Geh aus mein Herz und suche Freud

Geh aus, mein Herz, und suche Freud ist ein geistliches Sommerlied von Paul Gerhardt aus dem Jahr 1653. Hier in der Vertonung von August Harder (1775–1813).

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Musiknoten zum Lied - Geh aus mein Herz und suche Freud

Geh aus mein Herz und suche Freud
in dieser lieben Sommerszeit
an deines Gottes Gaben.
Schau an der schönen Gärten Zier
und siehe wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben,
sich ausgeschmücket haben.

Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide.
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide.

Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fliegt aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder.
Die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder.

Die Glucke führt ihr Völklein aus,
der Storch baut und bewohnt sein Haus,
das Schwälblein speist die Jungen,
der schnelle Hirsch, das leichte Reh
ist froh und kommt aus seiner Höh
ins tiefe Gras gesprungen.

Die Bächlein rauschen in dem Sand
und malen sich an ihrem Rand
mit schattenreichen Myrten;
die Wiesen liegen hart dabei
und klingen ganz vom Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten.

Die unverdrossne Bienenschar
fliegt hin und her, sucht hier und da
ihr edle Honigspeise;
des süßen Weinstocks starker Saft
bringt täglich neue Stärk und Kraft
in seinem schwachen Reise.

Der Weizen wächset mit Gewalt;
darüber jauchzet jung und alt
und rühmt die große Güte
des, der so überfließend labt,
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte.

Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen;
ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen.

Ach, denk ich, bist du hier so schön
und lässt du’s uns so lieblich gehen
auf dieser armen Erden;
was will doch wohl nach dieser Welt
dort in dem reichen Himmelszelt
und güldnen Schlosse werden!

Welch hohe Lust, welch heller Schein
wird wohl in Christi Garten sein!
Wie muss es da wohl klingen,
da so viel tausend Seraphim
mit unverdrossnem Mund und Stimm
ihr Halleluja singen?

O wär ich da! O stünd ich schon,
ach süßer Gott, vor deinem Thron
und trüge meine Palmen:
So wollt ich nach der Engel Weis
erhöhen deines Namens Preis
mit tausend schönen Psalmen.

Doch gleichwohl will ich, weil ich noch
hier trage dieses Leibes Joch,
auch nicht gar stille schweigen;
mein Herze soll sich fort und fort
an diesem und an allem Ort
zu deinem Lobe neigen.

Hilf mir und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
dass ich dir stetig blühe;
gib, dass der Sommer deiner Gnad
in meiner Seele früh und spat
viel Glaubensfrüchte ziehe.

Mach in mir deinem Geiste Raum,
dass ich dir werd ein guter Baum,
und lass mich Wurzel treiben.
Verleihe, dass zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

Erwähle mich zum Paradeis
und lass mich bis zur letzten Reis
an Leib und Seele grünen,
so will ich dir und deiner Ehr
allein und sonsten keinem mehr
hier und dort ewig dienen.

Geh aus, mein Herz, und suche Freud ist ein geistliches Sommerlied von Paul Gerhardt aus dem Jahr 1653, das in den letzten Jahren mehrfach zum beliebtesten deutschen Kirchenlied gewählt wurde. Allerdings ist es mit seinen 15 Strophen so lang geraten, dass es meist nur verkürzt gesungen wird. Schon in Des Knaben Wunderhorn beschränkten sich die Herausgeber Achim von Arnim und Clemens Brentano auf die Strophen1 bis 3 und 8. Damals galt Geh aus mein Herz und suche Freud als Volkslied.

Heute ist gilt das Lied als volksnahes Kirchenlied und es ist, in der Tat, beides. Dank der fröhlichen Melodie von August Harder und dem naturnahen Text der ersten Strophen wird es bis heute gerne in Kindergärten und Schulen gesungen, wobei der Umfang meist auf die ersten drei Strophen beschränkt wird.

Erste Verbreitung erfuhr Geh aus mein Herz und suche Freud im Jahr 1653 durch Johann Crüger, damals Kantor der Nikolaikirche. Crüger veröffentlichte Gerhardts Gedicht in dem von ihm herausgegebenen Gesangbuch. Dort wurde dem Text zunächst die Melodie des Liedes Den Herrn meine Seel erhebt unterlegt. Später wurde Gerhardts Gedicht mehrfach neu vertont, unter anderem von Johann Crügers Nachfolger Johann Georg Ebeling.

Die bis heute bekannteste Melodie zu Gerhardts Gedicht schuf August Harder (1775–1813), allerdings ursprünglich als Vertonung des Gedichts Die Luft ist blau, das Tal ist grün von Ludwig Hölty. Doch die beschwingte und fröhliche Melodie passt auch hervorragend zu Gerhardts Geh aus mein Herz und suche Freud und hat sicherlich großen Anteil am Erfolg und der bis heute anhaltenden Beliebtheit dieses Lieds.

Zusammen mit Harders Melodie steht Geh aus mein Herz und suche Freud in EG 503 und im Gotteslob (Liednummer 826) mit den Strophen 1-3, 8, 10 und 13-15.

Günter Balders, baptistischer Pastor und Professor für Kirchengeschichte, hat vierzig verschiedene Melodien für Gerhardts Geh aus mein Herz und suche Freud nachgewiesen. Doch nur die Melodie von August Harder hat sich dauerhaft durchsetzen können.

Symbolik und die Macht der Sprache

Paul Gerhardt veröffentlichte sein Gedicht Geh aus mein Herz und suche Freud im Jahr 1653, fünf Jahre nach dem Ende des furchtbaren dreißigjährigen Krieges. Als der Krieg begann, war er gerade elf Jahre alt. Gerhardt hat die Schrecken dieses Kriegs mit all seinem Greul direkt miterlebt. Und dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – schildert Gerhardt die Natur, Gottes Schöpfung, in geradezu fröhlichen Jubelbildern. Ein Widerspruch, eine Verkennung der Realität? Nein! Denn »Die volksliedhafte Melodie und die reichen und farbigen Bilder verdecken einem ersten Blick die hoch differenzierte theologische Symbolik von Paul Gerhardts Sommerlied. Jedes der Naturbilder weist über sich hinaus in Gottes Welt; der irdische Garten symbolisiert auf Schritt und Tritt das Paradies.« schrieb der Organist und Theologe Andreas Marti.

Was auffällt, wenn man sich Geh aus, mein Herz und suche Freud etwas genauer anschaut und Revue passieren lässt, ist, dass in Gerhardts Gedicht keine einzige Strophe und kein einziges Wort überflüssig ist. Alles ist wohl geordnet und aufeinander abgestimmt und durchtränkt von Symbolik.

Als Ganzes gliedert sich das Gedicht in drei Teile unterschiedlicher Länge, die sich darin unterscheiden, zu wem das lyrische bzw. singende Ich spricht. Im ersten Teil, der die Strophen eins bis sieben umfasst, adressiert das Ich sein eigenes Herz und fordert es auf: »Geh aus mein Herz und suche Freud«. Doch, was soll das Herz sehen in der nach dreißig Jahren Krieg zerstörten Welt? Die Gaben Gottes in der Schönheit der Schöpfung zur Sommerszeit, die Gerhardt in den Folgestrophen beschreibt. Da wäre zunächst in Strophe zwei die Fauna, die zur Sommerszeit erblüht und damit als Lebensgrundlage für die Tierwelt dient, die in den Strophen drei und vier besungen wird. Strophe fünf schildert die Landschaft und die Strophen sechs und sieben schließlich wie all dies als Nahrung zur Lebensgrundlage für uns Menschen wird. Dies alles soll das Herz als »Gottes Gaben« erschauen.

Strophe acht ist die Mitte des Liedes, der Wendepunkt. Denn das lyrische Ich hat Gottes Gaben gesehen, seine Größe erkannt, und kommt in den Strophen neun und zehn zu dem Schluss, dass, wenn es auf Erden schon so schön ist, es im Himmel ein einziges Paradies sein muss. Folgerichtig wendet sich das Ich ab der elften Strophe dann Gott zu mit dem Ausruf »O wär ich da!« und spricht in Form eines Gebets, das traditionell aus den Elementen Lob, Dank und Bitte besteht, zu Gott: »Erwähle mich zum Paradeis«.

Claudia Nicolai, 11. August 2023

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