Es stand eine Linde im tiefen Tal,
war oben breit und unten schmal.
Worunter zwei Verliebte saßn,
und die vor Freud ihr Leid vergaßn.
"Feins Liebchen, wir müssen von einander,
ich muß noch sieben Jahr wandern."
"Mußt du noch sieben Jahr wandern,
heirat ich mir keinen Andern."
Und als die siebn Jahr umme warn,
sie meinte, ihr Liebchen käme bald.
Sie ging wohl in den Garten,
ihr Feinslieb zu erwarten.
Sie ging wohl in das grüne Holz,
da kam ein Reiter geritten stolz.
"Gott grüß dich, du Hübsche, du Feine!
was machst du hier alleine?
Ist dir dein Vater oder Mutter gram,
oder hast du heimlich einen Mann?"
"Mein Vater und Mutter ist mir nicht gram,
ich hab auch heimlich keinen Mann.
Heut sinds drei Wochen über sieben Jahr,
daß mein Feinsliebchen ausgewandert war."
"Gestern bin ich geritten durch eine Stadt,
da dein Feinsliebchen hat Hochzeit gehat.
Was tust du ihm denn wünschen an,
daß er seine Treu nicht gehalten hat?"
"Ich wünsch ihm all das Beste,
so viel der Baum hat Äste.
Ich wünsch ihm so viel gute Zeit,
so viel als Stern am Himmel sein.
Ich wünsch ihm so viel Glück und Segen,
als Tröpflein, die vom Himmel regnen."
Was zog er von dem Finger sein?
ein Ring von rotem Golde fein.
Er warf den Ring in ihren Schooß,
sie weinte, daß das Ringlein floß.
Was zog er aus seiner Taschen?
ein Tuch, schneeweiß gewaschen.
"Trockn ab, trockn ab dein Äugelein,
du sollst fürwahr mein eigen sein!
Ich tät dich ja nur versuchen,
ob du würdst schwören oder fluchen.
Hättst du einen Fluch oder Schwur getan,
so wär ich gleich geritten davon."