Volkslied

Erste Volksdichter und -sänger

Die ersten Volksdichter und -sänger, welche das weltliche Lied verbreiteten, indem sie von Dorf zu Dorf, von Hof zu Hof zogen, überall ihre Weisen vortragend, hießen in Frankreich "romanciers", "conteurs" oder "Jongleurs", in Deutschland "Fahrende", in England "minstrels". Sie waren diejenigen, welche den weltlichen Gesang aufrechterhielten, als die Kirche das Volk immer mehr von der Teilnahme am Kirchengesange ausschloss. Anfänglich dürften sich die Fahrenden noch mit Kirchenliedern beschäftigt haben, bald jedoch überwog der weltliche Gesang, die epische Erzählung und der Ritterroman.

Wie reich und vielseitig schon zu Karls des Großen Zeit der Volksgesang war, beweist, daß der Kaiser von seinem Geschichtsschreiber Einhard eine Sammlung der gebräuchlichsten Lieder anlegen ließ.

Die frühesten weltlichen Lieder waren außer historischen und Liebesliedern auch Schlachtengesänge, Lob- und Ehrenlieder, Spottgedichte, Trauergesänge u. a.

Unter den epischen Gesängen sind als älteste das "Rolandslied" und das "Ludwigslied" (Preisgesang auf Ludwig III. von Frankreich nach seinem Sieg über die Normannen) zu nennen. Doch auch an Liedern lyrischen Inhalts fehlte es nicht, denn, wie Uhland sagt, "solange es nicht eine greise Jugend gibt, wird stets das Liebeslied die Blume der Lyrik sein".

Was das Volkslied vollkommen naiv geschaffen hatte, wurde von den gebildeten Ständen aufgenommen, veredelt und nach künstlerischen Gesetzen behandelt. So entstand das Kunstlied, welches in Frankreich von einem vornehmen Sängerstande, den Troubadours und Trouveres, und, von dort ausgehend, in Deutschland durch die Minnesänger gepflegt wurde. Eine vermittelnde Stellung zwischen dem Volksliede und diesem Kunstliede nahmen die Fahrenden, die Gaukler und Spielleute ein.

Gegen Ende des 11. Jahrhunderts hatte der Ritterstand durch das Turnierwesen einen mächtigen Aufschwung genommen und an den Höfen der Kaiser, Könige und Fürsten entfaltete sich ein glänzendes Treiben reger Geselligkeit, in dessen Gefolge der Frauendienst eine hohe kulturelle Bedeutung erreichte. Sitte und Anstand wurden gepflegt und das Leben der vornehmen Ritter spielte sich in den Grenzen streng höfischer Formen ab.

Der Ritterstand übernahm jetzt auch die Pflege der schönen Künste, welche bisher nur in den Händen der Geistlichen gelegen war. Vor allem aber trug die erschütternde Bewegung der Kreuzzüge, die so viel edle Begeisterung entfesselte und der Dichtkunst in der Erzählung der Fahrten, Kämpfe und Erlebnisse, sowie in der Schilderung des farbenprächtigen Orients so viel neue Anregung brachte, nicht wenig dazu bei, in der Ritterschaft die Liebe zur Dicht- und Sangeskunst zu nähren.

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