Das Schiff streicht durch die Wellen

Die Melodie des Schifferlieds basiert auf dem italienischen Lied »Il pescatore dell‘onde«. Die Urheberschaft des seit 1819 bekannten Textes reklamierten zwei Autoren für sich: Josef von Brassier und Guido von Meyer.

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Musiknoten zum Lied - Das Schiff streicht durch die Wellen

Das Schiff streicht durch die Wellen Fidelin.
Von Ost die Segel schwellen, Fidelin.
Verschwunden ist der Strand
in der Ferne,
o wie gerne
wär ich doch im Heimatland,
Rosabella, Fidelin.

Ihr dunkelblauen Wogen, Fidelin,
wo kommt ihr hergezogen, Fidelin !
kommt ihr von fernem Strand?
Lasst sie rollen; denn sie sollen
noch zurück zum Heimatland,
Rosabella Fidelin!

Und wenn die Wellen rauschen, Fidelin,
wird sie am Ufer lauschen; Fidelin !
dann eilet hin zu ihr,
sie zu grüßen, sie zu küssen,
sag ihr viel, recht viel von mir,
Rosabella Fidelin!

Mag ich auf Wellen schwanken, Fidelin,
sind immer die Gedanken, Fidelin
bei dir im Heimatland;
was ich singe, das erklinge
bis hinüber an den Strand,
Rosabella Fidelin!

Wenn wilde Stürme rauschen, Fidelin,
und hoch die Wellen brausen , Fidelin,
dann denk‘ ich nur an dich:
dass mir bliebe deine Liebe,
und kein Sturm erschüttert mich,
Rosabella Fidelin!

Was ich jetzt fern muss singen, Fidelin,
bald soll dir’s näher klingen, Fidelin;
mein‘ Fahrt ist bald vorbei.
Meine Lieder bring‘ ich wieder
und mit ihnen meine Treu‘,
Rosabella Fidelin!

Als Ursprung des Lieds gilt ein Gedicht vom Grafen Joseph von Brassier de Saint-Simon-Vallade (1798-1872) aus dem Jahr 1819, mit Benutzung der italienischen Melodie »O pescator dell‘ onde«. Der deutsche Text steht zuerst in und Volkslieder«, Stuttgart, Metzlers Verlag 1824, mit »Br« unterzeichnet. Mit der italienischen Melodie steht das Lied zuerst im »Teutschen Liederbuch«, Passau, Ambross 1828, Seite 99. Schon wenige Jahre darauf sang man das Schifferlied in ganz Deutschland. Zur Verbreitung trug der Umstand bei, dass es bald darauf in »Der Weltumsegler« aufgenommen wurde.

Die spielerischen Endsilben des Refrains »Fri-de-lin« bedeuten eigentlich nichts anderes als »tra-la-la«. Oft wird diese Passage auch mit »Rosabella, Fidelin« gesungen, die ein bestimmtes Mädchen zu adressieren scheint.

Zur Urheberschaft des Liedtextes gab es in der Literatur einen langewährenden Streit. Franz Magnus Böhme ging darauf in seinem Standardwerk »Volkstümliche Lieder der Deutschen« ein. Dort schreibt er auf Seite 545f einen ausführlichen Artikel, der nachfolgend wiedergeben ist:

Die lange Zeit offene Frage über die Persönlichkeit des Autors ist endgültig gelöst durch Angaben der neuesten Conversationslexika und durch ein Buch von Alfred Reumont »Aus König Friedrich Wilhelms gesunden und kranken Tagen«, 2. Auflage, Leipzig 1855. Der zuverlässige, vielseitig gebildete Herausgeber, Diplomat und zum vertrauten Kreise Fr. Wilhelms gehörend, behandelt darin die Berliner Gesellschaft 1843-46 und kommt dabei (auf S. 239) auch auf den preußischen Diplomaten Herrn von Brassier zu sprechen, mit dem er sowohl damals, als ganz besonders 1871/72 in Florenz vielfach in persönlichem Verkehr stand. Er widmet ihm sieben Seiten und sagt auf 240ff. folgendes:

»Es ist mehr als sechzig Jahre her, seit ein Lied in aller Munde war, die Nachahmung eines bekannten italienischen Barcarola, die mit den Worten ›O pescator dell‘onde‹ beginnt. Auch heute erinnern sich noch manche des anmutigen Liedes ›Das Schiff streicht durch die Wellen‹ und wenn man es auch hier und da in einer Sammlung, wie z.B. in Phil. Wackernagels ›Trösteinsamkeit‹ und als Namen des Verfassers Brassier angegeben findet, so wissen wohl die wenigsten, wer dieser Poet ist. Joseph von Brassier wurde nach einer, wahrscheinlich von ihm selbst stammenden Angabe, zu Birlegg in Tirol am 8. August 1798 geboren; sein Vater, der im französischen Militärdienste gewesen und durch die Revolution aus seinem Vaterlande verdrängt worden war, lebte längere Zeit in Schlesien…. Der Jüngling wurde auf dem Gymnasium in Züllichau (in Brandenburg) erzogen und kam Ostern 1819 auf die Berliner Universität, um Rechtswissenschaft zu studieren. Seine schöne Tenorstimme und sein nicht gewöhnliches musikalisches Talent befreundeten ihm mit dem zu früh verstorbenen begabten rheinischen Komponisten Bernhard Klein (gestorben 1832 in Berlin). Die Barcarola ist in jenen Tagen entstanden und man hat sich noch lange daran erinnert, dass der Poet sie zur Gitarre, welche er wie Theodor Körner als ›verwegener Zitherspieler‹ am blauen Bande trug, ›mit seinem schönen Tenor zu singen pflegte.‹ – Brassier studierte darauf noch in Heidelberg, kehrte aber wieder in die Hauptstadt zurück und trat sodann in den regelmäßigen diplomatischen Dienst. Seine diplomatische Laufbahn führte ihn an viele bedeutende Höfe Europas: nach Stockholm, Turin, Konstantinopel. 1869 kam er als Gesandter des Norddeutschen Bundes nach Florenz, folgte dann der italienischen Regierung in die neue Hauptstadt Rom und starb am 22. Oktober 1872 in Florenz an den Folgen einer schweren Operation.«

Diese Notizen verdanke ich einer Abhandlung von Dr. K. Reifert in den akademischen Monatsblättern (VII. Jahrgang, 5. März 1895) Der liederkundige Herr ist vom Verband der katholischen Studentenvereine Deutschlands mit der historisch-kritischen Ausgabe ihres Kommersbuches beauftragt und kommt bei der Besprechung des aufzunehmenden Materials auch auf jenes Schifferlied.

An der obigen Feststellung des Verfassers kann meines Erachtens kaum noch ein Zweifel aufkommen. Es erscheint darum kaum glaublich, wie ein Frankfurter Jude, Guido v. Meyer, nach dortigen Zeitungsberichten das Lied als sein Eigentum reklamieren konnte. Und doch ist es geschehen. Diese Auffälligkeit sei nicht verschwiegen. Der hochbejahrte Frankfurter Schriftsteller Friedrich Stolze erzählt in seiner »Laterne« (Dezember 1884) über die Entstehung des Liedes:

»Im Sommer 1819 kam der russische General v. Manderstierna, ein schon älterer Herr mit seiner schönen jugendlichen Gemahlin, einer geborenen Frankfurterin aus der Familie v. Heyden, zum Besuche nach Frankfurt a. M.. Der jungen Dame zu Ehren wurde während ihres Aufenthalts in Frankfurt von Seiten der angesehensten Familien mancherlei Festlichkeiten veranstaltet, darunter auch eine Wasserfahrt auf dem Maine in einer festlich geschmückten Jacht nach Hanau. Dieser Lustbarkeit wohnte auch der bekannte Frankfurter Gelehrte und berühmte Bibelübersetzer von Meyer mit seinem Sohne Guido bei, und letzterer hatte eigens für diese Gelegenheit ein Schifferlied gedichtet, das Lied ›Das Schiff streicht durch die Wellen‹ und zwar nach der Melodie einen italienischen Liedes ›O pescator dell‘onde‹ Auf der Heimfahrt wurde es mit Musikbegleitung von der Gesellschaft bei der Abfahrt von Hanau gesungen und unterwegs mehrere mal mit immer größerem Beifall wiederholt. Als zu Anfang der dreissiger Jahre das Lied volkstümlich geworden und in alle Volksliederbücher mit dem Namen Brassier als Verfasser übergegangen war, reklamierte G. v. Meyer öffentlich dagegen, aber Brassier hüllte sich in tiefes Schweigen.«

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