Christkind

(Die Nacht vor dem Heiligen Abend)

Die Nacht vor dem Heiligen Abend ist ein weihnachtliches Kinderlied, das Robert Reinick in seinem »ABC-Buch für kleine und große Kinder« unter dem Titel Christkind veröffentlichte.

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Musiknoten zum Lied - Christkind

Die Nacht vor dem Heiligen Abend
Da liegen die Kinder im Traum,
Sie träumen von schönen Sachen
Und von dem Weihnachtsbaum.

Und während sie schlafen und träumen,
Wird es am Himmel klar,
Und durch den Himmel fliegen
Drei Engel wunderbar.

Sie tragen ein holdes Kindlein,
Das ist der heil'ge Christ,
Es ist so fromm und freundlich,
Wie keins auf Erden ist.

Und wie es durch den Himmel
Still über die Häuser fliegt,
Schaut es in jedes Bettchen,
Wo nur ein Kindlein liegt.

Und freut sich über Alle,
Die fromm und freundlich sind,
Denn solche liebt von Herzen
Das liebe Himmelskind;

Wird sie auch reich bedenken
Mit Lust auf's Allerbest,
Und wird sie schön beschenken
Zum morgenden Weihnachtsfest.

Heut' schlafen noch die Kinder
Und seh'n es nur im Traum,
Doch morgen tanzen und springen
Sie um den Weihnachtsbaum.

Das Weihnachtslied Die Nacht vor dem Heiligen Abend ist eines der vielen Gedichte, die der Maler und Dichter Robert Reinick (1805-1852) für Kinder geschrieben hat. Der ursprüngliche Titel lautete »Christkind«. Doch mit dem Titel gibt es verschiedene Lieder, so dass sich die erste Zeile des Liedtextes als Titel eingebürgert hat; zumal diese Zeile ja auch treffender beschreibt, worum es im Lied geht: Die Nacht vor dem Heiligen Abend.

In jener Nacht vor dem Heiligen Abend liegen kleine Kinder oft lange wach in ihren Bettchen und träumen von schönen Sachen unterm Weihnachtsbaum, wie es in der ersten Strophe heißt. Für die Kleinsten ist Weihnachten »eine große Sache«. Doch nicht, weil Jesus vor einer gefühlten Ewigkeit an diesem Tag geboren wurde, sondern weil es ein besonderer Tag im Leben der Kinder ist. Schließlich wird ja auch genug Trubel drumherum gemacht - es wird geschrubbt und geputzt, gebacken und gekocht als sollte die ganze Nachbarschaft eingeladen und bewirtet werden. Das ist bei gutem Nachbarn auch so üblich, doch meist erst am zweiten Weihnachtstag, denn der erste Weihnachtstag ist traditionell ein Familientag wo Kinder ihre Eltern besuchen und gemeinsam mit Geschwistern, Oma und Opa sowie Onkel und Tanten gekocht, geschlemmt und getratscht wird. Vor allem für Freunde und Verwandte, die weit entfernt voneinander wohnen, ist es ein gerne genutzter Anlass für ein großes Familientreffen.

Doch der Heilige Abend, der gehört traditionell den Kindern, denen, die um dem Weihnachtsbaum herumtoben, und dem Kind, das vor zweitausend Jahren zu Bethlehem im Stall geboren wurde. Für viele Christen ein Anlass, um zumindest einmal im Jahr in die Kirche zu gehen. Doch für die Kinder ist es weniger interessant; sie warten darauf dass jetzt endlich das kommt, worauf sie ein ganzes Jahr gewartet haben: die Geschenke und den hell erleuchteten Weihnachtsbaum. Und dann ist es endlich so weit…

Hurra, Weihnachten ist da!

Wenn es dann endlich weihnachtet, möchten alle Kinder sofort in die gute Stube stürmen und nach den Geschenken schauen. Doch, gemach. In früheren Zeiten wie jenen, in denen das Lied Die Nacht vor dem Heiligen Abend entstand, stürmten die Kinder nicht so einfach in die gute Stube. Nein, es hieß Geduld wahren, was auf den letzten Minuten besonders schwerfiel. Dann zu Reinicks Zeiten war es noch üblich, dass das Christkind, das ja offiziell die Geschenke bringt, sich reichlich Zeit ließ mit dem Kommen und dem Anzünden der Kerzen. Damals saßen die Kinder oft in einem Nebenzimmer oder warteten draußen bis irgendwann das Christkind mit seinem Glöckchen läutete – und alle Kinder zur guten Stube rannten. Dort stand dann der Weihnachtsbaum in voller Pracht, die Kerzen brannten, und im ganzen Raum war eine feierliche Atmosphäre spürbar; darauf hatten die Kinder das ganze Jahr gewartet.

Doch Pustekuchen, nichts war's mit losrennen und Geschenke auspacken. Zuerst musste noch gesungen und eventuell ein Gedicht aufgesagt werden. Doch dann ging es los – Geschenk für Geschenk, überreicht von Mama oder Papa. Denn auf jedem Geschenk war der Name des Empfängers notiert. Und so zog sich bei zwei oder mehr Kindern der Geschenkereigen eine ganze Weile hin. Schließlich bekamen Mama und Papa auch etwas vom Christkind. Doch irgendwann waren alle Geschenke verteilt und die Kinder probierten ihre Spielsachen aus, während Mama und Papa, und eventuell auch Oma und Opa, entspannt auf dem Sofa Platz nahmen und zu einem Gläschen Wein griffen.

Ja, Weihnachten anno dazumal konnte ganz schön spannend und anstrengend sein. Aber darauf wartete man auch ein ganzes Jahr, es gab kaum andere Abwechselung. Heute werden Geschenke mal eben so verteilt und damit ist dann der, zumindest gefühlt, wesentliche Teil des Weihnachtsfests erledigt. Doch gerade diese Spannung, das, zumindest gefühlt, ewige Warten darauf, dass es endlich losgeht, war für Kinder jener Zeit ein wesentlicher Teil des Weihnachtsfests gewesen. Vor allem war die Vorfreude auf dieses Fest unvergleichbar größer. Da haben die Kinder die Nacht vor dem Heiligen Abend tatsächlich vor Aufregung kaum einschlafen können und vom nächsten Tag geträumt. Denn damals war Weihnachten noch eine große Sache und die Kinder »sie träumen von schönen Sachen und von dem Weihnachtsbaum« in der Nacht vor dem Heiligen Abend.

Tom Borg, 3. Oktober 2023

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