinerzeit bei Hochholen des Ankers mit einer Ankerwinde, die in englischer Sprache als »Capstan« für eine (damals) eigentlich handbetriebene Ankerwinde auf dem Vorschiff genannt wird. Daher auch der gelegentlich verwendete Begriff Capstan-Shanty bzw. Gangspill-Shanty. Der Text des Refrains geht auf die englische Ballade Ten Thousand Miles Away zurück.

Die Melodie von Hamborger Veermaster stammt von einem Kirchenlied (Minstrel), die ursprünglich zum Led Capstown Races von C. Foster gehört. Unter dem Titel Gwine to run all night wurde es bereits 1850 in Boston veröffentlicht. Daraus hat sich wohl nach und nach die Melodie in der heute bekannten Form herausgebildet.

Richtig bekannt wurde Hamborger Veermaster in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1934 und 1936 wurde es durch das Seemannsliederbuch Knurrhahn verbreitet und auch in studentische Komersbücher aufgenommen. Heute gehört es zum Standardrepertoire der maritimen Musik.

Seinen Erfolg verdankt das Lied nicht nur der flotten Melodie, sondern auch dem Text, der mit bissigem Spott, man könnte auch Galgenhumor sagen, denn die Mannschafft musste ja mit dem Schiff in See stechen, den Kapitän und den Zustand des besungenen Schiffs schildert.

Das Schiff muss wohl in einem erbärmlichen Zustand sein, denn direkt in der ersten Strophe, heißt es (in Hochdeutsch):

Ich habe mal einen Hamburger Viermaster gesehen
To my hooda! To my hooda!
Die Masten waren so schief wie die Beine des Seemanns.
To my hoo-da! hoo-da, hoo-da ho!
Los, Jungs, segelt nach Kalifornien,
da gibt es reichlich Gold,
wie man mir erzählte,
an den Ufern des Sacramento.

Der » Schipper« bezeichnet den Schiffsführer, sprich: Kapitän. Die Masten des Schiffs waren also so schief wie die Beine des Kapitäns. Trotzdem gehen die Leute an Bord, denn sie wollen nach Kalifornien, denn dort soll es Gold geben. Es war die Zeit des amerikanischen Goldrauschs. Die Matrosen wollen dort ihr Glück suchen und haben auf dem Schiff angeheuert, trotz seines desolaten Zustands. Und so heißt es dann auch in der zweiten Hälfte aller Strophen refrainartig:

Los, Jungs, segelt nach Kalifornien,
da gibt es reichlich Gold,
wie man mir erzählte,
an den Ufern des Sacramento.

Doch das Schiff war in einem schlechten Zustand:

Das Deck war voller Eisen,
voller Dreck und Schmiere.
Das war für die Putzmannschaft
die schönste Freude.
To my hoo-da…

Die Unterkünfte und Verpflegung waren auch nicht zu empfehlen:

Die Kammer war voller Wanzen,
die Schiffsküche voller Dreck.
Der Zwieback fing von selbst
an zu laufen.
To my hoo-da…

Das Salzfleisch war grün
und der Speck war voller Maden.
Schnaps gab es nur
am Weihnachtsabend.
To my hoo-da…

Den Zwieback, der von selbst läuft, schleppt das Ungeziefer davon, was letztlich alles über die Hygiene auf dem Schiff, speziell der Küche und Vorratskammer, aussagt. Schnaps, sprichwörtlich das Lieblingsgetränk der Seeleute, gab es auch nur am Weihnachtsabend. Aber was soll's? Das Gold lockt und das Ziel wird irgendwann erreicht sein. So hoffen es die Matrosen zumindest, denn ihr Vertrauen in das Schiff war wohl nicht allzu groß. Denn

Und wollten wir mal segeln,
ich sage das nur mal.
Dann lief das Schiff drei Meilen vorwärts
und vier wieder rückwärts.
To my hoo-da…

Also Augen zu und durch. Das gilt zumindest für die Matrosen, die auf dem Schiff angeheuert haben. Doch das war wohl nur ein Teil der Mannschaft. Der Rest war wohl auch nicht besser als der Kapitän.

Wie das Schiff,
so war auch der Kapitän.
Die Mannschaft war auch nur
shangheit.
To my hoo-da…

Die Mannschaft war »shangheit«. So nannte man damals das zwangsweise Anheuern von Seeleuten, die an Land betrunken gemacht und dann auf das Schiff verschleppt und unter Deck eingesperrt wurden, bis das Schiff auf hoher See war. Wenn die verschleppten Matrosen dann von ihrem Rausch erwachten, waren sie auf See und konnten nicht mehr zurück an Land gehen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Fahrt für einen Hungerlohn mitzumachen. Doch es blieb die Hoffnung:

Los, Jungs, segelt nach Kalifornien,
da gibt es reichlich Gold,
wie man mir erzählte,
an den Ufern des Sacramento.

Tom Borg, 17. Mai 2023

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