Üb immer Treu und Redlichkeit

Üb immer Treu und Redlichkeit dichtete Ludwig Heinrich Christoph Hölty 1775 unter dem Titel »Der alte Landmann an seinen Sohn«. Gesungen wird das Lied auf eine Melodie von Wolfgang Amadeus Mozart.

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Musiknoten zum Lied - Üb immer Treu und Redlichkeit

Üb immer Treu und Redlichkeit
bis an dein kühles Grab,
und weiche keinen Finger breit
von Gottes Wegen ab.

Dann wirst du, wie auf grünen Au'n,
durchs Pilgerleben gehn;
dann kannst du, sonder Furcht und Graun,
dem Tod ins Auge sehn.

Dann wird die Sichel und der Pflug
in deiner Hand so leicht;
dann singest du beim Wasserkrug,
als wär dir Wein gereicht.

Dem Bösewicht wird alles schwer,
er tue was er tu;
der Teufel treibt ihn hin und her
und läßt ihm keine Ruh.

Der schöne Frühling lacht ihm nicht,
ihm lacht kein Ährenfeld;
er ist auf Lug und Trug erpicht
und wünscht sich nichts als Geld.

Der Wind im Hain, das Laub im Baum
saust ihm Entsetzen zu;
er findet nach des Lebens Traum
im Grabe keine Ruh.

Dann muß er in der Geisterstund
aus seinem Grabe gehn
und oft, als schwarzer Kettenhund,
vor seiner Haustür stehn.

Die Spinnerinnen die, das Rad
im Arm, nach Hause gehn,
erzittern wie ein Espenblatt,
wenn sie ihn liegen sehn.

Und jede Spinnestube spricht
von diesem Abenteuer
und wünscht den toten Bösewicht
ins tiefste Höllenfeuer.

Der alte Kunz war bis ans Grab
ein rechter Höllenbrand:
Er pflügte seinen Nachbar ab
und stahl ihm vieles Land.

Nun pflügt er als ein Feuermann
auf seines Nachbars Flur
und mißt das Feld hinab hinan
mit einer glühnden Schnur.

Er brennet, wie ein Schober Stroh,
dem glühnden Pfluge nach
und pflügt und brennet lichterloh
bis an den hellen Tag.

Der Amtmann, der die Bauern schund,
in Wein und Wollust floß,
trabt nachts, mit seinem Hühnerhund
im Wald auf glühndem Roß.

Oft geht er auch am Knotenstock
als rauher Brummbär um
und meckert oft als Ziegenbock
im ganzen Dorf herum.

Der Pfarrer, der aufs Tanzen schalt
und Filz und Wuchrer war,
steht nachts als schwarze Spuckgestalt
um zwölf Uhr am Altar.

Paukt dann mit dumpfigem Geschrei
die Kanzel, daß es gellt,
und zählet in der Sakristei
sein Beicht- und Opfergeld.

Der Junker, der bei Spiel und Ball
der Witwen Habe fraß
kutschiert, umbraust von Seufzerhall
zum Fest des Satanas.

Im blauen Schwefelflammenrock
fährt er zur Burg hinauf.
Ein Teufel auf dem Kutschenbock,
zwei Teufel hinten auf.

Sohn, übe Treu und Redlichkeit
bis an dein kühles Grab,
und weiche keinen Finger breit
von Gottes Wegen ab!

Dann suchen Enkel deine Gruft
und weinen Tränen drauf;
und Sommerblumen, voll von Duft
blühn aus den Tränen auf.

Üb immer Treu und Redlichkeit ist ein Gedicht, das Ludwig Heinrich Christoph Hölty (1748-1776) im Jahr 1775 unter dem Titel »Der alte Landmann an seinen Sohn« veröffentlichte.

Gesungen wird das Lied auf die Melodie »Ein Mädchen oder Weibchen wünscht Papageno sich« aus der Zauberflöte, die Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) im Jahr 1791 veröffentlichte.

Höltys Moralgedicht erinnert daran, immer im Einklang mit den moralischen Prinzipien zu handeln, selbst in schwierigen Situationen, in denen man versucht sein könnte, unehrlich oder untreu zu handeln.

Redlichkeit ist wie Ehrlichkeit ein moralischer Wert, der für die meisten Menschen von hoher Bedeutung ist. Es geht dabei nicht nur darum, die Wahrheit zu sagen und zu handeln, ohne die Absicht zu haben, andere zu täuschen oder zu betrügen. Redlichkeit ist eine vielmehr charakterliche Grundeinstellung, ein Kompass für das eigene Leben, indem man vor sich selbst ebenfalls Rechenschaft ablegt – und nicht nur dann, wenn man kontrolliert wird oder sich rechtfertigen muss. Redlichkeit ist somit umfassender als Ehrlichkeit, denn man kann auch ehrlich sein ohne dabei auch redlich zu sein.

Es ist möglich, dass jemand ehrlich, aber nicht unbedingt redlich ist. Ehrlichkeit bezieht sich darauf, die Wahrheit zu sagen und nicht zu lügen oder zu täuschen. Redlichkeit bezieht sich dagegen auf die Einhaltung von moralischen Prinzipien und Standards, die dazu führen, dass man integer und aufrichtig handelt, und dabei zwangsläufig auch ehrlich ist.

Eine Person kann ehrlich sein und trotzdem nicht redlich, wenn sie versucht, ihre Ziele oder Interessen zu erreichen, indem sie unethische oder illegale Methoden anwendet. In diesem Fall könnte sie zwar ehrlich über ihre Handlungen berichten und auch alle Gesetze einhalten, aber trotzdem gegen moralische Prinzipien verstoßen.

Auf der anderen Seite kann eine Person redlich sein, aber nicht unbedingt immer ehrlich. So kann jemand, der sich strikt an moralische Prinzipien hält, lügen, um eine andere Person zu schützen oder um eine größere Wahrheit zu bewahren. In diesem Fall ist sie zwar nicht ehrlich, handelt aber trotzdem redlich.

Der Ausdruck "Üb immer" könnte dazu verleiten, es als einen Versuch zu betrachten, in der Hoffnung, dass es ab und an auch klappt. Zu Höltys Zeit meinte "Üb immer Treu und Redlichkeit" aber eher "Sei immer treu und redlich".

Und als Rat des alten Landmann an seinen Sohn ist es wohl mehr ein väterlicher und hoffnungsvoller Rat an den Sohn, Treu und Redlichkeit zur Gewohnheit und zu einer Lebensweise zu machen. Ein zeitloser Rat…

Tom Borg, 22. April 2023

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