Der Mai ist gekommen

Emanuel Geibel schuf 1841 das Frühlingsgedicht »Der Mai ist gekommen«, das 1842 von Justus Wilhelm Lyra nach einer alten Volksweise vertont wurde. Populär als Frühlings- und Wanderlied wurde es schon bald nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1843.

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Musiknoten zum Lied - Der Mai ist gekommen

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus.
Da bleibe wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus.
Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt,
so steht auch mir der Sinn in die Weite, weite Welt.

Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt'!
Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht.
Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert;
es gibt so manchen Wein, den nimmer ich probiert.

Frisch auf drum, frisch auf im hellen Sonnenstrahl,
wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal!
Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all-
mein Herz ist wie 'ne Lerche und stimmet ein mit Schall.

Und abends im Städtchen, da kehr' ich durstig ein:
Herr Wirt, mein Herr Wirt, eine Kanne blanken Wein!
Ergreife die Fiedel, du lustiger Spielmann du,
von meinem Schatz das Liedel, das sing' ich dazu.

Und find ich keine Herberg', so lieg' ich zur Nacht
wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht.
Im Winde, die Linde, die rauscht mich ein gemach,
es küsset in der Früh' das Morgenrot mich wach.

O Wandern, o wandern, du freie Burschenlust!
Da wehet Gottes Odem so frisch in der Brust;
da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt:
Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt!

Der Mai ist gekommen ist das wohl bekannteste deutsche Mailied. Gedichtet hat es Emanuel Geibel (1815-1884) im Jahr 1841.

Was auf den ersten Blick nach einem reinen Frühlingslied aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung der Lebensumstände des Dichters als Ausdruck seiner damaligen Gemütsverfassung. Geibel, der Sohn eines Pastors, studierte zunächst klassische Philologie in Bonn und Berlin und kehrte dann, im Jahr 1841, in seine Heimatstadt Lübeck zurück. In der Erwartung der Reise und dem Wiedersehen der Heimat skizzierte er das Gedicht: Der Mai ist gekommen, das er vermutlich erst in Lübeck vollendete. Die Quellen hierzu widersprechen sich teilweise. »Wanderlied«, so der erste Titel des Gedichts, spiegelt die Empfindungen eines jungen Mannes, den es hinaus zieht in die Welt, der sich auf eine Reise freut, die für ihn der Frühling des Lebens ist.

Die Melodie komponierte Justus Wilhelm Lyra (1822-1882), der später Pastor wurde, 1842. Ein Jahr später war sie zusammen mit Geibels Text in der Studentenliedersammlung »Deutsche Lieder nebst ihren Melodien« enthalten. Dadurch verbreitete sich das Lied in Studentenkreisen und erlangte recht schnell größere Bekanntheit. Kein geringerer als Hoffmann von Fallersleben soll die Anregung zu dem Liederbuch gegeben haben, das Lyra gemeinsam mit Rudolph Löwenstein und Hermann Schauenburg zusammenstellte. Schauenburg? Richtig, jenes Liederbuch gilt als Vorläufer des »Allgemeinen Deutschen Komersbuch«.

Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts gilt Der Mai ist gekommen als das Frühlingslied schlechthin. Es ist noch heute fester Bestandteil des Repertoires nicht nur von Chören und Gesangsvereinen, sondern wird auch heute noch als Frühlings- und Wanderlied in Kindergärten und Grundschulen gesungen. Schließlich entdeckt die neue Liebe zur Natur auch einige ältere Lieder wieder neu. In ländlichen Gegenden, wo Tradition schon immer hochgehalten wurde, ist der 1. Mai bis heute ein Anlass zum Feiern und Singen. Da stimmt auch die Jugend am Vorabend des 1. Mai ein fröhliches Der Mai ist gekommen mit an.

Justus Wilhelm Lyras Melodie blieb bis heute die bekannteste Vertonung des Gedichts Der Mai ist gekommen. Und dass, obwohl der Auftakt auf den ersten Blick etwas unrhythmisch erscheint. Er wurde im Laufe der Zeit einfach zurechtgesungen, indem man aus dem ersten Wort der ersten beiden Zeilen ein zweisilbiges Wort machte: "De-er" (Mai) und "Da-a". Doch wen interessiert diese Formalie. Der Mai steht vor der Tür, der Frühling lockt und die Natur blüht auf - Mensch auch.

Tom Borg, 11. April 2023

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