Ist das "Volkslied" eine Musikgattung, eine Sparte in der musikalischen Landschaft? Wohl kaum, obwohl es heute oft so dargestellt wird. Volksmusik hatte lange Zeit seinen eigenen Charakter und Jahrzehnte lang auch seinen eigenen Sound; denn über lange Zeit waren volkstümliche Lieder sich von Klang her alle irgendwie ähnlich. So ähnlich, das daraus eine eigene relativ eng begrenzte Zunft entstand, die neben anderen Musiksparten dahinvegetierte und mit einem altmodischen Image belastet war.
Dabei ist Volksmusik de facto keine eigene Musikrichtung, sondern vielmehr - wie der Name es ausdrückt - Musik vom Volk, entstanden aus dem Volk heraus, das früher deutlich öfter und leidenschaftlicher sang. Das will nicht heißen, dass heute lustlos gesungen wird. Nein, vielmehr, dass in Zeiten der allerorten präsenten MP3-Player und Handies fröhlich mit den Songs aus den Playern mitgesungen wird. Es ist also im wesentlich ein mit- und nachsingen bekannter Lieder.
Ein paar Jahrhunderte vor unserer Zeit war genau dies anders. Da sangen die Menschen munter froh los, wie ihnen der Schnabel gewachsen war und texteten dazu, was ihnen gerade auf dem Herzen lag. Und war man in geselliger Runde, so setzte nicht selten einer das Lied fort, das ein anderer angestimmt hatte. Mit Melodie und Rhythmus nahm man es nicht so genau wie heute, wo ein Lied mit ein paar Beats pro Minute mehr oder weniger für eingeschworene Fans bereits regelrecht schräg klingt.
Damals gab es halt noch kein kommerzielles Musikempfinden. Musik wurde nicht in erster Linie gemacht, um damit Geld zu verdienen. Es gab in der Regel auch keine Niederschrift von Melodien und Texten. Dass die Lieder dennoch Verbreitung fanden, lag an der Reiselust der Menschen, vor allem der Handelsleute und Handwerker, die von einer Stadt in die andere zogen und munter ihre Liedchen sangen. Wer es hörte und sich davon angezogen fühlte, der sang mit und trug das Lied weiter. Allerdings so wie es nun einmal beim Hören und weitergeben üblich ist, erfuhren die Melodien und Texte bei jeder Weitergabe kleinere Änderungen und entwickelten sich weiter. So kommt es, dass heute viele Lieder mit verschiedenen ähnlichen Melodien existieren. Allen gemeinsam ist: Sie kommen aus dem Volk. Sie wurden nicht extra für das Volk erfunden und es gab keine Vorgabe dafür wie ein Lied zu klingen hat - abgesehen davon, dass es dem Sänger und seinen Zuhörern gefallen sollte.