Der Tod und der Trinker

(Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben?)

ist ein Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing aus dem Jahre 1747 das auf eine Volksweise des 18. Jahrhunderts gesungen wird.

  • Text
  • Download

Downloadformate

Musiknoten zum Lied - Der Tod und der Trinker

Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
stellt euch mein Ent setzen für:
gestern kam der Tod zu mir.

Drohend schwang er seine Hippe,
drohend sprach das Furchtgerippe:
"Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!"

"Lieber Tod", sprach ich mit Tränen,
"Solltest du nach mir dich sehnen.
Sieh, da steht Wein für dich!
lieber Tod, verschone mich!"

Lächelnd greift er nach dem Glase,
lächelnd macht' er's auf der Base,
auf der Pest Gesundheit leer;
lächelnd setzt er's wieder her.

Fröhlich glaub' ich mich befreiet,
bis er schnell sein Drohn erneuet:
"Narr, für einen Tropfen Wein,
denkst du, spricht er, los zu sein?"

"Tod", bat ich, "ich möcht' auf Erden
gern ein Mediziner werden.
Laß mich, ich verspreche dir
meine Kranken halb dafür!"

"Gut, wenn das ist, magst du leben!"
Ruft er, "nur sei mir ergeben!
Lebe, bis du satt geküßt
und des Trinkens müde bist!"

"O wie schön klingt dies den Ohren!
Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Brüderschaft!

Ewig muß ich also leben,
ewig denn, beim Glas der Reben!
Ewig soll mich Lieb' und Wein,
ewig Wein und Lieb' erfreun!"

 Top