Volkslied

Volkslieder der Völker

Volkslieder sind keine auf Deutschland beschränkte kulturelle Errungenschaft. Es gibt sie überall auf der Welt bei allen Völkern. Allerdings zeigen die Volkslieder der verschiedenen Nationen ihre besonderen Physiognomien, auf Grund der Sprachen, Schicksale , der geographischen Lage, Landesbeschaffenheit und Kultur. So unterscheiden sich zum Beispiel die deutschen und nordischen tiefer beseelten von den tiroler und schweizerischen Weisen, die gleichsam als ein lebensvolles Ausströmen der Alpenluft erscheinen und daher im "Jodler" schwelgen, ein meist textloses tonliches Jauchzen mit häufigem Springen aus der sonoren Brust- in die hohe Kopf- oder Falsettstimme. Gemeinsam unterscheiden sich diese Lieder mit den süßmelodischen und sinnlich reizenden Melodien der Italiener ebenso wie von den leicht graziösen, glatten der Franzosen, welche alle sich wieder von den scharf rhythmisierten der Magyaren unterscheiden. Das echt russische Volkslied ist dagegen bald von sanfter Melancholie, bald von kindlicher Lustigkeit. Dieser melancholische Zug findet sich oft, wo das Volk leidet, sei es im äußern Mangel oder in Knechtschaft und Sehnsucht nach Befreiung. So weichen zum Beispiel viele tief empfundene Weisen der einst unterjochten Irländer und Schotten, welche durch die wandernden Barden manches Gemeinsame erhielten, von den freier klingenden Volksweisen der Engländer auffallend ab.

Die Völker sangen, wonach ihnen zumute war, was sie fühlten; schufen Weisen, die ihrer Volksseele entsprachen und dem Volksempfinden Ausdruck verliehen. Darin gleichen sich alle Völker und Kulturen. Die Volkslieder der einzelnen Kulturregionen spiegeln die Erlebnisse und die Gedankenwelt ihrer Region wider. Dabei sind sie jedoch nicht auf nationale Grenzen bezogen, die sich ohnehin im Laufe der Jahrhunderte laufend änderten, sondern orientieren sich an ethnischen Verbreitungsgebieten. Dennoch gibt es auch spezielle nationale Lieder. Diese meist politischen angehauchten Nationallieder pflegen, charakteristischerweise, die innere Seite, die gemütliche individuelle Empfindung, nicht hervorzukehren. Vielmehr ist ein gewisser pathetischer, fast offiziell zu nennender Zug ihnen eigen: die Persönlichkeit wird Allgemeinheit.

In geografisch begrenzten Lebensräumen, in schwer zugänglichen Gebieten, haben die Menschen hingegen bis heute ihre Jahrhunderte alte Kultur einschließlich mündlich überlieferter Volkslieder bewahrt. Dort ist die Bezeichnung Volkslied noch wörtlich zu nehmen in dem Sinne, dass dort tatsächlich nur die Lieder des entsprechenden Volkes gesungen werden. Unterdessen fand in den Ländern die regen Kontakt mit Nachbarländern pflegen, auch auf kultureller Ebene ein Austausch statt, der dazu führte, dass einige Lieder des einen Kulturkreises vom anderen angenommen und nach und nach in das eigene Volksliedgut integriert wurde. Die Deutschen erweisen sich auch hier als kosmopolitisch, indem sie viele fremde Volksweisen adoptieren. Die russische "Schöne Minka" ist fast eine deutsche geworden und das italienische fromme Lied "O sanctissima" wird von den Deutschen äußerst selten mit deutschem sondern mit dem lateinischen Text gesungen. In früheren Zeiten eignete man sich sogar Nationallieder an wie das englische "God save the king", das sich auch in Deutschlad lange einer großen Verbreitung erfreute, so wie auch "Rule Brittania" oder die französische "Marseillaise" gleichfalls in Deutschland aufgenommen wurden.

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