Auf, auf, ihr Reichsgenossen

Auf, auf, ihr Reichsgenossen nach der Weise »Aus meines Herzens Grunde« bearbeitet von Thomas Selle 1651

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Musiknoten zum Lied - Auf, auf, ihr Reichsgenossen

Auf, auf ihr Reichsgenossen,
eur' König kommt heran:
empfanget unverdrossen
den großen Wundermann.
Ihr Christen, geht herfür,
lasst uns vor allen Dingen
ihm Hosianna singen
mit heiliger Begier.

Auf, ihr betrübten Herzen,
der König ist ganz nah.
Hinweg mit Angst und Schmerzen,
der Helfer ist schon da.
Seht, wie so mancher Ort
hochtröstlich ist zu nennen,
da wir ihn finden können
im Nachtmahl, Tauf' und Wort.

Auf, auf, ihr Vielgeplagte,
der König ist nicht fern.
Seid fröhlich, ihr Verzagte,
dort kömmt der Morgenstern.
Der Herr will in der Not
mit reichem Trost euch speisen,
er will euch Hilf erweisen,
ja, dämpfen gar den Tod.

Nun hört, ihr freche Sünder,
der König merkt darauf,
wenn ihr, verlorne Kinder
in vollem Lasterlauf
auf Arges seid bedacht
und tut es ohne Sorgen,
gar nichts ist ihm verborgen,
er gibt auf alles Acht.

Seid fromm, ihr Untertanen,
der König ist gerecht.
Lasst uns den Weg ihm bahnen
und machen alles schlecht.
Fürwahr er meint es gut,
drum lasset uns die Plagen,
die er uns schickt, ertragen
mit unerschrocknem Mut.

Und wenn gleich Krieg und Flammen
uns alles rauben hin,
Geduld, weil ihm zusammen
gehört doch der Gewinn.
Wenn gleich ein früher Tod
die Lieben uns genommen.
Wohlan, so sind sie kommen
ins Leben aus der Not.

Frisch auf in Gott, ihr Armen,
der König sorgt für euch,
er will durch sein Erbarmen
euch machen groß und reich.
Der an ein Tier gedacht,
der wird euch auch ernähren,
was Menschen nur begehren,
das steht in seiner Macht.

Hat endlich uns getroffen
viel Kreuz, lässt er doch nicht
die, so auf ihn stets hoffen,
mit rechter Zuversicht.
Von Gott kommt alles her,
der lässet auch im Sterben
die Seinen nicht verderben,
sein' Hand ist nicht zu schwer.

Frisch auf, ihr Hochbetrübten,
der König kommt mit Macht.
An uns, sein' Herzgeliebte,
hat er schon längst gedacht.
Nun wird kein Angst und Pein,
noch Zorn hinfür uns schaden,
dieweil uns Gott aus Gnaden
lässt seine Kinder sein.

So lauft mit schnellen Schritten,
den König zu besehn.
Dieweil er kommt geritten,
stark, Herrlich, sanft und schön.
Nun tretet all heran,
den Heiland zu begrüßen,
der alles Kreuz versüßen
und uns erlösen kann.

Der König will bedenken
die, so er herzlich liebt,
mit köstlichen Geschenken,
als der sich selbst uns gibt
durch seine Gnad' und Wort.
Ja, König hoch erhoben,
wir alle wollen loben
dich freudig hier und dort.

Nun, Herr, du gibst uns reichlich,
wirst selbst doch arm und schwach,
du liebest unvergleichlich,
du jagst den Sündern nach.
Drum wollen wir allein
die Stimmen hoch erschwingen,
dir Hosianna singen

Der im heute zu Hamburg gehörenden Stadtteil Ottensen geborene Dichter und evangelisch-lutherische Prediger Johann Rist (1607-1667) veröffentlichte den Text Auf, auf, ihr Reichsgenossen im Jahr 1651. Gesungen wird es auf die Weise »Aus meines Herzens Grunde«, bearbeitet vom ebenfalls aus Hamburg stammenden Lehrer und Kirchenmusiker Thomas Selle (1599-1663). Auch beliebt ist die Bearbeitung von Heinrich Schütz (1585-1672), einem deutschen Komponisten des Frühbarocks, aus dem Jahr 1628.

Die Melodie des Liedes ist feierlich und festlich und auch für ungeübte Sänger leicht zu singen, denn sie ist in einem einfachen Viervierteltakt gehalten und bewegt sich in einem relativ engen Tonumfang und kann auch als Hymne oder Loblied gesungen werden.

Auf, auf, ihr Reichsgenossen ist bis heute ein beliebtes Weihnachtslied, das in vielen Gottesdiensten und Weihnachtsfeiern gesungen wird und zum Repertoire vieler Chöre und Orchester gehört. Und auch in Gottesdiensten wird das Lied gerne gesungen, denn schon die ersten Töne dieses Liedes wecken sofort ein Gefühl der Festlichkeit.

Der Text des Liedes verkündet die frohe Botschaft von Weihnachten und erzählt von der Geburt Jesu Christi und seiner Bedeutung für die Welt. Auf, auf, ihr Reichsgenossen heißt es gleich in der ersten Strophe. Und es folgt der Aufruf an die Christen, sich zu erheben und dem König entgegenzugehen: »eur' König kommt heran: empfanget unverdrossen den großen Wundermann.« Dieser König ist Jesus Christus, der in Bethlehem geboren wurde.

In den weiteren Strophen wird die Geburt Jesu Christi gefeiert und ihre Bedeutung für die Welt betont. Damit erinnert uns dieses Lied daran, dass Weihnachten mehr ist als nur Geschenke und festliches Essen. Es ruft dazu auf, den eigentlichen Sinn des Festes nicht zu vergessen: die Liebe, den Frieden und die Hoffnung, die mit der Geburt Christi in die Welt gekommen sind.

Politisch-religiöser Kulturkampf

Johann Rists geistlich-barocke Worte sind zweifelsohne eine »schwere Kost« für unsere heutige Zeit. Das Weihnachtslied Auf, auf, ihr Reichsgenossen verwendet nicht nur einen für uns heute ungewohnten Sprachstil, sondern verbindet auch seine christliche Botschaft mit einem politischen Kontext. Denn das Lied entstand im 17. Jahrhundert im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges und wurde während einer Zeit politischer Unsicherheit und religiöser Spannungen in Europa populär. In diesem Umfeld will der Text des Liedes eine Aufforderung zum Glauben und zur Einigkeit unter den Gläubigen vermitteln, gleichzeitig aber auch zur Verteidigung des christlichen Glaubens aufrufen.

Die christlich-politische Bedeutung dieses Liedes ist tief verwurzelt, denn während des Dreißigjährigen Krieges stand Europa im Bann von Auseinandersetzungen zwischen katholischen und protestantischen Kräften. In dieser Zeit des Leids und der Zerstörung bot das Lied Auf, auf, ihr Reichsgenossen eine Botschaft der Hoffnung und des Zusammenhalts. Es rief dazu auf, sich gegen Feinde des Glaubens zu vereinen und für die christlichen Werte einzustehen. Ein Unterfangen, das nicht immer einfach war.

Es ist eine Kernbotschaft des Lieds, die Kräfte des Bösen zu bekämpfen und sich für die christliche Sache zu erheben, was auch durch das Wort »Reichsgenossen« unterstrichen wird, während die spirituelle Botschaft zu einem tieferen Glauben und einer stärkeren Verbindung mit Gott aufruft.

Die Bedeutung von Auf, auf, ihr Reichsgenossen reicht aber weit über die Zeit des Dreißigjährigen Krieges hinaus und erinnert uns daran, dass religiöse und politische Ideale auch heute noch miteinander verflochten sind – im Guten wie im Bösen. Damit ist das Lied ein bedeutendes Beispiel für die Verschmelzung von christlicher Botschaft und politischem Engagement in turbulenten Zeiten und hinterlässt eine vielschichtige Botschaft, die auch heute noch zum Nachdenken und zur Reflexion anregt.

Tom Borg, 11. Dezember 2023

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