Guter Mond, du gehst so stille ist eine Wehklage über eine nicht gelebte Liebe deren ursprünglicher Titel An den Mond lautete.
Entstanden ist Guter Mond, du gehst so stille Ende des 18. Jahrhunderts und wurde ab ca. 1800 zunächst durch diverse Liedflugschriften in den Umlauf gebracht. Die hier präsentierten sieben Strophen basieren auf einer Flugschrift aus dem Jahr 1808.
Das Lied wurde recht schnell beliebt und weit verbreitet. Diese Verbreitung wurde noch einmal gesteigert, als Ludwig Erk Guter Mond, du gehst so stille
1838 in seine Volksliedersammlung aufnahm. Dadurch erlangte es einen großeren Bekanntheitsgrad im deutschsprachigen Raum.
Auch Franz Magnus Böhme kam nicht umhin, Guter Mond, du gehst so stille in sein Werk Volksthümliche Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert aufzunehmen. Dort erschien es unter dem Titel An den Mond, versehen mit einem ebenso deftigen wie legendären Kommentar von Böhme:
Dieses Lied mit seinem überaus langweiligen Liebesjammer wurde bis um 1850 gesungen, gewöhnlich aber bloß die erste Strophe und zuletzt bloß zum Jux. […] Wenn es auch hier steht, so verzeihe der Leser (singen wird's wohl niemand wieder!): es sollte nur als historischer Beleg dafür dienen, mit welcher unpoetischen Kost der Deutsche sonst sich zufrieden stellte.
Mit dieser Einschätzung sollte sich Böhme gleich mehrfach irren. Guter Mond, du gehst so stille wurde nicht nur weiterhin gern und viel gesungen, sondern auch mit allen Strophen. Und damit wurde Böhmes Anmerkung zu einem historischen Beleg dafür, wie auch das Volksliedgut von allen Seiten, und nicht nur von der Obrigkeit, beeinflusst wurde. Dem Erfolg des Liedes tat Böhmes Kommentar jedenfalls keinen Anbruch; Guter Mond, du gehst so stille blieb beliebt bis in die heutige Zeit. Das Lied wird nicht nur von Chören wie unter anderem die Wiener Sängerknaben gesungen. Unvergessen ist auch die Version von Heintje aus dem Jahr 1967.
Liebesbeichte an den Mond
Wenn Franz Magnus Böhme von »Liebesjammer« spricht, so hat er natürlich nicht ganz unrecht. Der Sänger hadert mit seinem Geschick und bedauert, dass er dem Mond nicht folgen kann, denn er würde so gerne wie der Mond durch das Fenster zu seiner Angebeteten schauen. Er würde ihr so gerne seine Liebe gestehen, ihr den Hof machen. Doch nur dem schweigsamen Mond kann der Sänger sein Geheimnis anvertrauen und er bittet den Mond, statt seiner zu Elisen zu gehen: »schleich' dich in ihr Kämmerlein; sage ihr, dass ich sie liebe«.
Der Sänger kann selbst nicht zu seiner Herzdame gehen. Deshalb wendet er sich an den Mond: »Guter Mond, dir darf ich's klagen, was mein banges Herze kränkt«, denn der Mond ist ja verschwiegen und kann dieses Geheimnis bewahren.
In seiner Not erklärt der Sänger dem Mond, dass er Elisen »in jenem kleinen Tale« findet. Dort wohnt sie in einer einfachen, schlichten Hütte »wo die dunklen Bäume stehn«. Sie ist ein einfaches Mädchen, geht »nicht in Gold und nicht in Seide«. Aber sie hat ein »reizend gutes Herze«.
Es muss ein liebevolles Geschöpf sein, das der Sänger begehrt. Er verzehrt sich nach ihr vor Sehnsucht, er würde sie gerne besuchen und ihr seine Liebe gestehen. Doch er kann nicht. Darum bittet er den Mond: »schleich' dich in ihr Kämmerlein; sage ihr, dass ich sie liebe«.
Man leidet fast mit dem Sänger, ob seiner Sehnsucht und der Innigkeit, mit der er den Mond bittet, für ihn das geliebte Mädchen aufzusuchen, bei ihr durchs Fenster zu scheinen und ihr von der Liebe des Sängers zu erzählen. Warum nur fasst er sich kein Herz, nimmt seinen Mut zusammen und gesteht dem Mädchen seine Liebe?
Warum der ganze »Liebesjammer« von dem Franz Magnus Böhme spricht? Die Antwort darauf gibt das Lied erst in der letzten Strophe: Der Sänger ist »schon gebunden«, er ist bereits vergeben, hat eine Ehefrau oder Verlobte und kann »nicht ohne Sünde lieben« und deshalb soll der Mond das Mädchen fragen, »ob ihr diese Lieb gefällt«, denn er traut sich nicht.
Vom Liebeslied zum Schlaflied
Im Jahr 1851 veröffentlichte der Frankfurter Schullehrer und Dichter Karl Enslin (1819-1875) eine Überarbeitung des alten Textes. Er formte aus den sieben Strophen der Liebesklage ein gefühlvolles, auf drei Strophen komprimiertes, Schlaflied. Der Mond mutiert dabei vom symbolischen ›Beichtvater‹ zum sinnlichen Begleiter durch die Nacht. Der Mond er geht »so stille durch die Abendwolken hin« und wird so zu einem beruhigenden Einschlaflied für kleine Kinder.
Guter Mond, du gehst so stille
Durch die Abendwolken hin;
Deines Schöpfers weiser Wille
Hieß auf jener Bahn dich ziehn.
Leuchte freundlich jedem Müden
In das stille Kämmerlein!
Und dein Schimmer gieße Frieden
In’s bedrängte Herz hinein!
Guter Mond, du wandelst leise
An dem blauen Himmelszelt,
Wo dich Gott zu seinem Preise
Hat als Leuchte hingestellt.
Blicke traulich zu uns nieder
Durch die Nacht auf’s Erdenrund!
Als ein treuer Menschenhüter
Tust du Gottes Liebe kund!
Guter Mond, so sanft und milde
Glänzest du im Sternenmeer,
Wallest in dem Lichtgefilde
Hehr und feierlich einher.
Menschentröster, Gottesbote,
Der auf Friedenswolken tront:
Zu dem schönsten Morgenrote
Führst du uns, o guter Mond!
Tom Borg, 1. Juni 2023