Der gute Kamerad

(Ich hatt einen Kameraden)

Der gute Kamerad dichtete Ludwig Uhland 1809. Gesungen wird es auf eine alte Volksweise.

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Musiknoten zum Lied - Der gute Kamerad

Ich hatt einen Kameraden,
einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
er ging an meiner Seite
im gleichen Schritt und Tritt,
im gleichen Schritt und Tritt.

Eine Kugel kam geflogen:
Gilt sie mir gilt sie dir?
Ihn hat es weggerissen,
er liegt vor meinen Füßen,
als wärs ein Stück von mir.

Will mir die Hand noch reichen,
derweil ich eben lad:
Kann dir die Hand nicht geben,
bleib du im ewgen Leben
mein guter Kamerad!

Der gute Kamerad, besser bekannt unter der Anfangszeile der ersten Strophe: »Ich hatt’ einen Kameraden« schrieb der junge Ludwig Uhland während der Befreiungskriege gegen Napoleon. Damals erhoben sich die Österreicher gegen den französischen Eroberer, der zur Bekämpfung der aufständischen Tiroler badische Truppen in den Kampf schickte.

Uhland fühlte mit den Badenern, die Tiroler ziehen mussten. Andererseits verlor er seinen Förderer Leo von Seckendorf, der als Hauptmann auf österreichischer Seite gefallen war. Uhland war von seinen Gefühlen hin und her gerissen und vermochte weder für eine Seite Stellung zu beziehen, noch der anderen Schuld zuweisen. In dieser emotionalen Zerrissenheit wurde der junge Poet aufgefordert, ein Kriegslied für ein Flugblatt "zum Besten der (badischen) Invaliden des Feldzugs" zu verfassen. Heraus kam dabei »Der gute Kamerad«, das Justinus Kerner 1812 in seinen »Poetischen Almanach für das Jahr 1812« aufnahm. In der Folge erschien es auch in den Gedichtbänden Uhlands sowie 1848 in Hoffmanns von Fallerslebens »Deutsches Volksgesangbuch«.

Das Lied wurde auch recht schnell vertont. Allerdings erlangte die Melodie keine allzu große Verbreitung. 1825 unternahm der Tübinger Universitätsmusikdirektor Friedrich Silcher einen weiteren Versuch, Uhlands Gedicht zu vertonen. Allerdings schuf Silcher keine neue, eigene Melodie, sondern griff auf das schweizer Volkslied »Ein schwarzbraunes Mädchen hat ein' Feldjäger lieb« - und gab dies auch auf dem Notenblatt des Lieds an: »Aus der Schweiz, in 4/4 Takt verändert, v. Silcher«.

Friedrich Silcher hatte ein glückliches Händchen beim Vertonen romantischer Gedichte. So erlangte auch Der gute Kamerad recht schnell eine große Verbreitung. Es wurde in viele Liederbücher aufgenommen und ist bis heute Bestandteil eines Begräbnisses mit militärischen Ehren der deutschen Bundeswehr. Auch beim österreichischen Heer und der Polizei hat es eine lange Tradition bei Trauerfeierlichkeiten. Auch in Frankreich wird es zum Nationalfeiertag am 14. Juli am Grabmal des unbekannten Soldaten gespielt.

Kameradschaftliche Verklärung

Das Lied und vor allem seine Thematik der Kameradschaft wurden jedoch auch häufig missbraucht zur Verklärung und Beschönigung von Kriegsopfer und Heldentod. Dabei hat Uhlands Gedicht recht wenig Verklärendes an sich. Es propagiert weder Gewalt oder Krieg, noch verteufelt es den Gegner. Vielmehr ist es der verzweifelte Gesang der Trauer eines Soldaten, der nicht einmal seinem Kameraden zum letzten Mal die Hand geben kann, weil er seine Waffe laden muss. Der Erzähler, der erst in der dritten Strophe den Kameraden direkt anspricht, muss selbst um sein Leben kämpfen. »Bleib du im ew’gen Leben« - ich muss hier weiter kämpfen.

Daran ist nichts Heroisches. Im Gegenteil, der Erzähler verspürt Angst als er sagt »Die Kugel kam geflogen. Gilt sie mir? Gilt sie dir?« Er hat Angst um seinen Kameraden genauso wie um sich selbst, denn sie gingen »In gleichem Schritt und Tritt«, der Kamerad an seiner Seite.

Es ist die Erinnerung an den Kameraden, den Freund, den Menschen, mit dem er gemeinsam in die Schlacht zog. Die ersten beiden Strophen stehen in der Vergangenheitsform »Ich hatte einen guten Kameraden«. Und wie es bei Erinnerungen oft ist, wird die Vergangenheit rückblickend verklärt: »Einen besseren findst du nit«. Die Gedanken an den Kameraden, den Freund, lassen den Erzähler durch die Zeiten gleiten. Sind es anfangs noch Erinnerungen »Ich hatt einen Kameraden«, so rutscht der Erzähler tiefer in seine Erinnerungen und fühlt sich wieder mitten im Geschehen. »Eine Kugel kam geflogen«, die Angst kommt auf: »Gilt sie mir oder gilt sie dir?« und dann hat sie den Kameraden »weggerissen«. Er »liegt zu meinen Füßen«. Nun überwältigt die Erinnerung den Erzähler so sehr, dass er beim Anblick seines Kameraden »zu meinen Füssen« sich fühlt, »als wär's ein Stück von mir«.

Währenddessen geht der Kampf weiter. Der Erzähler muss neu laden, um sein eigenes Leben zu verteidigen. Für den Gefallenen bleibt nur der Gruß »Mein guter Kamerad!«. Daran ist nichts heroisch, nein, es ist die Trauer, die aus diesen Worten spricht. Vermischt mit der Angst, dass die nächste Kugel vielleicht den Erzähler trifft.

Dennoch wurde das Lied oft für Propagandazwecke missbraucht, so wie die »gute Kameradschaft« so vieles beschönigte, dass sie nach zwei Weltkriegen eher zur »bösen Kameradschaft« wurde. Und trotzdem spricht die Bundeswehr noch heute von Kameraden und Kameradschaft als Grundwert.

Kameradschaft kann ein Synonym für Korruption und Mäntelchen für so manch Verachtenswertes sein. Aber auch die schlichte Anerkennung, das Kompliment an den toten Freund: Er war ein guter Kamerad!

Tom Borg, 13. November 2016

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