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Sind Volkslieder noch zeitgemäß?

Ob Volkslieder heute noch zeitgemäß sind, wird oft kontrovers diskutiert. Auf den ersten Blick wirken sie für viele Menschen wie Relikte vergangener Zeiten – Lieder, die nach Schulchor, Heimatmuseum oder Lagerfeuerromantik klingen. Doch gerade diese scheinbar altmodische Schlichtheit macht ihren besonderen Wert aus. Volkslieder sind kulturelle Archive. Sie bewahren Sprache, Geschichten und Stimmungen früherer Generationen, und sie transportieren Werte wie Gemeinschaft, Naturverbundenheit oder Lebensfreude. In einer globalisierten Welt, in der Identität immer fluider wird, können solche kulturellen Anker Orientierung geben.

Zugleich müssen Volkslieder sich der Gegenwart stellen. Manche Texte spiegeln gesellschaftliche Normen wider, die heute nicht mehr akzeptabel sind. Sie unreflektiert zu übernehmen, wäre problematisch. Doch anstatt Volkslieder deshalb vollständig abzulehnen, bietet sich ein bewusster, kritischer Umgang an: Texte können kontextualisiert, angepasst oder kreativ neu interpretiert werden. Viele junge Musikerinnen und Musiker tun genau das und geben traditionellen Liedern moderne Arrangements. Dadurch entstehen spannende Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Ein weiterer Grund, warum Volkslieder weiterhin Relevanz besitzen, liegt in ihrer sozialen Funktion. Sie sind leicht erlernbar, haben eingängige Melodien und eignen sich besonders gut zum gemeinschaftlichen Singen – etwas, das in einer digital geprägten, individualisierten Gesellschaft zunehmend selten wird. Gemeinsames Singen schafft Verbundenheit, fördert emotionale Ausgeglichenheit und stärkt soziale Beziehungen. Gerade in Kindergärten, Schulen oder Chören spielen Volkslieder deshalb eine wichtige Rolle. Sie bieten einen niedrigschwelligen Zugang zu Musik, der unabhängig von Herkunft oder musikalischer Vorbildung funktioniert.

Auch im interkulturellen Austausch eröffnen Volkslieder Chancen. Wenn Menschen aus unterschiedlichen Ländern traditionelle Lieder teilen, entsteht ein Dialog der Kulturen, der Respekt und Neugier fördert. Volkslieder werden damit zu Botschaftern gemeinsamer menschlicher Erfahrungen – von Liebe, Natur, Arbeit oder Jahreszeiten – Themen, die universell verständlich sind.

Volkslieder sind also nicht automatisch zeitgemäß, aber sie können es werden, wenn man sie lebendig hält. Dafür braucht es Offenheit, Kreativität und die Bereitschaft, Tradition nicht als starres Erbe zu betrachten, sondern als wandelbares Gut. Dann können Volkslieder auch heute noch eine bedeutende Rolle spielen: als kulturelle Erinnerung, als musikalische Begegnung und als Mittel, Gemeinschaft in einer zunehmend fragmentierten Welt erlebbar zu machen.

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