Bunt sind schon die Wälder

Das Herbstlied Bunt sind schon de Wälder gehört zu den bekanntesten und beliebtesten deutschsprachigen Volksliedern. Gedichtet wurde es 1793 von Johann Gaudenz von Salis-Seewis. Die Melodie komponierte Johann Friedrich Reichardt 1799.

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Musiknoten zum Lied - Bunt sind schon die Wälder

Bunt sind schon die Wälder,
gelb die Stoppelfelder,
und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
graue Nebel wallen,
kühler weht der Wind.

Wie die volle Traube
aus dem Rebenlaube
purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche, mit Streifen
rot und weiß bemalt.

Sieh, wie hier die Dirne
emsig Pflaum und Birne
in ihr Körbchen legt,
dort mit leichten Schritten
jene goldnen Quitten
in den Landhof trägt.

Flinke Träger springen,
und die Mädchen singen,
alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben
zwischen hohen Reben
auf dem Hut von Stroh.

Geige tönt und Flöte
bei der Abendröte
und im Mondesglanz;
junge Winzerinnen
winken und beginnen
frohen Erntetanz.

Bunt sind schon die Wälder ist eines der bekanntesten deutschsprachigen Herbstlieder. Gedichtet hat es der Schweizer Dichter Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834). Unter dem Titel Herbstlied wurde es erstmals im Voßchen Musenalmanach von 1786 mit damals sieben Strophen veröffentlicht. Laut der Angaben von Salis-Seewis wurde der Text aber bereits 1782 verfasst.

Neben den hier angeführten Strophen gibt es zwei weitere Strophen, die heute aber selten gesungen werden. Sie lauten:

Dort im grünen Baume
hängt die blaue Pflaume
am gebognen Ast
gelbe Birnen winken
dass die Zweige sinken
unter ihrer Last

Welch ein Apfelregen
rauscht vom Baum! es legen
in ihr Körbchen sie
Mädchen, leicht geschürzet
und ihr Röckchen kürzet
sich bis an das Knie

Das Gedicht wurde im Laufe der Zeit vielfach vertont, unter anderem von Georg Rolle (1855-1934), Ludwig Seidel (1765-1831), Peter Grönland (1781-1825), Georg Nägeli (1773-1836) und 1816 von Franz Schubert (1797-1828). Doch die bekannteste und bis heute beliebteste Melodie komponierte Johann Friedrich Reichardt (1752-1799) im Jahr 1782. Mit Reichardts Melodie wurde Bunt sind schon die Wälder in die meisten Volksliederbücher aufgenommen und gilt bis heute als das beliebteste und bekannteste Herbstlied. Dies zeigen sehr eindrucksvoll die vielen Videos, die auf Youtube verfügbar sind, sowie die Bandbreite der Veröffentlichungen auf Tonträger.

Heutzutage ist Bunt sind schon die Wälder nicht mehr nur in den traditionellen Gebrauchsliederbüchern enthalten, sondern wird auch in Kinderliederbücher und Schulliederbücher berücksichtigt. Dies zeigt sich auch auf Youtube, wo auffallend viele Videos sich an Kinder richten oder gleich als Kinderlied deklariert und beworben werden. Abgesehen von Gotthilf Fischer und seine Chöre, Hannes Wader, Zupfgeigenhansel und der ostdeutschen Sängerin Elke Martens sucht man bekanntere Namen jedoch vergebens.

Zeit der Fröhlichkeit und Farbenpracht

Der Lyriker Johann Gaudenz von Salis-Seewis gab seinem Gedicht den Titel Herbstlied - und das nicht ohne Grund. Eigentlich leitet der Herbst als dritte von vier Jahreszeiten das Ende eines Jahres ein. Man könnte in Wehmut und Traurigkeit verfallen. Doch von Melancholie ist im Gedicht wenig zu verspüren. Im Gegenteil, von Salis-Seewis zeichnet ein idyllisches Bild von Natur und Bauernleben und bejubelt den Herbst als den Abend des Jahres, den man genießen sollte wie den Abend eines arbeitsreichen Tages. Denn hart war das Bauernleben vor 200 Jahren durchaus. Im Frühjahr mussten die Äcker gepflügt und das Saatgut ausgebracht werden, was damals mit deutlich mehr Arbeit als heute verbunden war. Im Somme musste das Vieh auf die Weide getrieben und die Äcker bestellt werden. Und dann mit der Erntezeit kam dann noch einmal eine große Kraftanstrengung auf das Bauernvolk zu. Der Lohn der Arbeit eines langen Jahres musste – im wahrsten Sinne des Wortes - eingefahren werden, in Scheunen gelagert oder auch weiterverarbeitet werden.

Der Herbst, der den tristen Winter ankündigt, war keineswegs eine trostlose, müde Jahreszeit. Im Gegenteil – im Herbst ernten die Menschen den Lohn ihrer Arbeit und Mühen. Und als wollte die Natur die Menschen dazu animieren, kleidet sich die Natur im Herbst noch einmal richtig bunt ein. Die Blätter an den Bäumen färben sich rot-golden bevor sie zu gelbfarben welken und müde herabfallen. Auch Früchte wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen und Weinreben erreichen jetzt ihre Reife und können geerntet werden.

Alles dies besingt von Salis-Seewis in seinem Herbstlied, das mit dem ersten Vers »Bunt sind schon die Wälder« das Signal zum Aufbruch gibt. Die erste Strophe blickt auf die Natur und erkennt: es ist Erntezeit! Was die Natur so alles spendet, umreißt die zweite Strophe, bevor dann bei beiden Folgestrophen den Fleiß der Menschen schildern, die die Früchte der Natur einsammeln und nach Hause tragen.

Und gab es eine reiche Ernte als Lohn für die Arbeit eines Jahres, so war dies allemal ein Fest wert. In ländlichen Gegenden feiert man noch heute traditionelle Erntedankfeste. Denn eine reiche Ernte war und ist nicht immer selbstverständlich. Und so endet das Lied Bunt sind schon die Wälder mit der fünften Strophe als symbolisches Ende für ein langes und arbeitsreiches Jahr mit dem abendlichen fröhlichen Beisammensein und dem »frohen Erntetanz« zu dem sich auch die Natur noch einmal bunt und farbenprächtig von ihrer schönsten Seite zeigt, wenn auch mit einem leichten melancholischen Unterton, der dezent in Friedrich Reichardts Melodie durch abfallende Tonfolgen mitklingt.

Tom Borg, 14. August 2023

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