Ave Maria zart ist das bekannteste Kirchenlied des deutschböhmischen Kantors, Komponisten und Gesangbuchherausgebers Johann Georg Franz Braun (vor 1630-1678). Veröffentlicht wurde es 1675 in Brauns Sammlung »Echo Hymnodiae Coelestis«, wo es unter den Adventsliedern zu finden ist. Mit leicht modernisiertem und auf vier Strophen gerafften Text wurde es im katholischen Gesangbuch Gotteslob unter der Nummer 527 aufgenommen.
Abweichend von der Version im Gotteslob werden hier alle fünf Strophen wiedergegeben, denn Ave Maria zart gilt zwar als Advents- und Weihnachtslied, kann aber auch das ganze Jahr über gesungen werden, denn es erzählt die ewig gültige Geschichte der Verkündigung Jesu durch den Erzengel Gabriel und seine Menschwerdung.
Mit Worten »Ich grüße dich zur Stund mit Gabrielis Mund« wird Maria angesprochen und ihr mitgeteilt: »Du hast des Höchsten Sohn Maria rein und schon in deinem keuschen Schoß getragen«. Es ist die altbekannte biblische Geschichte, die doch immer wieder neu fasziniert, weil sie uns so unglaublich vorkommt. Und auch Johann Georg Franz Braun spart nicht an Symbolik in seinem Text. So wird gleich im ersten Vers des Liedtextes mit »Ave Maria zart du edler Rosengart« eine Verbindung zwischen Maria und Rosen hergestellt, die uns auch in anderen Liedern wie Es ist ein Ros entsprungen> und Maria durch ein Dornwald ging begegnet. Und auch das Bild der »Lilien weiß ganz ohne Schaden« in der ersten Strophe symbolisiert die Jungfräulichkeit Marias.
Diese Symbolik und die Aussage des Liedtextes sind zeitlos, auch wenn im Laufe der Zeit mehrfach versucht wurde, Text und Rhythmus etwas zu modernisieren. Doch bereits im 19. und 20. Jahrhundert begann eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Version was zur Folge hatte, dass einige der Modernisierungen dezent wieder zurückgenommen wurden.
Ave Maria zart gehört sicherlich nicht zu den Liedern, die in der Weihnachtszeit in den Radiosendern rund um die Uhr gespielt werden. Doch es gibt anmutig und gefühlvoll wie kaum ein anderes Advents- und Weihnachtslied die Verkündigung Mariens wieder. Es ist kein Jubelgesang, sondern ein Lied zum genießen.
Tom Borg, 10. Oktober 2023