Ännchen von Tharau

Aus dem samländischen Dialekt in das Hochdeutsche übertragen von Johann Gottfried von Herder (1778) und vertont von Friedrich Silcher.

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Musiknoten zum Lied - Ännchen von Tharau

Ännchen von Tharau ist's, die mir gefällt.
Sie ist mein Reichtum, mein Gut und mein Geld.
Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz
auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz.
Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.

Käm alles Wetter gleich auf uns zu schlahn,
wir sind gesinnt, beieinander zu stahn.
Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein
soll unsrer Liebe Verknotigung sein.
Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.

Recht als ein Palmenbaum über sich steigt,
je mehr ihn Hagel und Regen anficht,
so wird die Lieb in uns mächtig und groß
durch Kreuz, durch Leiden, durch mancherlei Not.
Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.

Würdest du gleich einmal von mir getrennt,
lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt,
ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer,
Eisen und Kerker und feindliche Heer.
Ännchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn,
mein Leben schließ ich um deines herum.

Das deutsche Volkslied Ännchen von Tharau verdankt seine Entstehung einer Hochzeit. Der ostpreußische Dichter Simon Dach (1605-1659) schrieb den Text anlässlich der Hochzeit der Pfarrerstochter Anna Neander, damals im samländischen Dialekt als Ancke van Tharaw

Erstmals gedruckt wurde das Werk mit siebzehn Strophen im Jahr 1642 mit einer Vertonung von Heinrich Alberts (1604-1651) in dessen fünften Heft seiner Arien. Doch ein großer Erfolg war dem Lied anfangs nicht beschieden. Dies änderte sich erst nachdem Johann Gottfried Herder (1744-1803) das Gedicht 1778 ins Hochdeutsche übersetzte und diese Fassung in seine Sammlung Volkslieder aufnahm. Ein Jahr später erschien das Lied in der Vertonung von Karl Siegmund Freiherr von Seckendorff (1744–1785) im Mildheimischen Liederbuch" das heute zu den bedeutendsten Werken seiner Art und Epoche gilt.

Im Jahr 1806 nahmen Achim von Arnim (1781-1831) und Clemens Brentano (1778-1842) die um sieben Strophen verkürzte Textfassung in ihre Sammlung Des Knaben Wunderhorn auf. Doch erst zwanzig Jahre später, nach der Vertonung durch Friedrich Silcher für vierstimmigen Männerchor wurde Ännchen von Thaurau in ganz Deutschland bekannt und gibt heute als eines der schönsten und beliebtesten deutschen Volkslieder.

Anfang des 20. Jahrhunderts fand das Lied auch Eingang in viele Liederbücher der Jugendbewegung, wie Das Wandervogel Liederbuch (1905) und Wandervogel Liederborn (1914), aber auch im Arbeiterliederbuch (1928) und dem Liederbuch für die deutschen Turner (1923) war das Lied enthalten. Nach 1945 war es vor allen in Gebrauchsliederbücher enthalten.

Auf Youtube finden sich viele Aufnahmen, vorwiegend jedoch handelt es sich dabei jedoch um Chorgesänge. Neben Heino und Ronny hat auch Hannes Wader eine Solo-Version eingesungen. Im Jahr 1975 stellte das Schlagertrio Die Flippers eine Aufnahme vor.

Tom Borg, 23. Juni 2023

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