Es kommt ein Schiff, geladen

Eines der ältesten deutschsprachigen Weihnachtslieder

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Musiknoten zum Lied - Es kommt ein Schiff, geladen

Es kommt ein Schiff,
geladen bis an sein' höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
des Vaters ewig's Wort.

Das Schiff geht still im Triebe,
es trägt ein’ teure Last;
das Segel ist die Liebe,
der Heilig’ Geist der Mast.

Der Anker haft' auf Erden,
da ist das Schiff am Land.
Das Wort tut Fleisch uns werden,
der Sohn ist uns gesandt.

Zu Bethlehem geboren
im Stall ein Kindelein,
gibt sich für uns verloren;
gelobet muß es sein.

Und wer dies Kind mit Freuden
umfangen, küssen will,
muß vorher mit ihm leiden
groß’ Pein und Marter viel,

danach mit ihm auch sterben
und geistlich aufersteh’n,
ewig’s Leben zu erben,
wie an ihm ist gescheh’n.

Maria, Gottes Mutter,
gelobet musst du sein.
Jesus ist unser Bruder,
das liebe Kindelein.

Der adventliche Choral Es kommt ein Schiff, geladen ist nicht nur eines der bekanntesten Advents- Weihnachtslieder, sondern auch eines der ältesten.

Lange Zeit wurde es dem mittelalterlichen Mystiker Johannes Tauler (1300–1361) zugeschrieben und von einer späteren Überarbeitung durch Daniel Sudermann ausgegangen, da dieser in einer Anmerkung auf Tauler verwies. Die Liedforschung konnte diese Herkunft jedoch nicht belegen. Vielmehr verweisen spätmittelalterliche Handschriften aus Frauenklöstern darauf, dass der Text erst im 15. Jahrhundert entstanden ist. Als Herkunft wird das Elsass vermutet. Sichere Quellen hierzu gibt es nicht. Wohl aber eine Handschrift um 1450, die vermutlich aus dem Straßburger Inselkloster St. Nikolaus stammt. Dort ist Johannes Tauler 1361 gestorben. Vielleicht hat einer seiner Schüler das Lied nach seinem Tod aufgeschrieben.

Die Melodie ein unbekannten Verfassers ist erstmals im »Andernacher Gesangbuch« (Köln 1608) nachgewiesen.

Im Jahre 1626 lieferte Daniel Sudermann eine Überarbeitung des Textes in »Etliche Hohe geistliche Gesänge« (Straßburg 1626, 8. Blatt F) und gab zugleich den Hinweis auf Johannes Tauler als Verfasser des Ausgangstextes, den er ›etwas verständlicher gemacht‹ hatte. Dies mag durchaus hilfreich sein, denn das Symbol beladene Lied verwendet für seine Aussagen das Motiv des Schiffs und einige seiner Bauteile.

Das Schiff war seit jeher ein Sinnbild für die Begegnung zweier Welten. Es überwindet weite Meere und Entfernungen. Damit verbunden sind natürlich auch Gefühle. Ein Schiff kommt - das heißt: seine Ankunft wird erwartet. Sehnsüchte, Bedüfnisse und Hoffnungen sind damit verbunden. Der eine wartet auf eine für ihn wertvolle Fracht, der andere vielleicht auf einen Freund oder ein Familienmitglied. Die Ankunft eines Schiffs ist immer ein aufregender Moment. Es verbinden zwei Welten: die Ferne und das Hier - oder auch Himmel und Erde, Gottes Reich und unser Jammertal.

Symbolik

Die Melodie übernimmt die zweigeteilte Welt des Schiffs-Motivs: Die erste Hälfte ist im wogenden Dreiertakt gesetzt, während die zweite Hälfte im ruhig schreitenden Zweiertakt daher kommt.

Diese Teilung setzt sich auch im Text fort. Obwohl die ersten drei Strophen durch das Symbol des Schiffs miteinander verbunden sind, ist jede von ihnen erneut geteilt: Die erste Hälfte beschreibt jeweils das Schiff, das da auf uns zukommt:

1. Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein höchsten Bord

2. Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last

3. Der Anker haft auf Erden, da ist das Schiff an Land

Die zweite Hälfte der Strophen erklärt uns das Bild, das die erste Hälfte gezeichnet hat:

1. trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewig Wort

2. das Segel ist die Liebe, der heilig Geist der Mast.

3. Das Wort will Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.

Das vollbeladene Schiff trägt eine wertvolle Fracht: Gottes Sohn. Vorangetrieben wird es von der Liebe als Segel die vom Heiligen Geist als Mast gehalten werden.

Der Anker, mit dem das Schiff fest macht, ist das Wort Gottes, der seinen Sohn gesandt. Auch hier verbindet das Schiff zwei Welten: Himmel und Erde. Gott wirft Anker in unserer Welt, er macht bei uns fest.

In den Strophen 4 bis 6 wird die Symbolik deutlich schwächer. Nun wird klar ausgesprochen, dass "Zu Bethlehem geboren im Stall ein Kindelein", das sich für uns aufopfern soll, es »gibt sich für uns verloren«. Es folgt der Ausblick »wer dies Kind mit Freuden umfangen, küssen will, muss vorher mit ihm leiden«. Nur, wer mit ihm stirbt, kann »geistlich auferstehn« und »das ewig Leben erben«.

Damit endet die Fassung des Evangelischen Gesangbuch von 1996. Es lässt offen, wofür das Bild des Schiffs steht. Im katholischen Gotteslob gibt es hingegen eine 7. Strophe - und die löst das Rätsel auf:

Maria, Gottes Mutter,
gelobet musst du sein,
Jesus ist unser Bruder,
das liebe Kindelein.

Hierbei scheint es sich jedoch um eine jüngere, angepasste Version zu handeln. Es gibt auch eine ältere Fassung. Sie lautet:

Maria, Gottes Mutter,
gelobet musst du sein,
du edle Königinne,
der Engel heller Schein.

Beide Varianten verdeutlichen jedoch, worum es geht: Maria ist das Schiff, die uns als ihr Kind Gottes Sohn bringt.

Gelegentlich steht auch als Herkunftsangabe unter Es kommt ein Schiff, geladen der Hinweis: »Nach einem Marienlied aus Straßburg«.

Tom Borg, 19. Dezember 2016

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