Guten Abend, gut' Nacht

Guten Abend, gut' Nacht ist ein seit Beginn des 19. Jahrhunderts bekanntes Gedicht das Johannes Brahms 1868 vertonte. Die zweite Strophe stammt von Georg Scherer, der das Lied 1849 in seine Sammlung »Alte und neue Kinderlieder« aufnahm.

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Musiknoten zum Lied - Guten Abend, gut' Nacht

Guten Abend, gut' Nacht,
mit Rosen bedacht,
mit Näglein besteckt,
schlupf unter die Deck.
Morgen früh, wenn's Gott will,
wirst du wieder geweckt,
morgen früh, wenn's Gott will,
wirst du wieder geweckt.

Guten Abend, gut' Nacht,
von Englein bewacht,
die zeigen im Traum
dir Christkindleins Baum.
Schlaf nun selig und süß,
schau im Traum's Paradies.

Guten Abend, gut‘ Nacht gehört zu den bekanntesten Schlafliedern. Und das nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern dank Johannes Brahms Komposition auch international.

Die erste Strophe erschien erstmals 1808, wie so manche Perle des Volksgesangs, in der von Achim vorn Armin und Clemens Brentano herausgegebenen Textsammlung Des Knaben Wunderhorn (Band 3). Damals unter dem Titel Gute Nacht, mein Kind!.

Bereits acht Jahre früher publizierte Friedrich Schütz in seinem Holsteinischen Idiotikon eine niederdeutsche Textversion, die Brentano als Vorlage für seine Umsetzung ins Hochdeutsche diente:

Godn Abend gode Nacht,
mit Rosen bedacht,
mit Negelken besteeken,
krup ünner de Deeken,
Morgen frö wills God,
wöl wi uns wedder spreeken.

Mit zunehmender Bekanntheit des Lieds geriet der ursprüngliche Titel Gute Nacht, mein Kind! bald in Vergessenheit und wurde durch die erste Zeile »Guten Abend, gute Nacht« ersetzt.

Der große Durchbruch als Wiegenlied gelang Guten Abend, gut‘ Nacht jedoch erst dank der Vertonung des Komponisten Johannes Brahms (1833 - 1897). Brahms komponierte das Wiegenlied im Juli 1868 und widmete es Bertha Faber, die er aus seiner Hamburger Zeit kannte, anlässlich der Geburt ihres zweiten Sohnes. Das Wiegenlied, wie Brahms es nannte, erschien noch im gleichen Jahr im Druck. Allerdings nur mit der ersten Strophe. Die zweite Strophe, die von Georg Scherer stammt, wurde erst später hinzugefügt, nachdem Brahms auf diese hingewiesen wurde. Doch es gestaltete sich schwierig, da Text und Melodie nicht recht zusammenpassten. Erst Ende 1873 fand Guten Abend, gut‘ Nacht seine Vollendung in der heute bekannten Form.

Neben Brahms griffen auch andere Komponisten den Text auf und schufen eigene Vertonungen. Doch keine davon erlangte die Bekanntheit und Bedeutung, die Brahms Meisterwerk vergönnt war. Guten Abend, gut‘ Nacht blieb bis heute der Inbegriff des kindlichen Schlaf- und Wiegenlieds. Umso erstaunlicher ist es, dass es gar nicht so viele Tonträger mit dem Lied gibt, wie man eigentlich vermuten könnte. Das Lied wird wohl viel lieber gesungen als gehört.

Tom Borg, 6. August 2023

Schlafen mit Rosen und Näglein?

Obwohl Guten Abend, gut‘ Nacht zu den bekanntesten Liedern in Deutschland gehört, gibt es immer wieder Irritationen und Fragen bezüglich des Textes. »Mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt«? Ist das der richtige Text, um ein Kind in den Schlaf zu wiegen? Auf den ersten Blick eher nicht. Und in der Tat wurde schon wenige Jahre nach der Veröffentlichung in In des Knaben Wunderhorn darüber diskutiert, ob das Lied in der Abteilung »Kinderlieder« wirklich gut aufgehoben oder eher fälschlich dort eingefügt wurde.

Auch die aus dem Spätmittelalter stammende Pflanzenmetaphorik ist heute nicht mehr auf den ersten Blick verständlich. Wurden damals etwa Kinder mit Nägeln ins Bett gesteckt? Nein, natürlich nicht. Der Begriff »Näglein« ist eine alte, damals gebräuchliche, Bezeichnung für die Gewürznelke. Diese wurde früher in der Tat mit ins Bett genommen, weil deren ätherische Öle vor Krankheiten und Ungeziefer schützen sollten, denn mit der allgemeinen Hygiene war es damals noch etwas schwieriger als heute.

Als ebenso harmlos entpuppen sich die Worte »wenn's Gott will, wirst du wieder geweckt«. Denn Gott würfelt sicherlich nicht jede Nacht, um zu entscheiden, wer weiterleben darf und wer nicht. Es ist auch keine Einschüchterung für das Kind, damit es brav ein Gebet spricht, sondern die damals übliche Demutsbezeugung der Menschen gegenüber Gott. Sie erkennt an, dass unser Schicksal in Gottes Hand liegt – ohne dass dieser nun grausam jede Nacht die Details unseres Lebens auswürfelt. »wenn's Gott will, wirst du wieder geweckt« impliziert, dass Gott uns Menschen liebt und beschützt weil er es kann. Dazu passt auch die Zeile »von Englein bewacht« in der zweiten Strophe. Wie nun aber die Wendung von den Engeln hin zu »die zeigen im Traum dir Christkindleins Baum« zustande kam, ist nicht nachzuvollziehen.

Die beiden letzten Zeilen »Schlaf nun selig und süß, schau im Traum’s Paradies« führen wieder zurück zu unserem Alltag, denn Experten für Schlaf- und Traumforschung sind sich einig: Träume spiegeln Erfahrungen aus dem Alltag wider. Die Dinge, die uns wichtig sind, kommen auch im Traum vor. In unserer christlichen Gedankenwelt wiederum spielt das Paradies eine wichtige Rolle. Es ist das Symbol für perfekte Harmonie und Glück, wie es auch die Metapher vom »Paradies auf Erden« ausdrückt. Das Kind soll keine schaurigen Albträume haben, sondern schöne Träume – eben paradiesische Gedanken, damit es wohlerholt am Morgen wieder aufwacht.

Claudia Nicolai, 8. August 2023

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