O Tannenbaum, du trägst ein’ grünen Zweig

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Musiknoten zum Lied - O Tannenbaum, du trägst ein’ grünen Zweig

O Tannenbaum, o Tannenbaum,
du trägst ein’ grünen Zweig,
den Winter, den Sommer,
das dau’rt die liebe Zeit.

Warum sollt’ ich nicht grünen,
da ich noch grünen kann?
Ich hab’ nicht Vater noch Mutter
die mich versorgen kann.

Und der mich kann versorgen,
das ist der liebe Gott,
der lässt mich wachsen und grünen,
drum bin ich stark und groß.

O Tannenbaum, du trägst ein’ grünen Zweig ist ein deutschsprachiges Volkslied, das erst in jüngerer Zeit als Weihnachtslied betrachtet wird. Als Volkslied ist es jedoch schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Ein Fragment des Textes ist in dem Lied »Es hing ein Stallknecht seinen Zaum« enthalten, das als Fliegendes Blatt zwischen 1550 und 1580 gedruckt wurde und auch im Ambraser Liederbuch von 1582 zu finden ist (vgl. Joseph Bergmann (Hrsg.): Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Literarischer Verein, Stuttgart 1845, S. 137–138).

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist der Text in zahlreichen Volksliedsammlungen zu finden, jedoch vorwiegend in Mundart. Unter anderem gibt es eine schlesische Textfassung. Sie erschien 1802 in der Berlinischen Monatsschrift veröffentlicht.

O Tonnabaum! o Tonnabaum!
Du bist a edles Reis!
Du grunest in dem Winter,
Os wie zur Summerzeit. –

"Worum soll ich ne gruna,
Do ich noch gruna kånn?
Ich ho wed’r Våter noch Mutter,
Di mich versorga kånn."

Büsching und von der Hagen druckten den Text 1807 in ihrer »Sammlung Deutscher Volkslieder« (Braunes, Berlin 1807, S. 98) nach. Clemens von Brentano übersetzte diese zweistrophige Fassung ins Hochdeutsche und nahm sie 1808 in den dritten Band des Knaben Wunderhorn auf (vgl. Achim von Arnim, Clemens Brentano (Hrsg.): Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder. Band 3. Mohr und Zimmer, Heidelberg 1808, Anhang: Kinderlieder S. 70).

O Tannebaum, o Tannebaum!
Du bist ein edles Reis!
Du grünest in dem Winter,
Als wie zur Sommerszeit!

Warum sollt ich nit grünen,
Da ich noch grünen kann?
Ich hab kein Vater, kein Mutter,
Der mich versorgen kann.

Ludwig Uhland wiederum machte den Text zur Grundlage eines Liebesgedichts, das als Teil seines Dramenfragments »Schildeis« 1812 veröffentlicht wurde:

O Tannenbaum, du edles Reis!
Bist Sommer und Winter grün.
So ist auch meine Liebe,
Die grünet immerhin.

O Tannenbaum! doch kannst du nie
In Farben freudig blühn.
So ist auch meine Liebe,
Ach! ewig dunkel grün.

Daneben existieren weitere Textfassungen aus anderen Gegenden. Nicht zuletzt dienten diese Texte als Vorlage für das heute weltweit bekannte Weihnachtslied O Tannenbaum, das zunächst August Zarnack (1819) als Liebeslied (vgl. O Tannenbaum) gestaltete und Ernst Anschütz 1824 zum heute bekannten Weihnachtslied überarbeitete.

Die älteste Melodie notierte David Sammenhaber 1590 für sein handschriftliches Lautenbuch. Die heute bekannte Melodie wurde erstmals 1812 von August von Haxthausen in der Gegend von Paderborn mit niederdeutschem Text aufgezeichnet. Andreas Kretzschmer druckte es 1838 im ersten Band der »Deutschen Volkslieder« nach (vgl. Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen. Erstes Heft. Vereins-Buchhandlung, Berlin 1838, S. 160f).

Die gleiche Melodie findet sich auch in Alexander Reifferscheids »Westfälischen Volksliedern« (vgl. Westfälische Volkslieder in Wort und Weise. Henninger, Heilbronn 1879, S. 48f), weshalb das Lied oftmals fälschlicherweise als westfälisches Lied bezeichnet wird.

Die Tanne als Weihnachtsbaum

Ursprünglich war O Tannenbaum kein Weihnachtslied, sondern ein Liebeslied. Bereits seit dem 16. Jahrhundert sind Tanz- und Gesellschaftslieder überliefert, in der die Tanne als immergrüner Baum besungen wird. Jedoch symbolisiert die immergrüne Tanne die ewig währende Liebe, die alle Herbst und Winter des Lebens übersteht. So wie es auch Ludwig Uhland dichtete:

Bist Sommer und Winter grün.
So ist auch meine Liebe,
Die grünet immerhin.

Selbst ein Lied auf Rübezahl parodierte diesen Text (vgl. Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. Band 1. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1893, Nr 175, S. 547).

Erst die zunehmende Verbreitung der Tanne als Weihnachtsbaum im 19. Jahrhundert wandelte das Lied in ein Weihnachtslied, dem eine dritte Strophe mit geistlichem Bezug hinzugefügt wurde,

Eigentlich gab es schon im Mittelalter den Brauch, zu bestimmten öffentlichen Festlichkeiten Bäume zu schmücken; so ist der Maibaum bis heute bekannt. Auch zu Weihnachten wurden Bäume geschmückt. Dies lag an den Paradiesspielen, die in der Kirche aufgeführt wurden. Im Gedenken an Adam und Eva wurde der Paradiesbaum mit Äpfeln behängt und sollte an den Sündenfall und die Befreiung des Menschen von der Erbsünde durch Jesus Christus erinnern.

Bereits 1527 wurde ein Weihnachtsbaum in einer Mainzer Akte erwähnt; aus dem Jahre 1539 existiert ein urkundlicher Beleg, dass im Straßburger Münster ein Weihnachtsbaum aufgestellt wurde. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde es im Elsass zu einem allgemein üblichen Brauch, einen Weihnachtsbaum aufzustellen. 1611 schmückte Herzogin Dorothea Sibylle von Schlesien den ersten Weihnachtsbaum mit Kerzen.

Doch erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Tanne als Weihnachtsbaum populärer, wenngleich sie ein Privileg der Bessersituierten blieb. Denn Tannenbäume waren damals in Mitteleuropa eher selten und somit teuer. Mit Zunahme der Tannenbestände verbreitete sich auch der Brauch, zu Weihnachten einen Tannenbaum aufzustellen und zu schmücken. Daran hat sich bis heute nichts geändert - weder am Brauchtum noch an der Wahl der Baumart: eine Tanne muss es sein.

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