Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Laternenlied Ich geh mit meiner Laterne wird vorwiegend im Herbst bei Sankt Martins Umzügen gesungen, aber auch in dunkler werdenden Tagen davor und danach.
Der Martinstag ist ein Fest zu Ehren des heiligen Martin von Tours, dessen Grablegung auf den 11. November 397 fiel. Das Datum des Gedenktags findet sich im römischen Generalkalender, ebenso wie auch in orthodoxen Heiligenkalendern und dem evangelischen Namenkalender.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich diverse Bräuche herausgebildet. Darunter das Martinsgansessen, der Martinszug und eben das Martinssingen. Dabei ziehen die Menschen, heutzutage vorwiegend Kinder, mit einer Laterne singend durch die Straßen. Überlicherweise in den frühen Abendstunden, da die einsetzende Dämmerung das Licht der oft selbstgebastelten Laternen besonders gut zur Geltung bringt. Es ist ein Spaß für Alt und Jung.
Ich geh mit meiner Laterne ist neben Laterne, Laterne das wohl bekannteste Laternenlied.
In einem Kehrreim der aus dem Anfangsteil
Ich geh mit meiner Laterne
Und meine Laterne mit mir.
Da oben leuchten die Sterne
Und unten da leuchten wir.
sowie dem abschließenden Ende
rabimmel, rabammel, rabumm,
bumm bumm
besteht, ist die kurze Zusammenfassung des Brauchtums um den Martinstag eingebettet.
So beginnt die Geschichte mit der Widmung
Ein Lichtermeer
Zu Martins Ehr
In ländlichen Gebieten gibt es noch den Brauch, dass ein Reiter mit einem roten Mantel auf einem Schimmel sitzend den heiligen Martin darstellt. Davon singt die 2. Strophe:
Der Martinsmann,
Der zieht voran
Doch dann geht es um die Kinder. Und die 3. Strophe besingt den Spaß, den die singenden Kinder beim Umzug haben:
Wie schön das klingt,
Wenn jeder singt
Doch dem Brauchtum folgend, darf das Essen nicht vergessen werden:
Ein Kuchenduft
Liegt in der Luft
Der bekannteste Brauch zum Martinstag ist heute vor allem das traditionelle Martinsgansessen. In Deutschland wird die Gans meist mit Rotkohl und Semmelknödel zubereitet. Heutzutage erhalten Kinder - vor allem in Westdeutschland - einen Weckmann. Das ist eine Figur gebacken aus Hefeteig mit Rosinen verziert - in anderen Teilen Deutschlands erhalten die Kinder eine "Martinsbrezel" aus süßem Hefeteig. Darauf spielt auch der "Kuchenduft" in der vierten Strophe an.
Spaß muss sein
Fester Bestandteil des Zeremoniells ist auch, dass die Kinder, die singend von Haus zu Haus ziehen, ein kleines Geschenk - meist Süßigkeiten, Gebäck oder Obst - bekommen. Davon singt die 5. Strophe:
Beschenkt uns heut,
Ihr lieben Leut
Hier gilt der Brauch: Wer nichts schenkt, dem wird ein Streich gespielt.
Zum Abschluss gibt es auf dem Land häufig ein großes Martinsfeuer. Da sitzen dann alle um das Feuer herum, singend, tanzend und die eingesammelten Geschenke naschend.
Etwas weniger romantisch sind heutzutage die Laternen, die häufig nicht mehr wie früher mit Kerzen bestückt sind, sondern mit elektrischem Licht, da im Novemberwind die Laternen häufig Feuer fangen. (Vgl. Laterne, Laterne, wo es heißt: "Flamme auf, mein Licht, aber nur meine liebe Laterne nicht"). In Ich geh mit meiner Laterne gilt die Sorge nur dem Licht, das nicht verlöschen soll:
Laternenlicht,
Verlösch mir nicht!
Aber irgendwann gehen die Lichter dann doch aus - und dann hieß es früher schlicht:
Mein Licht ist aus,
Ich geh nach Haus
Die letzte Strophe ist heute die bekannteste - und häufig auch die einzige, die den etwas älteren noch in den Sinn kommt. Doch in der Martinserzählung des Lieds bildet sie den logischen Abschluss: Nach dem Umzug, dem Singen und dem Einsammeln der Geschenke, ist irgendwann die Kerze abgebrannt. Das war frühe das Signal für die Kinder, dass es so langsam wieder nach Hause geht.
Der Beginn des Laternenliedes ist bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert bekannt und wurde u.a. 1818 in der Wiener Gesangsposse Die falsche Prima-Donna in Krähwinkel zitiert (vgl. Ich geh mit meiner Laterne im Historisch-Kritisches Liederlexikon). Die Strophen, die konkreten Bezug auf den Martinstag nehmen, wurden jedoch erst Mitte des 20. Jahrhunderts angefügt.
Doch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Ich geh mit meiner Laterne verstärkt in Gebrauchs- und Kinderliederbücher aufgenommen. Heute ist Ich geh mit meiner Laterne in nahezu jedem Kinderliederbuch enthalten und gilt als das wohl verbreitetste und meistgesungene Laternenlied.
Claudia Nicolai, 22. April 2016