In des Waldes finstern Gründen

Das Räuberlied dichtete Goethes Schwager Christian August Vulpius (1762—1827) für seinen Räuberroman »Rinaldo Rinaldini«.

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Musiknoten zum Lied - In des Waldes finstern Gründen

In des Waldes finstern Gründen,
und in den Höhlen tief versteckt,
und in den Höhlen tief versteckt,
schläft der Räuber allerkühnster,
schläft der Räuber allerkühnster,
bis ihn seine Rosa weckt,
bis ihn seine Rosa weckt.

"Rinaldini!" ruft sie schmeichelnd,
"Rinaldini, wache auf!
Deine Leute sind schon munter,
längst schon ging die Sonne auf."

Und er öffnet seine Augen,
lächelt ihr den Morgengruß.
Sie sinkt sanft in seine Arme
und erwidert seinen Kuß.

Draußen bellen laut die Hunde,
alles strömet hin und her;
jeder rüstet sich zum Streite,
ladet doppelt sein Gewehr.

Und der Hauptmann, schon gerüstet,
tritt nun mitten unter sie:
"Guten Morgen, Kameraden!
Sagt, was gibt's denn schon so früh?"

"Unsre Feinde sind gerüstet,
ziehen gegen uns heran."
"Nun wohlan! Sie sollen sehen,
daß der Waldsohn fechten kann!

Laß uns fallen oder siegen!"
Alle rufen: "Wohl, es sei!"
Und es tönen Berg und Wälder
ringsumher vom Feldgeschrei.

Seht sie fechten, seht sie streiten,
jetzt verdoppelt sich ihr Mut;
aber ach! Sie müssen weichen,
nur vergebens strömt ihr Blut.

Rinaldini, eingeschlossen,
haut sich, mutig kämpfend, durch
und erreicht im finstren Walde
eine alte Felsenburg.

Zwischen hohen düstren Mauern
lächelt ihm der Liebe Glück;
es erheitert seine Seele
seiner Rosa Zauberblick.

Rinaldini, lieber Räuber!
raubst der Rosa Herz und Ruh;
ach, wie schrecklich in dem Kampfe
wie verliebt im Schloß bist du!

Lispelnd sprach das holde Mädchen:
"Höre an, Rinaldo mein,
werde tugendhaft, mein Lieber,
lass das Räuberhandwerk sein!"

"Ja, das will ich, liebste Rosa!
Will ein braver Bürger sein, -
und ein ehrlich Handwerk treiben,
stets gedenken dabei dein."

Das von Goethes Schwager Christian August Vulpius (1762—1827) für seinen Räuberroman »Rinaldo Rinaldini« gedichtete Räuberlied wurde im 19. Jahrhundert von Bänkelsängern auf Jahrmärkten zu einer alten Melodie vorgetragen und war damals sehr beliebt. Den Behörden war es jedoch ein Dorn im Auge, weil das Ende des Textes als unmoralisch galt und das Räuberleben verherrlichte. Das Lied wurde verboten und durfte erst wieder öffentlich gesungen werden, nachdem ein Unbekannter - zwanzig Jahre nach dem Tod von Christian August Vulpius - zwei »moralische« Strophen hinzudichtete - hier die Stropnen 12 und 13.

Gesungen wird In des Waldes finstern Gründen auf eine Melodie aus dem 18. Jahrhundert, die auch Preisend mit viel schönen Reden unterlegt ist.

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