Es ist ein Ros' entsprungen

Es ist ein Ros entsprungen ist ein altes kirchliches Weihnachts aus dem 16. Jahrhundert. Die 2. Strophe erfasste Michael Praetorius (1609) und die 3. fügte Friedrich Layriz 1844 hinzu.

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Musiknoten zum Lied - Es ist ein Ros' entsprungen

Es ist ein Ros' entsprungen
aus einer Wurzel zart,
wie uns die Alten sungen,
von Jesse kam die Art
und hat ein Blümlein 'bracht
mitten im kalten Winter,
wohl zu der halben Nacht.

Das Röslein, das ich meine,
davon Jesaja sagt,
hat uns gebracht alleine
Marie, die reine Magd;
aus Gottes ew’gem Rat
hat sie ein Kind geboren
wohl zu der halben Nacht.

Das Blümelein so kleine,
das duftet uns so süß;
mit seinem hellen Scheine
vertreibt's die Finsternis.
Wahr' Mensch und wahrer Gott,
hilft uns aus allem Leide,
rettet von Sünd und Tod.

Wir bitten dich von Herzen,
du edle Königin,
durch deines Sohnes Schmerzen,
wann wir fahren dahin
aus diesem Jammertal:
Du wolltest uns begleiten
bis an der Engel Saal!

So singen wir all’ Amen,
das heißt: Nun wird’ es wahr,
das wir begehr’n allzusammen:
O Jesu, hilf uns dar
in deines Vaters Reich!
Darin woll’n wir dich loben:
O Gott, uns das verleih!

Es ist ein Ros entsprungen ist ein altes kirchliches Weihnachtslied. Der Text, der aus dem 16. Jahrhundert stammt und ursprünglich wohl nur zwei Strophen besaß, bezieht sich auf die Bibelstelle Jesaja 11, 1. Dort heißt es:

Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.

Eine Melodie zum Text wurde zuerst im Speyerer Gesangbuch, angegeben, das 1599 in Köln 1599 gedruckt wurde. 10 Jahre später, 1609, arrangierte der protestantische Komponist Michael Praetorius (1571-1621) einen vierstimmigen Chorsatz, der große Beachtung fand.

Für seine Chorfassung überarbeitete Praetorius die zweite Strophe des Textes, über deren Inhalt seit jeher Uneinigkeit zwischen der ursprünglich katholischen und späteren protestantischen Sichtweise bestand. Die verschiedenen Bibelübersetzung unterscheiden sich in Detail (vgl. Lk 1, 31-33, Römer 15,12, Offenbarung 22,16). Eine andere Forumulierung von Jesaja 11, 1 lautet:

Es wird hervorgehen ein Reis aus der Wurzel Jesse und eine Blume wird aus ihrer Wurzel aufgehen.

So weit, so klar. Der Streit zwischen den konfessionellen Glaubensrichtungen entfesselte sich um die Frage: Wer ist das Reis und wer die Blume? Die katholische Version bezieht Reis auf die Jungfrau Maria, die evangelische auf Jesus. Dementsprechend lauteten die Zeilen 3-7 der ursprünglichen Fassung der zweiten Strophe:

ist Maria die reine,
die uns das Blümlein bracht.
Aus Gottes ewgem Rat
hat sie ein Kind geboren
und blieb doch reine Magd.

Der Protestant Praetorius machte daraus:

hat uns gebracht alleine
Marie die reine Magd.
Aus Gottes ewgem Rat
hat sie ein Kind geboren
wohl zu der halben Nacht.

Im evangelischen Text stehen dabei "Röslein" wie auch "Blümlein" für Jesus, was aber im Widerspruch zur ersten Strophe steht die davon spricht, dass das Röslein das Blümlein hervorbringt.

Die schiere Anzahl der Strophen, ursprünglich waren es wohl 23, regte immer wieder zum Umdeutungen und Änderungen an. So ist es kein Wunder, dass die heutige dritte Strophe von einem weiteren Dichter beigetragen wurde. Es war der lutherische Pfarrer und Hymnologe Friedrich Layriz (1808–1859) der 1844 drei weitere Strophen hinzufügte, von denen aber nur die erste präsent blieb. Sie beschreibt uns das »Blümelein so kleine«, was dem Lied einen schönen Abschluss verlieht.

Heute werden meist nur noch die ersten 3 Strophen gesungen, zumal es diverse Variationen für die weiteren Strophen gibt.

Rezeption

Vielleicht lag es am ökumenischen Dissens, dass Es ist ein Ros entsprungen lange, lange Zeit benötigte, bis es sich in den Gesangsbüchern der beiden großen Konfessionen etablieren konnte. Obwohl es immer wieder Umarbeitungen und Weiterentwicklungen gab, fand dies zutiefst christliche Lied ausgerechnet in den kirchlichen Gesangsbüchern wenig Beachtung, ja wäre beinahe in Vergessenheit geraten.

Im 19. Jahrhundert wurde Es ist ein Ros entsprungen zwar von der Hymnologie und der Volksliedforschung wiederentdeckt, aber erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts tauchte das Lied vereinzelt in Gesangsbüchern auf, vorwiegend in katholischen.

Veröffentlichungen in evangelischen Gesangsbüchern mag der »Stallgeruch« des Katholizismus verhindert haben, auch die frühere Einordnung als »geistliches Volkslied«. So blieb die Bearbeitung von Pfarrer Layriz aus dem Jahre 1844 lange die bekannteste Ausnahme von der Regel neben der Praetorius Fassung, die 1915 Eingang in das Evangelische Gesangbuch fand. Allerdings wurde die dritte Strophe der Layrizschen Fassung so populär, dass sie seit 1938 auch in die katholische Singpraxis eingegangen ist.

Richtig populär wurde Es ist ein Ros entsprungen jedoch erst im 20. Jahrhundert, wo es in viele Gebrauchsliederbücher und auch häufig in Kirchengesangsbücher aufgenommen wurde. Ausdruck der Beliebtheit des Liedes ist auch die große Anzahl der Tonaufnahmen. Das Deutsche Musikarchiv listet mehr als 900 Tonträger. Eine Suche auf YouTube nach Es ist ein Ros entsprungen liefert mehr als 56.800 Treffer (Stand Dezember 2016).

Neben Chören wie Thomanerchor Leipzig und Wiener Sängerknaben, Kinderstars wie Heintje und Andrea Jürgens, sangen Es ist ein Ros entsprungen aber auch etablierte Künstler wie Ivan Rebroff, Angelika Milster und Nana Mouskouri oder Peter Alexander, Roger Whittaker und Andrea Berg. Das stimmungsvolle Es ist ein Ros entsprungen verbindet Musiker aller Genres, vom volkstümlichen Ernst Mosch Blasorchester bis hin zu Andre Rieus Orchester.

Tom Borg, 20. Dezember 2016

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