Backe, backe Kuchen

Das Kinderlied Backe, Backe Kuchen ist seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt.

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Musiknoten zum Lied - Backe, backe Kuchen

Backe, backe Kuchen,
der Bäcker hat gerufen.
Wer will guten Kuchen backen,
der muss haben sieben Sachen:
Eier und Schmalz,
Butter und Salz,
Milch und Mehl,
Safran macht den Kuchen gehl.
Schieb, schieb in Ofen rein!

Das bis heute beliebte Kinderlied Backe, backe Kuchen war schon vor 1840 in Sachsen und Thüringen bekannt. Franz Magnus Böhme listet in seinem Werk Deutsches Kinderlied und Kinderspiel (Breitkopf und Härtel, Leipzig 1897, S. 46–48) zahlreiche Textvarianten auf. Die erste Veröffentlichung in der heute geläuffen Fassung erfolgte in Karl Simrocks 1856 herausgegebenen Werk Deutsche Volksbücher (Band 9). Lediglich in der letzten Zeile steht bei Simrock: »schieb ihn in'n Ofen, dass er gar wird«. Zusätzlich stellte Simrock auch ein Parodie des Textes vor, die auch Böhme 1887 in Deutsches Kinderlied und Kinderspiel aufnahm:

Backe, backe Kuchen
Der Bäcker hat gerufen
hat gerufen die ganze Nacht
Gretchen hat keinen Teig gebracht
kriegt auch keinen Kuchen
kriegt auch keinen Kuchen.

Die heute bekannte und gesungene Version besitzt nur die eine, hier vorgestellte Strophe, die Kinder meist schon im Kindergarten kennenlernen und singen. Dennoch wirft der Liedtext einige Fragen auf, die heutzutage selbst Erwachsene nicht immer beantworten können. So zum Beispiel die Frage, warum der Bäcker überhaupt zum Kuchenbacken aufruft. Ist es nicht das Handwerk des Bäckers, Kuchen zu backen? Und warum bekommt das Gretchen in der Parodie keinen Kuchen, weil sie keinen Teig gebracht hat? Das ist doch eigentlich die Aufgabe des Bäckers, oder etwa nicht?

Die Antwort darauf lautet heute wie damals ganz klar: Nein! Die Bäcker und Bäckerinnen backen Brot und Brötchen sowie die etwas groberen Kuchen und Gebäcke. Feine Torten und Pralinen, die durch ihre Gestaltung und Verzierungen zu essbaren Kunstwerken werden und nicht ohne Grund Feingebäck heißen, werden von Konditoreien geschaffen. Ein Bäcker war also primär für die Grundversorgung mit Brot zuständig. Er knetete den (Brot)Teig, heizte den Backofen und sorgte für ausreichend brennbares Material, in früheren Jahrhunderten also in der Regel Holzscheite, denn um den groben Teig der Brote gar zu backen war viel Hitze nötig.

Backen im 19. Jahrhundert

In der Mitte des 19. Jahrhunderts, als das Lied Backe, backe Kuchen entstand, war das Brotbacken eine anstrengende Arbeit. Elektrische Backöfen wie heute gab es damals nicht. Stattdessen wurden steinerne Backöfen verwendet, die zunächst mit viel Holz und Aufwand vorgeheizt werden mussten. Denn die Hitze kam nicht vom direkten Feuer, sondern von der Glut der erhitzten Steinwände des Backofens. Deshalb wurde im ersten Arbeitsgang der ganze Ofen durch Verbrennen großer Holzmengen, später Kohle, erhitzt. Hatten die Ofenwände die benötigte Hitze erreicht, wurde die Glut entnommen und der Ofen gesäubert. Erst dann konnten die Brotlaibe in den gesäuberten Ofen geschoben werden.

Diese Backöfen wurden früher meist in der Nähe des Dorfplatzes errichtet, damit sie von allen Anwohnern genutzt werden konnten, auch wenn dies primär das Handwerk des Dorfbäckers war. Doch nach dem Ausbacken der Brote war die Temperatur im Ofen so stark gesunken, dass sie für weitere Brote nicht mehr ausreichte. Aber zum Kuchenbacken reichte es allemal. Deshalb nutzten die Dorffrauen die noch immer warmen Öfen, zum Backen von Kleingebäck oder eben Kuchen. Den Teig dafür hatten sie zuvor zusammengerührt und brachten ihn fertig mit, was auch die Frage der Parodie beantwortet: wer keinen Teig angerührt hatte, der konnte eben keinen Kuchen backen.

Das Anrühren des Kuchenteigs war keine große Kunst, denn damals wie heute bestand der Grundteig aus wenigen Zutaten, die im Lied aufgezählt werden:

Eier und Schmalz,
Butter und Salz,
Milch und Mehl
Safran

Die Reihenfolge und auch die richtige Menge der einzelnen Zutaten waren Erfahrungswerte, die man im Laufe der Zeit herausgefunden und von Generation zu Generation weitergegeben hat.

Eier und Butter sind auch heute noch Basiskomponenten der meisten Kuchenteige. Konnten sich früher ärmere Familien keine Butter leisten, kam ersatzweise Schmalz zum Einsatz. Anschließend folgten Mehl und zur Verdünnung Milch hinzu. Gelegentlich auch eine Prise Salz.

Safran war eigentlich nicht nötig, aber er macht den Kuchen »gel«, ein altertümliches Wort für »gelb«. Allerdings war Safran damals teuer, denn er wurde aus Übersee, meist Indien, herbeigeschafft.

Nach dem Rühren war der Teig fertig und konnte in den Ofen geschoben werden. Dann begann der angenehme Teil: Die Frauen unterhielten sich, bis der Kuchen gar war.

Tom Borg, 18. August 2023

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