O laufet ihr Hirten

Weihnachtslied aus dem 19. Jahrhundert

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Musiknoten zum Lied - O laufet ihr Hirten

O laufet ihr Hirten, lauft alle zugleich!
Nehmet Schalmeien und Pfeifen mit euch!
Lauft alle zumal mit freudigem Schall
auf Bethlehem zum Kripplein, zum Kripplein im Stall!

Ein Kindlein ist g'sehn wie ein Engel so schön,
dabei auch ein alter Vater tut stehn;
ein Jungfrau schön zart nach englischer Art:
es hat mich erbarmet ganz inniglich hart.

Wenn ich nur hätte mein Häuslein dahier,
das dorten im Tale alleine tut stehn,
wie war ich so froh, blieb alleweil do,
ein Essen wollt kochen und warten schon auf.

Was kann ich dem Kindlein verehren zur Gab?
Ein Lämmlein und alles, was ich nur hab,
ein Windlein dazu, gilts auch schon mein Bu,
damit man das Kindlein fein decken kann zu.

Mein Nachbar, lauf hurtig, brings Wieglein daher,
wills Kindlein reinlegen, es zittert so sehr.
Hei, hei, popei! Liebes Kindel, schlaf ei!
Im Krippel, zartes Jesulein, hei, hei, popei!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben veröffentlichte das Lied O laufet ihr Hirten, das er in der Gegend um Grabig, ehemals Kreis Sorau, gehört und aufgezeichnet hatte, unter dem Titel »Weihnachtslied« in seinen 1842 herausgegebenen Werk »Schlesische Volkslieder mit Melodien: Aus dem Munde des Volks gesammelt« (vgl. S. 334).

Der Text des Lieds O laufet ihr Hirten folgt dem Tenor des Hirtenliedgesangs mit dem, der biblischen Weihnachtsgeschichte folgend, ein Engel die Geburt Jesu' den Hirten auf dem Felde verkündete und sie aufforderte nach Bethlehem zu gehen und das neugeborene Kind zu sehen. Rund um diese Thematik entstanden viele Lieder, die mal mehr und mal weniger euphorisch und poetisch, diese Geschichte erzählen.

Auch in unserem Lied ertönt der Aufruf »O laufet ihr Hirten, lauft alle zugleich!« Wohin? »Nach Bethlehem zum Kripplein im Stall!« Und damit die Hirten das Kind auch freudig und fröhlich begrüßen und ihm huldigen können, sollen sie »Schalmeien und Pfeifen« mitnehmen, damit sie fröhlich musizieren können, denn die Geburt eines Kindes ist ja immer ein Grund zur Freude.

Doch dieses Kind ist ein besonderes Kind, auch wenn in der zweiten Strophe als Eltern »ein alter Vater« und »ein Jungfrau schön zart« genannt werden. Der einzige himmlische Bezug im Liedtext ist der Vergleich »wie ein Engel so schön«. Von Gott, Gottes Sohn und dem Schicksal des Kindes erzählt der Liedtext nichts. Alle fünf Strophen des Lieds schwärmen nur von dem Kind, das geboren wurde.

Die Antwort auf die Frage, was ausgerechnet an diesem speziellen Kind so schön und wunderbar ist, bleibt das Lied schuldig. Der letzte Vers der ersten Strophe »auf Bethlehem zum Kripplein, zum Kripplein im Stall!« ist der einzige biblische Bezug, der im Lied klar genannt wird. Alle anderen Gedanken sind indirekter Natur, weil wir wissen, welches Kind gemeint ist. Doch wirklich genannt wird es im Liedtext erst im letzten Vers: »zartes Jesulein«. So ist O laufet ihr Hirten zwar ein typisches Hirtenlied, das dem in Bethlehem geborenen Kind huldigt, aber ohne Kenntnis um die biblische Weihnachtsgeschichte wüssten wir gar nicht, um welches Kind es sich handelt und welche Bedeutung es für uns Menschen hat. Dass es ein freudiges Ereignis sein muss, das können wir allerdings auch der fröhlich beschwingten Melodie entnehmen, die die Jubelworte mit Jubelschwung unterlegt. Deshalb gehört O laufet ihr Hirten bis heute zu den beliebtesten deutschsprachigen Weihnachtsliedern.

Tom Borg, 29. Oktober 2023

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