Kein schöner Land in dieser Zeit

Die Melodie von Kein schöner Land basiert auf einer Volksweise aus dem 18. Jahrhundert, die von Anton Wilhelm von Zuccalmaglio bearbeitet und mit einem eigenen Text versehen 1840 veröffentlicht wurde.

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Musiknoten zum Lied - Kein schöner Land in dieser Zeit

Kein schöner Land in dieser Zeit,
als hier das unsre weit und breit,
wo wir uns finden
wohl unter Linden
zur Abendzeit, Abendzeit.

Da haben wir so manche Stund'
gesessen wohl in froher Rund'
und taten singen;
die Lieder klingen
im Eichengrund.

Dass wir uns hier in diesem Tal
noch treffen so viel hundertmal,
Gott mag es schenken,
Gott mag es lenken,
er hat die Gnad'.

Nun, Brüder, eine gute Nacht,
der Herr im hohen Himmel wacht!
In seiner Güten
uns zu behüten
ist er bedacht.

Ihr Brüder wißt, was uns vereint,
eine andre Sonne hell uns scheint;
in ihr wir leben,
zu ihr wir streben
als die Gemeind'.

Kein schöner Land in dieser Zeit ist eines der bekanntesten und beliebtesten Volkslieder unserer Zeit, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasche Verbreitung fand. Dabei ist es eigentlich gar kein Volkslied in dem Sinne, dass es ein durch Volksgesang überliefertes und irgendwann aufgeschrieben Lied ist. Stattdessen erschien es erstmals 1840 im zweiten Band der Sammlung Deutsche Volkslieder mit ihren Singweisen unter dem Titel Abendlied mit der Herkunftsangabe »Vom Niederrhein«. Diese war jedoch eine »Erfindung« des Herausgebers Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio - und auch keine einmalige. Zuccalmaglio verschönte wohl manche aufgeschnappte Gesänge so, dass sie dem Konzept des romantischen Volkslieds folgend in die Erwartungshaltung des Publikums passten. Er machte damals das, was auch heute noch als Erfolgsrezept gilt: dem Publikum liefern, was es erwartet. So ist Zuccalmaglios Melodie letztlich das Ergebnis einer Adaption des älteren Volkslieds Ade mein Schatz und ich muß fort, wobei er vor allem den ersten Teil umgearbeitet hat. Aber auch das alte Volkslied Ich kann und mag nicht fröhlich sein schimmert dezent durch.

Dennoch, Zuccalmaglios Abendlied das heute nur noch unter der Anfangszeile Kein schöner Land in dieser Zeit bekannt ist, traf damals den Geschmack des Publikums, auch wenn er dabei »einige Anleihen bei älteren Liedern gemacht« hat, wie es Waltraud Linder-Beroud und Tobias Widmaier inHistorisch-kritisches Liederlexikon anmerken.

Auch wenn Text und Melodie kein Volkslied »nach handschriftlichen Quellen« sind, sondern als »Volkslied vom Niederrhein« von Herrn Zuccalmaglio in seine Liedersammlung »hineingeschmuggelt« wurde, Kein schöner Land in dieser Zeit ist bis heute eines der populärsten Volkslieder, das auch heute noch gerne und viel gesungen wird. Dies belegt die große Anzahl verfügbarer Tonträger. So gibt es nicht nur Aufnahmen mit Heino (1972), Ronny (1968) und Freddy Quinn (1965) sowie den Montanara Chor (1991), sondern auch Kinderstars wie Andrea Jürgens (1981) und Heintje (1972) sangen Kein schöner Land in dieser Zeit, so wie auch Pop-Ikone NENA (1990 ).

Sentimentalität und Sehnsucht

1884 fand das Lied Kein schöner Land in dieser Zeit eine weite Verbreitung durch das Preußische Soldatenliederbuch. Im Jahr 1912 erschien es in Unsere Lieder. Singbuch der Ostmark (Hrsg. von Rudolf Preiss. Leipzig: Friedrich Hofmeister, S. 43). Weitere Verbreitung ab 1912 erfuhr das Lied dann durch die deutsche Wandervogel- und Singbewegung. Damals, als Jugendliche noch am Lagerfeuer saßen und Lieder sangen, war dieses Lied ein ideales Schlusslied mit dem man sich gegenseitig »Nun, Brüder, eine gute Nacht« sagen, und es vor allem gemeinsam singen konnte.

Doch was macht den Charme dieses Liedes aus? Schließlich tun sich in unserer heutigen Zeit besonders jüngere Menschen schwer, Gedanken wie

Kein schöner Land in dieser Zeit,
als hier das unsre weit und breit

auszusprechen oder gar zu singen. Es gilt als uncool, sentimentale Gedanken mit einem Heimatland zu verbinden oder gar auszusprechen. Und doch werden wir tagtäglich mit diesen Gedanken konfrontiert. Menschen aus aller Herren Länder, die zu uns geflüchtet sind, würden gerne wieder in ihre Heimat zurückkehren. Sie verspüren Sehnsucht, die als Erinnerungen wachgehalten wird.

Wer als Kind oder Jugendlicher einmal an einer Ferienfreizeit teilgenommen hat, mit abendlichem Lagerfeuer bei dem gegrillt und gesungen wurde, der kennt das Gefühl, das man noch lange mit sich trägt: die innere Ruhe am knisternden Feuer und die Gemeinschaft mit anderen. Es schafft eine Verbundenheit und ein Gefühl, das kein Handy und kein MP3-Player vermitteln kann. Und genau davon singt das Lied. Es vermittelt das Gefühl der Harmonie, der gemeinsamen Zeit, die man sich später gerne wieder zurückwünscht.

Die ersten beiden Strophen schwärmen von der schönen Zeit, an die man sich gerne erinnert, und hofft »dass wir uns hier in diesem Tal noch treffen so viel hundertmal«, wie es dann in der dritten Strophe heißt, bevor der Text eine religiöse Wendung nimmt: »Gott mag es schenken, Gott mag es lenken«. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen wird in Gottes Hand gelegt, »denn er hat die Gnad«.

Verbunden mit der einfühlsamen, leicht sentimentalen Melodie, vermittelt Kein schöner Land in dieser Zeit das Gefühl der Verbundenheit und die Hoffnung auf ein Wiedersehen. So Gott will, vielleicht schon morgen...

Tom Borg, 16. August 2023

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