Wachet auf, ruft uns die Stimme

Wachet auf, ruft uns die Stimme ist ein Kirchenlied von Philipp Nicolai aus dem Jahre 1599, das jedoch immer wieder leicht modifiziert wude.

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Musiknoten zum Lied - Wachet auf, ruft uns die Stimme

"Wachet auf," ruft uns die Stimme
Der Wächter sehr hoch auf der Zinne,
"Wach auf du Stadt Jerusalem!
Mitternacht heißt diese Stunde!"
Sie rufen uns mit hellem Munde:
"Wo seid ihr klugen Jungfrauen?
Wohlauf, der Bräut’gam kommt,
Steht auf, die Lampen nehmt!
Halleluja!
Macht euch bereit zu der Hochzeit;
Ihr müsset ihm entgegengehn!"

Zion hört die Wächter singen,
Das Herz tut ihr vor Freude springen,
Sie wachet und steht eilend auf.
Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,
Von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig;
Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.
Nun komm, du werte Kron,
Herr Jesu, Gottes Sohn!
Hosianna!
Wir folgen all zum Freudensaal
Und halten mit das Abendmahl.

Gloria sei dir gesungen
Mit Menschen- und mit Engelzungen,
Mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Von zwölf Perlen sind die Tore,
An deiner Stadt; wir stehn im Chore
Der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug hat je gespürt,
Kein Ohr hat mehr gehört
Solche Freude.
Des jauchzen wir und singen dir
das Halleluja für und für.

Philipp Nicolai, der von 1556-1608 lebte, schuf das großartige Kirchenlied Wachet auf, ruft uns die Stimme im Jahre 1599. Es ist neben dem Choral Wie schön leuchtet der Morgenstern sein bekanntestes Lied.

Nicolai war ein bekennender Christ; er wurde lutherischer Pfarrer in Unna und später St. Katharinen in Hamburg und wirkte in schweren Zeiten. Denn damals grassierte die Pest; die Seuche hatte ganz Europa fest im Griff. Täglich starben Menschen um Nicolai herum. Und er hatte nichts Besseres zu tun als einen Choral zu schaffen? Nein, denn es ist nicht irgendein Choral. Nicolai greift in seinem Lied das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Matthäus 25,1–13 EU) auf, in dem es um die Vorbereitung auf das Reich Gottes geht. Inmitten der Pest, von Toten umgeben, ist es durchaus ein rechter Moment, um über Glauben und die Vorbereitung auf den Tod nachzudenken. Schließlich konnte jeder Tag der letzte sein und man war gut beraten, darauf vorbereitet zu sein, dem Schöpfer gegenüber zu stehen. War man darauf vorbereitet?

Nicolai bleibt recht nahe an der Erzählung in Matthäus 25. Er macht sich erst gar nicht die Mühe, etwas zu verschleiern oder schönzureden. Er spricht das Thema direkt an: Bist du bereit, dich Gott hinzugeben? In der Bibelfassung wird die Thematik parabelartig in eine Vermählung verpackt, wo die Jungfrauen auf den Bräutigam warten. Einige sind vorbereitet, andere nicht. Nach Nicolais festem Glauben sollte man immer vorbereitet sein. Sicherlich aber ganz besonders in Pestzeiten, wo täglich Menschen überall sterben. Wachet auf! Wir müssen vorbereitet sein, wir müssen rechtzeitig zum Glauben und zu Gott zu finden.

Philipp Nicolai packt diese christliche Botschaft in einen gewaltigen Choral. »Wachet auf« erklingt es gleich zu Beginn auf 2 halbe und eine punktierte halbe Note, die in Terzschritten aufsteigt wie eine Fanfare, einem militärischen Weckruf. Und genau darum geht es dem lutherischen Pfarrer – um das erwecken der Menschen, um sie auf den Weg zu Gott zu führen.

Die Begeisterung für Nicolais Choral ist über die Jahrhunderte nicht erloschen. Es gab viele Bearbeitungen des Werks. Unter anderem nutzte Johann Sebastian Bach Philipp Nicolais Werk als Vorlage für seine Choralkantate Wie schön leuchtet der Morgenstern.

Wie beliebt das Werk auch heute noch konfessionsübergreifend ist, belegen nicht zuletzt die über 30.000 Videos mit dem Werk auf Youtube.

Tom Borg, 1. Mai 2023

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