Ihr lieben Christen, freut euch nun

Ihr lieben Christen, freut euch nun wird gesungen nach der Weise von Steht auf, ihr lieben Kinderlein, geistlich bei Nikolaus Hermann 1560

Downloadformate

Musiknoten zum Lied - Ihr lieben Christen, freut euch nun

Ihr lieben Christen, freut euch nun,
bald wird erscheinen Gottes Sohn,
der unser Bruder worden ist,
das ist der lieb Herr Jesus Christ.

Der Jüngste Tag ist nun nicht fern,
komm, Jesu Christe, lieber Herr!
Kein Tag vergeht, wir warten dein
und wollten gern bald bei dir sein.

Du treuer Heiland Jesu Christ,
dieweil die Zeit erfüllet ist,
die uns verkündet Daniel,
so komm, lieber Immanuel.

Der Teufel brächt uns gern zu Fall
und wollt uns gern verschlingen all.
Er tracht' nach Leib, Seel, Gut und Ehr.
Herr Christ, dem alten Drachen wehr.

Ach lieber Herr, eil zum Gericht.
Lass sehn dein herrlich Angesicht,
das Wesen der Dreifaltigkeit.
Das helf uns Gott in Ewigkeit.

Das Adventslied Ihr lieben Christen, freut euch nun basiert auf einem Gedicht des evangelischen Theologen und Reformators Erasmus Alber (1500-1553). Unter dem Titel »Von der Ankunft des Herrn Christus am Jüngsten Tag« entwarf er ein 18 Strophen langes Werk, das in apokalyptisch-bedrückender Stimmung und Bildern die Ankunft des richtenden Herrn herbeisehnt. Und er ruft die Christen auf, sich auf die Christus Ankunft am jüngsten Tag zu freuen. Geschrieben wurde das Lied in der Zeit der Türkenbelagerungen Europas.

Die ursprüngliche eigene Melodie des Liedes geriet in Vergessenheit und wurde durch die Melodie des Liedes »Nun lasst uns den Leib begraben« ersetzt. Seit 1950 wird es mit einer Melodie von Nikolaus Herman (um 1500-1561) gesungen, die auch dem Lied »Steht auf, ihr lieben Kinderlein« unterlegt ist und vom Hermann 1560 veröffentlicht wurde.

Im Evangelischen Gesangbuch (EG 6) ist das Lied mit fünf Strophen angegeben. Diese entsprechen den ursprünglichen Strophen 1, 2, 4, 13 und 18.

Der biblische Hintergrund, auf den sich Alber bezieht, ist die Apokalyptik des Buches Daniel. Was Daniel einst beschrieben hatte, die dem Ende vorausgehenden Zeitabschnitte, scheinen für Alber erfüllt zu sein. Er lebt in der unmittelbaren Erwartung des Weltendes und Gottes Gericht. Die Prophezeiungen Daniels und seine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen lassen für Alber keinen anderen Schluss zu, als dass das Ende der Welt, der jüngste Tag, bevorsteht. Hieraus ergibt sich zwangsläufig die düstere Stimmung die Albers Gedicht durchzieht. So heißt es beispielsweise in der ursprünglichen Strophe 14:

Die Welt kann nun nicht länger stehn
ist schwach und alt sie muss vergehn
sie kracht an allen Orten sehr
und kann die Last nicht tragen mehr.

Diese apokalyptischen Worte und Andeutungen klingen in unserer Zeit abstrus, fernab unserer realen Welt. Deshalb ist der heute gebräuchliche Textteil, der, ohne den tieferen Sinn zu verdecken, leichter zu konsumieren ist, durchaus eine Hilfe zur Annäherung an Albers Text. Wir hören von Jesus Christ, Gottes Sohn, »der unser Bruder worden ist«. Da klingen die Worte vom Gericht wenig bedrohlich. Und so konzentrieren wir uns auf die Zeit des Advents, der Ankunft Jesu, und freuen uns auf eine friedliche Weihnachtszeit.

Tom Borg, 14. Oktober 2023

 Top